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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Zum Andenken

in eine ohne Zweifel sehr ergötzliche Vogelscheuche verwandelt worden, an die
sich der nach einem Weilchen, und nachdem sich die allgemeine Lachlust ein
"venig beruhigt hatte, mit äußerster Grandezza als König auftretende General¬
stabsoffizier mit der etwas unüberlegten Äußerung wandte: I'stat o'sse moi.
Die drei Silben und das Ganze waren in erwünschter Weise nach einigen
Fehlschüssen erraten worden, und es hatte merkwürdigerweise niemand an dem
Königswort etwas auszusetzen gehabt, aber der Prinz war auch in solchen
Kleinigkeiten zu gründlich, als daß ihm nicht am andern Morgen bei einem
Spazierritte der begangne Anachronismus Hütte klar werden, und daß er dem
aus der Rolle gefallnen Ludwig dem Fünfzehnten nicht bei der ersten Wieder¬
begegnung seine Bedenken Hütte mitteilen sollen: Bester........., ich weiß
wirklich nicht, wo wir alle gestern Abend unsre Gedanken gehabt haben. Und
daß auch die Marquise Sie nicht auf das an dem Urgroßvater begangne
Plagiat aufmerksam gemacht hat, nimmt mich wirklich Wunder.

Eine Menge Züge wahrhafter Herzensgüte, die hier mitgeteilt werden
könnten, eignen sich aus begreiflichen Gründen nicht zur Veröffentlichung, aber
das muß hier doch wiederholt werden, daß er der treueste, zuverlässigste, un¬
ermüdlichste Gönner war, den sich ein einmal von ihm in die gute Spalte
seines Buchs aufgenommner, einer solchen Gnade wenn auch noch so unwür¬
diger Sterblicher wünschen konnte.

Seine kurze Regierungszeit war ein Kalvariensteig.

Die bei seinem Regierungsantritt den Ständen vorgelegte Erhöhung der
Zivilliste, die berechtigt, und deren Betrag für die steuerzahlende Bevölkerung
nahezu belanglos war, diente Parteibestrebungen zu einem willkommnen Vor-
wande für ihre maßlosen, prinzipiell gegen jede Autorität und mit doppeltem
Grimme gegen einen es mit seinem Beruf ernst nehmenden Herrscher gerichteten
Wühlereien. Keine Erfindung war so plump, daß sie nicht gläubige Hörer
und Leser gefunden Hütte. Es wurde ausgestreut, ein Teil der von dem un¬
ermeßlich reichen Könige bezognen Zivilliste gehe als Peterspfennig nach Rom,
und der arme König, der nie in seinem Leben einen Augenblick gezögert hatte,
jedem das zuteil werden zu lassen, was ihm von Rechts wegen gebührte,
konnte, da er die Menschen nach sich beurteilte und sie deshalb für vorurteils¬
freier hielt, als sie es der Mehrzahl nach sind, nicht einsehen, warum man ihm
das, was ihm verfassungsmüßig zukam, zu kürzen und zu verübeln bemüht war.
Er grämte sich, ohne daß jemand anders als seine nächste Umgebung etwas
davon erfuhr, im tiefsten Herzen darüber, daß er bei seinem Volke nicht die
Anerkennung und die herzliche Liebe fand, die er durch seine Handlungsweise
und seine Gesinnungen verdient zu haben sich bewußt war. Wie so oft in
ähnlichen Fällen schrien die Widersacher um so lauter, je stiller sich der ihm
wohlgesinnte Teil der Bevölkerung verhielt. Die Geschichte gibt uns zahlreiche
Beispiele dieser Erscheinung an die Hand, die recht eigentlich die geistige Gleich-
giltigkeit und das unselbständige Urteil der großen Menge zeigen. Je ober¬
flächlicher oder je unreifer ein Volk politisch ist, um so williger folgt es, ohne
selbst zu prüfen, dem am lautesten und am selbstbewußtesten tönenden Rufe,
und oft kommt erst nach Jahren durch allerhand im entscheidenden Augenblicke


Zum Andenken

in eine ohne Zweifel sehr ergötzliche Vogelscheuche verwandelt worden, an die
sich der nach einem Weilchen, und nachdem sich die allgemeine Lachlust ein
»venig beruhigt hatte, mit äußerster Grandezza als König auftretende General¬
stabsoffizier mit der etwas unüberlegten Äußerung wandte: I'stat o'sse moi.
Die drei Silben und das Ganze waren in erwünschter Weise nach einigen
Fehlschüssen erraten worden, und es hatte merkwürdigerweise niemand an dem
Königswort etwas auszusetzen gehabt, aber der Prinz war auch in solchen
Kleinigkeiten zu gründlich, als daß ihm nicht am andern Morgen bei einem
Spazierritte der begangne Anachronismus Hütte klar werden, und daß er dem
aus der Rolle gefallnen Ludwig dem Fünfzehnten nicht bei der ersten Wieder¬
begegnung seine Bedenken Hütte mitteilen sollen: Bester........., ich weiß
wirklich nicht, wo wir alle gestern Abend unsre Gedanken gehabt haben. Und
daß auch die Marquise Sie nicht auf das an dem Urgroßvater begangne
Plagiat aufmerksam gemacht hat, nimmt mich wirklich Wunder.

Eine Menge Züge wahrhafter Herzensgüte, die hier mitgeteilt werden
könnten, eignen sich aus begreiflichen Gründen nicht zur Veröffentlichung, aber
das muß hier doch wiederholt werden, daß er der treueste, zuverlässigste, un¬
ermüdlichste Gönner war, den sich ein einmal von ihm in die gute Spalte
seines Buchs aufgenommner, einer solchen Gnade wenn auch noch so unwür¬
diger Sterblicher wünschen konnte.

Seine kurze Regierungszeit war ein Kalvariensteig.

Die bei seinem Regierungsantritt den Ständen vorgelegte Erhöhung der
Zivilliste, die berechtigt, und deren Betrag für die steuerzahlende Bevölkerung
nahezu belanglos war, diente Parteibestrebungen zu einem willkommnen Vor-
wande für ihre maßlosen, prinzipiell gegen jede Autorität und mit doppeltem
Grimme gegen einen es mit seinem Beruf ernst nehmenden Herrscher gerichteten
Wühlereien. Keine Erfindung war so plump, daß sie nicht gläubige Hörer
und Leser gefunden Hütte. Es wurde ausgestreut, ein Teil der von dem un¬
ermeßlich reichen Könige bezognen Zivilliste gehe als Peterspfennig nach Rom,
und der arme König, der nie in seinem Leben einen Augenblick gezögert hatte,
jedem das zuteil werden zu lassen, was ihm von Rechts wegen gebührte,
konnte, da er die Menschen nach sich beurteilte und sie deshalb für vorurteils¬
freier hielt, als sie es der Mehrzahl nach sind, nicht einsehen, warum man ihm
das, was ihm verfassungsmüßig zukam, zu kürzen und zu verübeln bemüht war.
Er grämte sich, ohne daß jemand anders als seine nächste Umgebung etwas
davon erfuhr, im tiefsten Herzen darüber, daß er bei seinem Volke nicht die
Anerkennung und die herzliche Liebe fand, die er durch seine Handlungsweise
und seine Gesinnungen verdient zu haben sich bewußt war. Wie so oft in
ähnlichen Fällen schrien die Widersacher um so lauter, je stiller sich der ihm
wohlgesinnte Teil der Bevölkerung verhielt. Die Geschichte gibt uns zahlreiche
Beispiele dieser Erscheinung an die Hand, die recht eigentlich die geistige Gleich-
giltigkeit und das unselbständige Urteil der großen Menge zeigen. Je ober¬
flächlicher oder je unreifer ein Volk politisch ist, um so williger folgt es, ohne
selbst zu prüfen, dem am lautesten und am selbstbewußtesten tönenden Rufe,
und oft kommt erst nach Jahren durch allerhand im entscheidenden Augenblicke


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/535>, abgerufen am 22.12.2024.