Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.<Lin Brief aus trüber Zeit mein letztes mit ihnen getheilt! Es waren eine Menge armer Hcmdwerkerfnmilieu, Die Bürgerschaft in Bromberg war alarmirt, und jeden Augenblick erwartete Lachmann, der Inspector vom Amt, war mit den Gespannen und Leuten nach Tags darauf mußte ich nach Jnowrazlaw zur Wahl. Als ich dorthin kam, Ich ging noch zu Hirschfeld und sprach mit ihm und gab ihm die Quellen *) Noch viele, viele Jahre später wurden, wie Einsender des Briefes aus eigner Er¬
fahrung weiß, die etwas derben und deshalb hier nicht wiederzugebende" Witze und Spaße, und denen Hauptmann Noack als junger Leutnant in dem heißen Gefechte bei Wreschen seine ^-ente angefeuert hatte, von den Mannschaften seiner Batterie und von den Bürgern der kleinen ymterpomincrschen Garnisonstadt am Stammtische erzählt und belacht. <Lin Brief aus trüber Zeit mein letztes mit ihnen getheilt! Es waren eine Menge armer Hcmdwerkerfnmilieu, Die Bürgerschaft in Bromberg war alarmirt, und jeden Augenblick erwartete Lachmann, der Inspector vom Amt, war mit den Gespannen und Leuten nach Tags darauf mußte ich nach Jnowrazlaw zur Wahl. Als ich dorthin kam, Ich ging noch zu Hirschfeld und sprach mit ihm und gab ihm die Quellen *) Noch viele, viele Jahre später wurden, wie Einsender des Briefes aus eigner Er¬
fahrung weiß, die etwas derben und deshalb hier nicht wiederzugebende» Witze und Spaße, und denen Hauptmann Noack als junger Leutnant in dem heißen Gefechte bei Wreschen seine ^-ente angefeuert hatte, von den Mannschaften seiner Batterie und von den Bürgern der kleinen ymterpomincrschen Garnisonstadt am Stammtische erzählt und belacht. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0459" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87937"/> <fw type="header" place="top"> <Lin Brief aus trüber Zeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1966" prev="#ID_1965"> mein letztes mit ihnen getheilt! Es waren eine Menge armer Hcmdwerkerfnmilieu,<lb/> die zu Haus nur für den nächsten Tag hatten, denen es hier aber an Allem<lb/> fehlte. Gern gab ich, was nötig war, und meine Fran unterstützte mich nach<lb/> Kräften.</p><lb/> <p xml:id="ID_1967"> Die Bürgerschaft in Bromberg war alarmirt, und jeden Augenblick erwartete<lb/> man den Mieroslawsky, Ich umarmte Weib und Kinder und ging dann gleich zum<lb/> Oberst und meldete ihm, daß ich binnen einer halben Stunde mit 20 Mann, brave<lb/> Leute, zu Diensten stünde. Denn ging ich zurück, aß etwas, der Jäger wischte<lb/> meine Waffen ab, und während der Zeit kamen auch schon alle meine alten<lb/> Jungens an. Ich will nicht sagen, daß es ein imponirendes Corps war, aber<lb/> wir standen unsern Mann, wir hatten uns erprobt, und jeder wußte, was er von<lb/> dem Andern zu halten hatte. — Um 10 Uhr Abends kamen die Nachrichten<lb/> anders. Hirschfeld hatte sich mit seinem Corps zwischen den Mieroslawsky und<lb/> Bromberg gestellt. Bei Wreschen hatten die Königl. Truppen einen glänzenden<lb/> Sieg erfochten und blieben dem Mieroslawsky nun immer auf den Fersen. Hirsch¬<lb/> feld beabsichtigte, ihn nach Russisch-Polen zu werfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1968"> Lachmann, der Inspector vom Amt, war mit den Gespannen und Leuten nach<lb/> Bromberg gekommen, Kleist dagegen war auf seinem Hengste mit den Husaren<lb/> geritten, bei denen ein Onkel von ihm Major war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1969"> Tags darauf mußte ich nach Jnowrazlaw zur Wahl. Als ich dorthin kam,<lb/> war alles gestopft voll Militär, es war die Hirschfeldsche mobile Colonne. Es<lb/> waren im Ganzen 4000 Mann. Die Artillerie stand auf dem Kasernenhofe, ich<lb/> wollte einen Bekannten, einen Leutnant Noack von der Artillerie, aufsuchen und<lb/> trat an einen Bombardier, der neben der Kanone stand; ich kam mit ihm ins<lb/> Gespräch, und er erzählte mir von Wreschen, von seinem Leutnant und von seiner<lb/> Kanone. „Ja, sagte er, gleich als wir aufführen, schössen uns die Insurgenten<lb/> einen Trompeter und ein Vorderpferd todt, unser erster und 2. Schuß traf nicht;<lb/> da ritt der Herr Leutunnt bis dicht an das feindliche Geschütz und sagte: es sind<lb/> so und so viel Galoppsprünge, also so viel Schritt, nehmen Sie mehr Aufsatz; der<lb/> nächste Schuß von uns zerstörte das feindliche Geschütz, und schon beim dritten<lb/> Schuß rissen sie aus und mit Paßkugeln schräg durch die Bataillone, sie fielen<lb/> immer auf Wagenspurbreite. Die Jnsurgenten machten mit Kavallerie eine Attaque,<lb/> und 17 blieben nach dem ersten Schuß." So wußte er viel zu erzählen.<lb/> »Siebzehn Jahre habe ich das Geschütz im Frieden bedient und habe immer viel<lb/> Kor ihm gehalten, aber daß es ein so gutes Kanon wäre, habe ich doch nicht ge¬<lb/> dacht, jetzt verlaß ich es nie mehr, des Nachts schlafe ich darunter." — Der<lb/> Leutnant war aber mein Noack gewesen, im tollsten Feuer war ihm der Witz nicht<lb/> ausgegangen. *)</p><lb/> <p xml:id="ID_1970" next="#ID_1971"> Ich ging noch zu Hirschfeld und sprach mit ihm und gab ihm die Quellen<lb/> an, wo er Nachricht über den Feind einziehen könne, und fuhr dann nach Blom¬<lb/> berg. An dem Abend rückte H. noch mit dem ganzen Corps in Strzelno ein,<lb/> blieb aber nur bis Mitternacht, weil er fürchtete, umgangen zu sein; er zog sich<lb/> um die Netze zurück und kam 3 Tage darauf uach Bromberg. Ohne Garnison<lb/> konnte ich vorläufig in Strzelno nicht ausdauern, und mit allen meinen Genossen<lb/> in Bromberg auf dem Pflaster zu liegen, das war nicht zu erschwingen. Ich<lb/> erbat und erhielt zur festen Garnison 1 Compagnie und einen Zug Husaren, dann<lb/> kehrten wir zurück. Die Compagnie war vom 21. Regiment, die Husaren waren<lb/> von den sehr beliebten rothen, der Leutnant war ein Herr von Katzler, ein ein¬<lb/> gefleischter Aristokrat und Soldat. Einer seiner Ahnen war Adjutant bei Tilly</p><lb/> <note xml:id="FID_21" place="foot"> *) Noch viele, viele Jahre später wurden, wie Einsender des Briefes aus eigner Er¬<lb/> fahrung weiß, die etwas derben und deshalb hier nicht wiederzugebende» Witze und Spaße,<lb/> und denen Hauptmann Noack als junger Leutnant in dem heißen Gefechte bei Wreschen seine<lb/> ^-ente angefeuert hatte, von den Mannschaften seiner Batterie und von den Bürgern der kleinen<lb/> ymterpomincrschen Garnisonstadt am Stammtische erzählt und belacht.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0459]
<Lin Brief aus trüber Zeit
mein letztes mit ihnen getheilt! Es waren eine Menge armer Hcmdwerkerfnmilieu,
die zu Haus nur für den nächsten Tag hatten, denen es hier aber an Allem
fehlte. Gern gab ich, was nötig war, und meine Fran unterstützte mich nach
Kräften.
Die Bürgerschaft in Bromberg war alarmirt, und jeden Augenblick erwartete
man den Mieroslawsky, Ich umarmte Weib und Kinder und ging dann gleich zum
Oberst und meldete ihm, daß ich binnen einer halben Stunde mit 20 Mann, brave
Leute, zu Diensten stünde. Denn ging ich zurück, aß etwas, der Jäger wischte
meine Waffen ab, und während der Zeit kamen auch schon alle meine alten
Jungens an. Ich will nicht sagen, daß es ein imponirendes Corps war, aber
wir standen unsern Mann, wir hatten uns erprobt, und jeder wußte, was er von
dem Andern zu halten hatte. — Um 10 Uhr Abends kamen die Nachrichten
anders. Hirschfeld hatte sich mit seinem Corps zwischen den Mieroslawsky und
Bromberg gestellt. Bei Wreschen hatten die Königl. Truppen einen glänzenden
Sieg erfochten und blieben dem Mieroslawsky nun immer auf den Fersen. Hirsch¬
feld beabsichtigte, ihn nach Russisch-Polen zu werfen.
Lachmann, der Inspector vom Amt, war mit den Gespannen und Leuten nach
Bromberg gekommen, Kleist dagegen war auf seinem Hengste mit den Husaren
geritten, bei denen ein Onkel von ihm Major war.
Tags darauf mußte ich nach Jnowrazlaw zur Wahl. Als ich dorthin kam,
war alles gestopft voll Militär, es war die Hirschfeldsche mobile Colonne. Es
waren im Ganzen 4000 Mann. Die Artillerie stand auf dem Kasernenhofe, ich
wollte einen Bekannten, einen Leutnant Noack von der Artillerie, aufsuchen und
trat an einen Bombardier, der neben der Kanone stand; ich kam mit ihm ins
Gespräch, und er erzählte mir von Wreschen, von seinem Leutnant und von seiner
Kanone. „Ja, sagte er, gleich als wir aufführen, schössen uns die Insurgenten
einen Trompeter und ein Vorderpferd todt, unser erster und 2. Schuß traf nicht;
da ritt der Herr Leutunnt bis dicht an das feindliche Geschütz und sagte: es sind
so und so viel Galoppsprünge, also so viel Schritt, nehmen Sie mehr Aufsatz; der
nächste Schuß von uns zerstörte das feindliche Geschütz, und schon beim dritten
Schuß rissen sie aus und mit Paßkugeln schräg durch die Bataillone, sie fielen
immer auf Wagenspurbreite. Die Jnsurgenten machten mit Kavallerie eine Attaque,
und 17 blieben nach dem ersten Schuß." So wußte er viel zu erzählen.
»Siebzehn Jahre habe ich das Geschütz im Frieden bedient und habe immer viel
Kor ihm gehalten, aber daß es ein so gutes Kanon wäre, habe ich doch nicht ge¬
dacht, jetzt verlaß ich es nie mehr, des Nachts schlafe ich darunter." — Der
Leutnant war aber mein Noack gewesen, im tollsten Feuer war ihm der Witz nicht
ausgegangen. *)
Ich ging noch zu Hirschfeld und sprach mit ihm und gab ihm die Quellen
an, wo er Nachricht über den Feind einziehen könne, und fuhr dann nach Blom¬
berg. An dem Abend rückte H. noch mit dem ganzen Corps in Strzelno ein,
blieb aber nur bis Mitternacht, weil er fürchtete, umgangen zu sein; er zog sich
um die Netze zurück und kam 3 Tage darauf uach Bromberg. Ohne Garnison
konnte ich vorläufig in Strzelno nicht ausdauern, und mit allen meinen Genossen
in Bromberg auf dem Pflaster zu liegen, das war nicht zu erschwingen. Ich
erbat und erhielt zur festen Garnison 1 Compagnie und einen Zug Husaren, dann
kehrten wir zurück. Die Compagnie war vom 21. Regiment, die Husaren waren
von den sehr beliebten rothen, der Leutnant war ein Herr von Katzler, ein ein¬
gefleischter Aristokrat und Soldat. Einer seiner Ahnen war Adjutant bei Tilly
*) Noch viele, viele Jahre später wurden, wie Einsender des Briefes aus eigner Er¬
fahrung weiß, die etwas derben und deshalb hier nicht wiederzugebende» Witze und Spaße,
und denen Hauptmann Noack als junger Leutnant in dem heißen Gefechte bei Wreschen seine
^-ente angefeuert hatte, von den Mannschaften seiner Batterie und von den Bürgern der kleinen
ymterpomincrschen Garnisonstadt am Stammtische erzählt und belacht.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |