Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.Lriniiermigen einer Lehrerin ist, der soll nicht an die Volksschule gehn. Denn die eigentliche Lehrtätigkeit Gerade von den doppelten Lasten, den doppelten Sorgen, bei dem Niedern Lriniiermigen einer Lehrerin ist, der soll nicht an die Volksschule gehn. Denn die eigentliche Lehrtätigkeit Gerade von den doppelten Lasten, den doppelten Sorgen, bei dem Niedern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0560" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88038"/> <fw type="header" place="top"> Lriniiermigen einer Lehrerin</fw><lb/> <p xml:id="ID_2415" prev="#ID_2414"> ist, der soll nicht an die Volksschule gehn. Denn die eigentliche Lehrtätigkeit<lb/> muß hinter der sozialen Hilfsarlieit zurückstehn- Hier wie dort aber ist große<lb/> Selbstentäußerung, Liebe zu den Schwachen und Kranken, auch in seelischer<lb/> Beziehung, nötig. Hier wie dort bietet sich viele äußere und innerliche Ver¬<lb/> kommenheit, hier wie dort muß oft ein starkes Ekelgefühl unterdrückt werden.<lb/> Die Gemeindediakonissin und die Volksschnllehrerin, sie sehen das Elend an<lb/> der Quelle. Und mich wundert nur, daß diese beiden nicht längst Hand in<lb/> Hand arbeiten! Ein Diakvnissinnengesicht zeigt ja fast immer den friedlich<lb/> heitern Zug, ein Volksschullehrerinnengesicht wird ihn wohl schwerer bekommen,<lb/> aber wehe der Volksschullehrerin, die nicht versteht, sich den Humor zu be¬<lb/> wahren. Ich meine nicht nur das Wort in der Bedeutung, wie wir es so<lb/> oft im Deutschen auffassen, sondern ich möchte sagen „Humor im Dickensschen<lb/> Sinne." Denn der Beruf der Volksschullehrerin bietet vieles an schweren,<lb/> Trüben, Unangenehmem, Ärgerlichem. Es gehört viel Überwindung dazu, ehe<lb/> man sich an das Arbeiten mit den Ärmsten im Volke gewöhnt hat. Aber der<lb/> Beruf verlangt vor allem auch eine feste Gesundheit, einen starken Willen und<lb/> ein warmes Herz, ohne diese drei Dinge kann man ihn nicht ausfüllen. Große<lb/> Geistesgaben verlangt man weder von einer Diakonissin noch von einer Volks¬<lb/> schullehrerin. Ja vielleicht sind sie bei beiden vom Übel, denn sie bringen<lb/> etwas Unruhiges in die Persönlichkeit hinein und verhindern das gänzliche<lb/> Aufgehn der Persönlichkeit in dein Beruf oder vielmehr die gänzliche Hingebung<lb/> der Persönlichkeit an ihn. Wem geistige Arbeit, wissenschaftliche Fortbildung<lb/> Bedürfnis ist, der wähle diese Berufe nicht. Auch die nicht, die viel von<lb/> innerlicher oder körperlicher Kraft an die Familie abgeben müssen, denn sie<lb/> werden sonst der doppelten Last erliegen. Kein evangelischer Verband löst<lb/> seine Schwestern mehr von der Häuslichkeit, dem Elternhause ab, wie der der<lb/> Diakonissin, kein Unterrichten stellt so hohe Anforderungen an die Kräfte der<lb/> Lehrerinnen als das an der Volksschule. Da kann niemand ohne schweren<lb/> Schaden zween Herren dienen. Entweder Schule oder Haus, beides zusammen<lb/> ist unmöglich. Damit nehme ich auch zugleich Stellung zu der Frage von<lb/> der „verheirateten Lehrerin," die auf dem Berliner Internationalen Frauen¬<lb/> kongreß angeschnitten worden ist. Meiner Erfahrung nach ist es ein Unding,<lb/> Lehrerin und Hausfrau und Mutter zugleich sein zu wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2416" next="#ID_2417"> Gerade von den doppelten Lasten, den doppelten Sorgen, bei dem Niedern<lb/> Gehalt, rühren die ungünstigen Beobachtungen her, die Professor Zimmer über<lb/> den Gesundheitszustand der Lehrerinnen gemacht hat. Denn noch bietet man<lb/> ganz ungesetzmäßig den Lehrerinnen einen niedrigem Wohnungszuschuß als den<lb/> Lehrern; meint man, daß die junge Lehrerin billiger wohnen könne als ein<lb/> unverheirateter junger Lehrer? Man bedenke, was tausend Mark Anfangsgehalt<lb/> in einer Großstadt sagen wollen! Und doch bringen es viele Lehrerinnen fertig,<lb/> davon Mutter und Geschwister zu unterstützen. Ich kenne manchen Offizier im<lb/> Heere, der nur darum des Königs Rock tragen kann, weil seine Schwester<lb/> Lehrerin ist. Darum überarbeiten sich die meisten Lehrerinnen mit Privatstunden,<lb/> weil sie sonst nicht das Nötigste hätten. Man lasse sich nicht durch die „Reisen"<lb/> der Lehrerinnen täuschen. Wohl reisen sie verhältnismüßig mehr als die Frauen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0560]
Lriniiermigen einer Lehrerin
ist, der soll nicht an die Volksschule gehn. Denn die eigentliche Lehrtätigkeit
muß hinter der sozialen Hilfsarlieit zurückstehn- Hier wie dort aber ist große
Selbstentäußerung, Liebe zu den Schwachen und Kranken, auch in seelischer
Beziehung, nötig. Hier wie dort bietet sich viele äußere und innerliche Ver¬
kommenheit, hier wie dort muß oft ein starkes Ekelgefühl unterdrückt werden.
Die Gemeindediakonissin und die Volksschnllehrerin, sie sehen das Elend an
der Quelle. Und mich wundert nur, daß diese beiden nicht längst Hand in
Hand arbeiten! Ein Diakvnissinnengesicht zeigt ja fast immer den friedlich
heitern Zug, ein Volksschullehrerinnengesicht wird ihn wohl schwerer bekommen,
aber wehe der Volksschullehrerin, die nicht versteht, sich den Humor zu be¬
wahren. Ich meine nicht nur das Wort in der Bedeutung, wie wir es so
oft im Deutschen auffassen, sondern ich möchte sagen „Humor im Dickensschen
Sinne." Denn der Beruf der Volksschullehrerin bietet vieles an schweren,
Trüben, Unangenehmem, Ärgerlichem. Es gehört viel Überwindung dazu, ehe
man sich an das Arbeiten mit den Ärmsten im Volke gewöhnt hat. Aber der
Beruf verlangt vor allem auch eine feste Gesundheit, einen starken Willen und
ein warmes Herz, ohne diese drei Dinge kann man ihn nicht ausfüllen. Große
Geistesgaben verlangt man weder von einer Diakonissin noch von einer Volks¬
schullehrerin. Ja vielleicht sind sie bei beiden vom Übel, denn sie bringen
etwas Unruhiges in die Persönlichkeit hinein und verhindern das gänzliche
Aufgehn der Persönlichkeit in dein Beruf oder vielmehr die gänzliche Hingebung
der Persönlichkeit an ihn. Wem geistige Arbeit, wissenschaftliche Fortbildung
Bedürfnis ist, der wähle diese Berufe nicht. Auch die nicht, die viel von
innerlicher oder körperlicher Kraft an die Familie abgeben müssen, denn sie
werden sonst der doppelten Last erliegen. Kein evangelischer Verband löst
seine Schwestern mehr von der Häuslichkeit, dem Elternhause ab, wie der der
Diakonissin, kein Unterrichten stellt so hohe Anforderungen an die Kräfte der
Lehrerinnen als das an der Volksschule. Da kann niemand ohne schweren
Schaden zween Herren dienen. Entweder Schule oder Haus, beides zusammen
ist unmöglich. Damit nehme ich auch zugleich Stellung zu der Frage von
der „verheirateten Lehrerin," die auf dem Berliner Internationalen Frauen¬
kongreß angeschnitten worden ist. Meiner Erfahrung nach ist es ein Unding,
Lehrerin und Hausfrau und Mutter zugleich sein zu wollen.
Gerade von den doppelten Lasten, den doppelten Sorgen, bei dem Niedern
Gehalt, rühren die ungünstigen Beobachtungen her, die Professor Zimmer über
den Gesundheitszustand der Lehrerinnen gemacht hat. Denn noch bietet man
ganz ungesetzmäßig den Lehrerinnen einen niedrigem Wohnungszuschuß als den
Lehrern; meint man, daß die junge Lehrerin billiger wohnen könne als ein
unverheirateter junger Lehrer? Man bedenke, was tausend Mark Anfangsgehalt
in einer Großstadt sagen wollen! Und doch bringen es viele Lehrerinnen fertig,
davon Mutter und Geschwister zu unterstützen. Ich kenne manchen Offizier im
Heere, der nur darum des Königs Rock tragen kann, weil seine Schwester
Lehrerin ist. Darum überarbeiten sich die meisten Lehrerinnen mit Privatstunden,
weil sie sonst nicht das Nötigste hätten. Man lasse sich nicht durch die „Reisen"
der Lehrerinnen täuschen. Wohl reisen sie verhältnismüßig mehr als die Frauen,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |