Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.Lin Brief aus trüber Zeit schreiben. Er hat große Güter, aber seine Güter liegen in dem zu reorganisirenden Hier im Großherzogthum sind 321 Güter in Subhastation, und davon sind Diese wüthenden Gesichter der Polen bei den Wahlen, davon hast Du keinen Von Bruder Philipp habe ich einen Brief gehabt, er schreibt recht betrübt, Jetzt wirst Du Dich freuen, wenn ich endlich einmal die Feder fortwerfe, zu Empfiehl mich Deiner lieben Frau und bewahre mir ein freundliches An¬ Mit treuer Liebe Dein Freund I. Kühne. Strz., den 19./1. 49. Philipp Kühne, ein Schwiegersohn Koppes und Bruder des Briefschreibers, lebt jetzt noch -- neunzigjährig -- als Amtsrat auf Amt Wanzleben bei Magdeburg. Über seinen ersten Besuch im Koppischen Hause in Wollup schreibt Freytag in seinen "Erinnerungen aus meinem Leben": "Wir betreten den großen Hof und treffen vor dem niedrigen Hause sogleich den Amtsrath (Koppe): mittlere Größe, faltiges Gesicht, das von Luft und Sonne geröthet ist, buschige Brauen über den scharfen grauen Augen. Er mustert die Kameraden seiner Söhne mit prüfenden Blicken und geht in seinen Geschäften weiter. Wir treten in ein großes Eßzimmer: die Frau Amtsrätin, die Tante, vier Töchter! Wir wurden gütig begrüßt, schnell an den Frühstückstisch gesetzt und sind bemüht, durch aufrichtige Würdigung alles dessen, was vor uns sitzt und steht, zu gefallen. -- Dann wandern wir mit den Töchtern des Hauses durch den Garten. Emma fragt und unterhält, Julie schwärmt, Marianne und Sophie, die jungen Gazellen, sprechen miteinander durch flüchtigen Blick ohne Worte, und uns umkreist ein guter Geist, der wohlwollende Annäherung vermittelt." Sophie Koppe, eine der jungen Gazellen, ist die Gattin des Amtsrats Philipp Kühne in Wanzleben geworden. Zu ihrem Polterabend hat Gustav Freytag, der von sich sagt, daß ihm, einem Schlesier, das Versemachen nicht schwer geworden sei, da seit den Schleichen Dichter¬ schulen in seinem Heimatlande Gelegenheitsgedichte die unvermeidlichen Begleiter eines jeden Familienfestes gewesen seien, ein reizendes, poesie- und humorvolles Festspiel geschrieben, das wohl wert wäre, veröffentlicht zu werden, wenn nicht durch die darin vorkommenden vielen Persönlichen Anspielungen sein Inhalt für jeden außerhalb des Familienkreises stehenden dritten nur schwer verständlich sein würde, zumal als seit der Entstehung des Gedichts nunmehr bald sechzig Jahre verflossen sein werden. Der Freundlichkeit der Frau Amtsrat Kühne, Sophie gebornen Koppe, verdanken wir die Mitteilung des obigen Briefes und die Erlaubnis zu seiner Veröffentlichung. Grenzboten I 190S<!0
Lin Brief aus trüber Zeit schreiben. Er hat große Güter, aber seine Güter liegen in dem zu reorganisirenden Hier im Großherzogthum sind 321 Güter in Subhastation, und davon sind Diese wüthenden Gesichter der Polen bei den Wahlen, davon hast Du keinen Von Bruder Philipp habe ich einen Brief gehabt, er schreibt recht betrübt, Jetzt wirst Du Dich freuen, wenn ich endlich einmal die Feder fortwerfe, zu Empfiehl mich Deiner lieben Frau und bewahre mir ein freundliches An¬ Mit treuer Liebe Dein Freund I. Kühne. Strz., den 19./1. 49. Philipp Kühne, ein Schwiegersohn Koppes und Bruder des Briefschreibers, lebt jetzt noch — neunzigjährig — als Amtsrat auf Amt Wanzleben bei Magdeburg. Über seinen ersten Besuch im Koppischen Hause in Wollup schreibt Freytag in seinen „Erinnerungen aus meinem Leben": „Wir betreten den großen Hof und treffen vor dem niedrigen Hause sogleich den Amtsrath (Koppe): mittlere Größe, faltiges Gesicht, das von Luft und Sonne geröthet ist, buschige Brauen über den scharfen grauen Augen. Er mustert die Kameraden seiner Söhne mit prüfenden Blicken und geht in seinen Geschäften weiter. Wir treten in ein großes Eßzimmer: die Frau Amtsrätin, die Tante, vier Töchter! Wir wurden gütig begrüßt, schnell an den Frühstückstisch gesetzt und sind bemüht, durch aufrichtige Würdigung alles dessen, was vor uns sitzt und steht, zu gefallen. — Dann wandern wir mit den Töchtern des Hauses durch den Garten. Emma fragt und unterhält, Julie schwärmt, Marianne und Sophie, die jungen Gazellen, sprechen miteinander durch flüchtigen Blick ohne Worte, und uns umkreist ein guter Geist, der wohlwollende Annäherung vermittelt." Sophie Koppe, eine der jungen Gazellen, ist die Gattin des Amtsrats Philipp Kühne in Wanzleben geworden. Zu ihrem Polterabend hat Gustav Freytag, der von sich sagt, daß ihm, einem Schlesier, das Versemachen nicht schwer geworden sei, da seit den Schleichen Dichter¬ schulen in seinem Heimatlande Gelegenheitsgedichte die unvermeidlichen Begleiter eines jeden Familienfestes gewesen seien, ein reizendes, poesie- und humorvolles Festspiel geschrieben, das wohl wert wäre, veröffentlicht zu werden, wenn nicht durch die darin vorkommenden vielen Persönlichen Anspielungen sein Inhalt für jeden außerhalb des Familienkreises stehenden dritten nur schwer verständlich sein würde, zumal als seit der Entstehung des Gedichts nunmehr bald sechzig Jahre verflossen sein werden. Der Freundlichkeit der Frau Amtsrat Kühne, Sophie gebornen Koppe, verdanken wir die Mitteilung des obigen Briefes und die Erlaubnis zu seiner Veröffentlichung. Grenzboten I 190S<!0
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Lin Brief aus trüber Zeit
schreiben. Er hat große Güter, aber seine Güter liegen in dem zu reorganisirenden
Theil, und daher wird ihm an der Demarkationslinie nicht gelegen sein. Uns liegt
Alles daran, und unser Anschluß an Westpreußen ist Bedingung, vor allem aber
Anerkennung der Verfassung.
Hier im Großherzogthum sind 321 Güter in Subhastation, und davon sind
6 deutsche Besitzer, die andren sind Polen. Der Ruin ist durch die letzten Begeben¬
heiten sehr beschleunigt. Die Armuth ist hier groß, und das Geld ist entsetzlich knapp.
Diese wüthenden Gesichter der Polen bei den Wahlen, davon hast Du keinen
Begriff. Der Haß wird nun auch nie ersterben, sonst haßten die Polen uns, aber
wir sie nicht; jetzt ist alles zur Erkenntniß gekommen. Wenn zum Frühjahr die
Sache wieder losbricht, muß ich meine Familie doch gleich nach Thorn bringen, ich
allein werde mich schon halten. Es steht uns noch manches bevor, doch muthig
müssen wir durch!
Von Bruder Philipp habe ich einen Brief gehabt, er schreibt recht betrübt,
und er muß in Wanzleben durch die Schweinehunde von Demokraten viel Ärger
haben.*) Wer kann jetzt auch beim besten Temperamente in heiterer Stimmung
sein. Die Zeit ist wirklich ernst.--
Jetzt wirst Du Dich freuen, wenn ich endlich einmal die Feder fortwerfe, zu
Plaudern hätte ich mit Dir noch manchen langen Bogen. Heute ist Schlittenbahn,
und die will ich ordentlich genießen, ich werde versuchen im Walde einen Fuchs an¬
zufahren; gewöhnlich kostet mich das aber einen Schlitten, und den Fuchs habe ich
doch selten bekommen. —
Empfiehl mich Deiner lieben Frau und bewahre mir ein freundliches An¬
denken.
Mit treuer Liebe Dein Freund I. Kühne. Strz., den 19./1. 49.
Philipp Kühne, ein Schwiegersohn Koppes und Bruder des Briefschreibers, lebt jetzt
noch — neunzigjährig — als Amtsrat auf Amt Wanzleben bei Magdeburg.
Über seinen ersten Besuch im Koppischen Hause in Wollup schreibt Freytag in seinen
„Erinnerungen aus meinem Leben": „Wir betreten den großen Hof und treffen vor dem
niedrigen Hause sogleich den Amtsrath (Koppe): mittlere Größe, faltiges Gesicht, das von Luft
und Sonne geröthet ist, buschige Brauen über den scharfen grauen Augen. Er mustert die
Kameraden seiner Söhne mit prüfenden Blicken und geht in seinen Geschäften weiter. Wir
treten in ein großes Eßzimmer: die Frau Amtsrätin, die Tante, vier Töchter! Wir wurden
gütig begrüßt, schnell an den Frühstückstisch gesetzt und sind bemüht, durch aufrichtige Würdigung
alles dessen, was vor uns sitzt und steht, zu gefallen. — Dann wandern wir mit den Töchtern
des Hauses durch den Garten. Emma fragt und unterhält, Julie schwärmt, Marianne und
Sophie, die jungen Gazellen, sprechen miteinander durch flüchtigen Blick ohne Worte, und uns
umkreist ein guter Geist, der wohlwollende Annäherung vermittelt."
Sophie Koppe, eine der jungen Gazellen, ist die Gattin des Amtsrats Philipp Kühne in
Wanzleben geworden. Zu ihrem Polterabend hat Gustav Freytag, der von sich sagt, daß ihm,
einem Schlesier, das Versemachen nicht schwer geworden sei, da seit den Schleichen Dichter¬
schulen in seinem Heimatlande Gelegenheitsgedichte die unvermeidlichen Begleiter eines jeden
Familienfestes gewesen seien, ein reizendes, poesie- und humorvolles Festspiel geschrieben, das
wohl wert wäre, veröffentlicht zu werden, wenn nicht durch die darin vorkommenden vielen
Persönlichen Anspielungen sein Inhalt für jeden außerhalb des Familienkreises stehenden dritten
nur schwer verständlich sein würde, zumal als seit der Entstehung des Gedichts nunmehr bald
sechzig Jahre verflossen sein werden. Der Freundlichkeit der Frau Amtsrat Kühne, Sophie
gebornen Koppe, verdanken wir die Mitteilung des obigen Briefes und die Erlaubnis zu seiner
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