Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches liegen zwar sämtlich auf dem Gebiet der preußische" Landesgesetzgebung: Ent¬ Zwischen Frankreich und Italien hat wegen des Erlasses des Königs Umberto Maßgebliches und Unmaßgebliches liegen zwar sämtlich auf dem Gebiet der preußische» Landesgesetzgebung: Ent¬ Zwischen Frankreich und Italien hat wegen des Erlasses des Königs Umberto <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0417" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87895"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1826" prev="#ID_1825"> liegen zwar sämtlich auf dem Gebiet der preußische» Landesgesetzgebung: Ent¬<lb/> schuldung des Grundbesitzes, innere Kolonisation und Beseitigung der Landarbeiter¬<lb/> not durch wirksame Unternehmungen zur Seßhciftigmachung der Landarbeiter. Aber<lb/> auch wenn sie zunächst nur in Preußen durchgeführt werden, wird doch ganz<lb/> Deutschland den Segen davon haben, und die andern deutschen Staaten werden<lb/> dem von Preußen gegebnen Beispiel je nach Lage der Verhältnisse bald folgen.<lb/> Eine aufblühende Landwirtschaft kräftigt auch den innern Markt in solcher Weise,<lb/> daß die Industrie, falls sich wirklich einige Vertragssätze dauernd nachteilig für sie<lb/> erweisen sollten, voraussichtlich auf dem Inlandsmarkt reichen Ersatz finden wird.<lb/> Neben dem äußern wird freilich auch der innere Friede für eine ungestörte Ent¬<lb/> wicklung notwendig sein. Störungen, wie sie jetzt der Bergarbeiterausstand hervor¬<lb/> gerufen hat, werden sich nicht oft wiederholen dürfen. Ganz abgesehen von der<lb/> schweren Schädigung des Erwerbslebens durch die behinderte Produktion und die<lb/> verminderte Kaufkraft der Arbeiter und ihrer Familien, fällt dabei die lange nach¬<lb/> wirkende Störung des Verhältnisses zwischen Unternehmern und Arbeitern, die nicht<lb/> so leicht zu beseitigende Spannung und das wachbleibcnde gegenseitige Mißtrauen<lb/> in die Wage, Dinge, die viel schlimmer sind als die in Zahlen auszudrückenden<lb/> Kosten einer solchen Störung. Um so mehr werden alle sorgfältig erwognen Ma߬<lb/> nahmen willkommen geheißen werden müssen, die dem Zweck dienen, solche Störungen<lb/> in Zukunft womöglich zu verhindern und beide Teile dem reichlich vorhandnen<lb/> gemeinsamen Interesse unterzuordnen. Sowohl die Maßnahmen auf dem Gebiet<lb/> der preußischen Bergwerkgesetzgebung als auch die zu erwartende reichsgesetzliche<lb/> Regelung der Berufsvereine und der Arbcitskammern werden hoffentlich diesem<lb/> Zweck dienen. Allerdings werden sie es nur dann tun, wenn sie nicht Rechte ver¬<lb/> leihen, die an keine entsprechenden Pflichten geknüpft sind. Wenn es überhaupt kein<lb/> Recht ohne Pflicht geben darf, in der sozialpolitischen Struktur eines großen Gemein¬<lb/> wesens ist das am unerläßlichsten. Mit Recht hat der Handelsminister in seiner<lb/> beim Festmahl der Berliner Handelskammer gehaltnen Rede davor gewarnt, den<lb/> in der ganzen Welt geschätzten und gesuchten deutschen Fleiß, der auch die für die<lb/> deutsche Industrie bevorstehenden Schwierigkeiten glänzend überwinden werde, durch<lb/> übertriebne Bestrebungen auf gesetzliche Einschränkung und Normierung der Arbeits¬<lb/> zeit zu zerstören. Mit diesem Fleiße, ihrer Elastizität und ihrer hervorragenden<lb/> Anpassungsgabe wird die deutsche Industrie auch über die Schwierigkeiten dieser<lb/> Handelsverträge hinwegkommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1827" next="#ID_1828"> Zwischen Frankreich und Italien hat wegen des Erlasses des Königs Umberto<lb/> über die Errichtung eines internationalen landwirtschaftlichen Instituts in Rom<lb/> eine gegenseitige Bekomplimentierung der Staatsoberhäupter beider Länder stattge¬<lb/> funden. Auch Kaiser Franz Joseph hat, wohl um die Beziehungen der beiden<lb/> vorläufig noch verbündeten Nachbarländer freundlich zu beeinflusse», dem König<lb/> Viktor Emanuel einen Glückwunsch ausgesprochen, den mit der Antwort des<lb/> Königs zu veröffentlichen man sich in Rom beeilt hat. Da der Erlaß des Königs<lb/> von Italien allen größern Regierungen amtlich mitgeteilt worden ist, werden ohne<lb/> Zweifel noch weitere Kundgebungen folgen, wobei es sachlich keinen Unterschied<lb/> macht, ob sie von Souverän zu Souverän oder von Regierung zu Regierung aus¬<lb/> getauscht werden. Im deutscheu Publikum weiß man offenbar nicht, was man<lb/> sich unter der Sache denken solle, und es besteht einige Neigung, sie mit dem<lb/> russischen Entwaffnungsvorschlage und der Haager Friedenskonferenz in eine Kategorie<lb/> zu bringen. Würde Italien ein Zentralinstitut zur Belebung und Förderung seiner<lb/> eignen Landwirtschaft schaffen, so würde man das hier eher versteh« und im<lb/> Interesse der wirtschaftlichen Erstarkung Italiens willkommen heißen, auf der die<lb/> Zukunft des uns befreundeten Landes beruht. Freilich unter der Voraussetzung<lb/> einer weitern friedlichen Entwicklung. Es treten aber neuerdings Symptome auf,<lb/> die hoffentlich nur vorübergehender Natur sind. Minister Tittoni hat jüngst im<lb/> italienischen Parlament militärischer Maßnahmen Österreichs gedacht, wie sie tat-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0417]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
liegen zwar sämtlich auf dem Gebiet der preußische» Landesgesetzgebung: Ent¬
schuldung des Grundbesitzes, innere Kolonisation und Beseitigung der Landarbeiter¬
not durch wirksame Unternehmungen zur Seßhciftigmachung der Landarbeiter. Aber
auch wenn sie zunächst nur in Preußen durchgeführt werden, wird doch ganz
Deutschland den Segen davon haben, und die andern deutschen Staaten werden
dem von Preußen gegebnen Beispiel je nach Lage der Verhältnisse bald folgen.
Eine aufblühende Landwirtschaft kräftigt auch den innern Markt in solcher Weise,
daß die Industrie, falls sich wirklich einige Vertragssätze dauernd nachteilig für sie
erweisen sollten, voraussichtlich auf dem Inlandsmarkt reichen Ersatz finden wird.
Neben dem äußern wird freilich auch der innere Friede für eine ungestörte Ent¬
wicklung notwendig sein. Störungen, wie sie jetzt der Bergarbeiterausstand hervor¬
gerufen hat, werden sich nicht oft wiederholen dürfen. Ganz abgesehen von der
schweren Schädigung des Erwerbslebens durch die behinderte Produktion und die
verminderte Kaufkraft der Arbeiter und ihrer Familien, fällt dabei die lange nach¬
wirkende Störung des Verhältnisses zwischen Unternehmern und Arbeitern, die nicht
so leicht zu beseitigende Spannung und das wachbleibcnde gegenseitige Mißtrauen
in die Wage, Dinge, die viel schlimmer sind als die in Zahlen auszudrückenden
Kosten einer solchen Störung. Um so mehr werden alle sorgfältig erwognen Ma߬
nahmen willkommen geheißen werden müssen, die dem Zweck dienen, solche Störungen
in Zukunft womöglich zu verhindern und beide Teile dem reichlich vorhandnen
gemeinsamen Interesse unterzuordnen. Sowohl die Maßnahmen auf dem Gebiet
der preußischen Bergwerkgesetzgebung als auch die zu erwartende reichsgesetzliche
Regelung der Berufsvereine und der Arbcitskammern werden hoffentlich diesem
Zweck dienen. Allerdings werden sie es nur dann tun, wenn sie nicht Rechte ver¬
leihen, die an keine entsprechenden Pflichten geknüpft sind. Wenn es überhaupt kein
Recht ohne Pflicht geben darf, in der sozialpolitischen Struktur eines großen Gemein¬
wesens ist das am unerläßlichsten. Mit Recht hat der Handelsminister in seiner
beim Festmahl der Berliner Handelskammer gehaltnen Rede davor gewarnt, den
in der ganzen Welt geschätzten und gesuchten deutschen Fleiß, der auch die für die
deutsche Industrie bevorstehenden Schwierigkeiten glänzend überwinden werde, durch
übertriebne Bestrebungen auf gesetzliche Einschränkung und Normierung der Arbeits¬
zeit zu zerstören. Mit diesem Fleiße, ihrer Elastizität und ihrer hervorragenden
Anpassungsgabe wird die deutsche Industrie auch über die Schwierigkeiten dieser
Handelsverträge hinwegkommen.
Zwischen Frankreich und Italien hat wegen des Erlasses des Königs Umberto
über die Errichtung eines internationalen landwirtschaftlichen Instituts in Rom
eine gegenseitige Bekomplimentierung der Staatsoberhäupter beider Länder stattge¬
funden. Auch Kaiser Franz Joseph hat, wohl um die Beziehungen der beiden
vorläufig noch verbündeten Nachbarländer freundlich zu beeinflusse», dem König
Viktor Emanuel einen Glückwunsch ausgesprochen, den mit der Antwort des
Königs zu veröffentlichen man sich in Rom beeilt hat. Da der Erlaß des Königs
von Italien allen größern Regierungen amtlich mitgeteilt worden ist, werden ohne
Zweifel noch weitere Kundgebungen folgen, wobei es sachlich keinen Unterschied
macht, ob sie von Souverän zu Souverän oder von Regierung zu Regierung aus¬
getauscht werden. Im deutscheu Publikum weiß man offenbar nicht, was man
sich unter der Sache denken solle, und es besteht einige Neigung, sie mit dem
russischen Entwaffnungsvorschlage und der Haager Friedenskonferenz in eine Kategorie
zu bringen. Würde Italien ein Zentralinstitut zur Belebung und Förderung seiner
eignen Landwirtschaft schaffen, so würde man das hier eher versteh« und im
Interesse der wirtschaftlichen Erstarkung Italiens willkommen heißen, auf der die
Zukunft des uns befreundeten Landes beruht. Freilich unter der Voraussetzung
einer weitern friedlichen Entwicklung. Es treten aber neuerdings Symptome auf,
die hoffentlich nur vorübergehender Natur sind. Minister Tittoni hat jüngst im
italienischen Parlament militärischer Maßnahmen Österreichs gedacht, wie sie tat-
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