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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Zollkasse, den Neichseiuuahmeu, zugute kommen, aber die Landwirtschaft wird
nur einen verhältnismäßig geringen Nutzen haben. Hierzu kommt, daß eine wesent¬
liche Steigerung der Lebensmittelpreise über die heutigen Sätze hinaus natürlich
zu Lohnsteigerungen in allen Gewerben, also voraussichtlich zu neuen wirtschaftlichen
Störungen und zur Erhöhung der untern und der mittlen Beamtengehalte führen
muß. Es wird somit wahrscheinlich eine Reihe von Jahren dauern, ehe die Nation
das durch die neuen Zollsätze gestörte Gleichgewicht wiederfindet. Ob die Mittel
zur Hebung der deutscheu Landwirtschaft wirklich so überwiegend auf dem Gebiet
der Zollsätze oder nicht vielmehr auf dem der sonstigen Gesetzgebung liegen, dafür
wird uns die neue Handelsvertragsperiode uun wohl volle Aufklärung bringen.
Von der Landwirtschaft steht ein Teil, wenigstens tun es die politischen Wort¬
führer, selbst diesen neuen hohen Zollsätzen uoch unbefriedigt gegenüber, obwohl
doch für jedermann klar sein muß, daß solche Sätze nur unter dem Einfluß einer
ungewöhnlich günstigen politischen Konjunktur möglich geworden sind, und daß nach
menschlichem Ermessen wenig Aussicht vorhanden sein dürfte, sie bei Ablauf dieser
neuen Verträge wiederzuerhalten. Jedoch -- während einer längern Wirtschafts-
Periode richtet sich die Nation eben auf eine solche nach allen Richtungen hin ein.
Gelingt es der deutschen Industrie, sich auch nur annähernd in der bisherigen Weise
weiter zu entwickeln und zu behaupten, so wird die Festigung des deutschen Jn-
lcmdmarktes zugleich mit dem fortschreitenden Wachstum der Bevölkerung um jährlich
eine Million Menschen, die in den Verzehrerkreis der landwirtschaftlichen Produktion
hineinwachsen, auch die Schwierigkeiten überwinden, die zweifellos zunächst in einer
weitern Steigerung der Lebensmittelpreise liegen.

Ungeachtet aller Brot- und Fleischzölle seit der Zolltarifreform von 1879 ist
in diesem Zeitraum die Lebenshaltung unsrer arbeitenden Klassen sowohl im häus¬
lichen Verbrauch als im Anschwellen der Sparkassen mächtig gestiegen, während
die Landwirtschaft ungeachtet des enorm gesteigerten Verbrauchs, zumal in einer
mehr als dreißigjährigen Friedenszeit, immer weiter zurückgegangen ist. Das spricht
deutlich genug dafür, daß ihr Gedeihen von den Zollsätzen nicht abhängig
ist. Regen und Sonnenschein, der Ausfall der Ernten in Deutschland selbst wie
in den Zufuhrländern, die Lage des gesamten Weltmarkts, von dem die Bildung
des Getreidepreises abhängt, die Steigerung und die Erleichterung der Zufuhr über
den Ozean -- das sind Einflüsse, die sich keinem Gesetz und keinem Vertrag unter¬
werfen. Über allen Gesetzen steht das Naturgesetz, über allen Handelsverträgen
steht der Mensch, der den durch solche Verträge geschaffnen Rahmen durch seine
Arbeit erst ausfüllen muß. Kann in dieser neuen Vertragsperiode die Landwirt¬
schaft nicht in der für Deutschland nötigen Weise prosperieren, kann sie namentlich
dem fortgesetzt wachsenden Konsum nicht durch eine entsprechende Steigerung ihrer
eignen Produktton begegnen, werden wir somit in der Zufuhr der Lebensmittel
immer abhängiger vom Auslande, so würde künftig nicht nur die Abhilfe für die
Landwirtschaft auf andern Gebieten zu suchen sein, sondern es würden für eine
ganze Reihe von wirtschaftlichen, politischen, ja auch militärische" Fragen neue
Grundlagen gesucht werden müssen.

Hoffentlich beherrscht den Reichstag so viel politischer Sinn, daß er die Ver¬
träge, die im einzelnen sorgfältiger vorbereitet und vorberaten sind als je ein Handels¬
vertrag, nicht erst auf eine langatmige Kommissionsberatung verweist, sondern im
Menna glatt erledigt, wozu auch bei dem größten Redebedürfuis vier bis fünf
Tage vollkommen ausreichen dürften. Will man nicht Abänderungen erreichen, die
doch kaum erreichbar sind, dann hat es wenig Zweck, durch eine weit ausgesponnene
"iskussion dem Auslande Waffen in die Hand zu geben.

Viel bedauert wird die Haltung der Konservativen, die diese selbst der "de¬
naturierte"" Kanalfrage gegenüber einnehmen. Nach den sehr großen Zugeständnissen,
me ihnen im Zolltarif und in den Handelsverträgen gemacht worden sind, war das
2-and zu der Erwartung berechtigt, daß sie der ohnehin so verstümmelten Kanal-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Zollkasse, den Neichseiuuahmeu, zugute kommen, aber die Landwirtschaft wird
nur einen verhältnismäßig geringen Nutzen haben. Hierzu kommt, daß eine wesent¬
liche Steigerung der Lebensmittelpreise über die heutigen Sätze hinaus natürlich
zu Lohnsteigerungen in allen Gewerben, also voraussichtlich zu neuen wirtschaftlichen
Störungen und zur Erhöhung der untern und der mittlen Beamtengehalte führen
muß. Es wird somit wahrscheinlich eine Reihe von Jahren dauern, ehe die Nation
das durch die neuen Zollsätze gestörte Gleichgewicht wiederfindet. Ob die Mittel
zur Hebung der deutscheu Landwirtschaft wirklich so überwiegend auf dem Gebiet
der Zollsätze oder nicht vielmehr auf dem der sonstigen Gesetzgebung liegen, dafür
wird uns die neue Handelsvertragsperiode uun wohl volle Aufklärung bringen.
Von der Landwirtschaft steht ein Teil, wenigstens tun es die politischen Wort¬
führer, selbst diesen neuen hohen Zollsätzen uoch unbefriedigt gegenüber, obwohl
doch für jedermann klar sein muß, daß solche Sätze nur unter dem Einfluß einer
ungewöhnlich günstigen politischen Konjunktur möglich geworden sind, und daß nach
menschlichem Ermessen wenig Aussicht vorhanden sein dürfte, sie bei Ablauf dieser
neuen Verträge wiederzuerhalten. Jedoch — während einer längern Wirtschafts-
Periode richtet sich die Nation eben auf eine solche nach allen Richtungen hin ein.
Gelingt es der deutschen Industrie, sich auch nur annähernd in der bisherigen Weise
weiter zu entwickeln und zu behaupten, so wird die Festigung des deutschen Jn-
lcmdmarktes zugleich mit dem fortschreitenden Wachstum der Bevölkerung um jährlich
eine Million Menschen, die in den Verzehrerkreis der landwirtschaftlichen Produktion
hineinwachsen, auch die Schwierigkeiten überwinden, die zweifellos zunächst in einer
weitern Steigerung der Lebensmittelpreise liegen.

Ungeachtet aller Brot- und Fleischzölle seit der Zolltarifreform von 1879 ist
in diesem Zeitraum die Lebenshaltung unsrer arbeitenden Klassen sowohl im häus¬
lichen Verbrauch als im Anschwellen der Sparkassen mächtig gestiegen, während
die Landwirtschaft ungeachtet des enorm gesteigerten Verbrauchs, zumal in einer
mehr als dreißigjährigen Friedenszeit, immer weiter zurückgegangen ist. Das spricht
deutlich genug dafür, daß ihr Gedeihen von den Zollsätzen nicht abhängig
ist. Regen und Sonnenschein, der Ausfall der Ernten in Deutschland selbst wie
in den Zufuhrländern, die Lage des gesamten Weltmarkts, von dem die Bildung
des Getreidepreises abhängt, die Steigerung und die Erleichterung der Zufuhr über
den Ozean — das sind Einflüsse, die sich keinem Gesetz und keinem Vertrag unter¬
werfen. Über allen Gesetzen steht das Naturgesetz, über allen Handelsverträgen
steht der Mensch, der den durch solche Verträge geschaffnen Rahmen durch seine
Arbeit erst ausfüllen muß. Kann in dieser neuen Vertragsperiode die Landwirt¬
schaft nicht in der für Deutschland nötigen Weise prosperieren, kann sie namentlich
dem fortgesetzt wachsenden Konsum nicht durch eine entsprechende Steigerung ihrer
eignen Produktton begegnen, werden wir somit in der Zufuhr der Lebensmittel
immer abhängiger vom Auslande, so würde künftig nicht nur die Abhilfe für die
Landwirtschaft auf andern Gebieten zu suchen sein, sondern es würden für eine
ganze Reihe von wirtschaftlichen, politischen, ja auch militärische» Fragen neue
Grundlagen gesucht werden müssen.

Hoffentlich beherrscht den Reichstag so viel politischer Sinn, daß er die Ver¬
träge, die im einzelnen sorgfältiger vorbereitet und vorberaten sind als je ein Handels¬
vertrag, nicht erst auf eine langatmige Kommissionsberatung verweist, sondern im
Menna glatt erledigt, wozu auch bei dem größten Redebedürfuis vier bis fünf
Tage vollkommen ausreichen dürften. Will man nicht Abänderungen erreichen, die
doch kaum erreichbar sind, dann hat es wenig Zweck, durch eine weit ausgesponnene
«iskussion dem Auslande Waffen in die Hand zu geben.

Viel bedauert wird die Haltung der Konservativen, die diese selbst der „de¬
naturierte»" Kanalfrage gegenüber einnehmen. Nach den sehr großen Zugeständnissen,
me ihnen im Zolltarif und in den Handelsverträgen gemacht worden sind, war das
2-and zu der Erwartung berechtigt, daß sie der ohnehin so verstümmelten Kanal-


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[0361] Maßgebliches und Unmaßgebliches der Zollkasse, den Neichseiuuahmeu, zugute kommen, aber die Landwirtschaft wird nur einen verhältnismäßig geringen Nutzen haben. Hierzu kommt, daß eine wesent¬ liche Steigerung der Lebensmittelpreise über die heutigen Sätze hinaus natürlich zu Lohnsteigerungen in allen Gewerben, also voraussichtlich zu neuen wirtschaftlichen Störungen und zur Erhöhung der untern und der mittlen Beamtengehalte führen muß. Es wird somit wahrscheinlich eine Reihe von Jahren dauern, ehe die Nation das durch die neuen Zollsätze gestörte Gleichgewicht wiederfindet. Ob die Mittel zur Hebung der deutscheu Landwirtschaft wirklich so überwiegend auf dem Gebiet der Zollsätze oder nicht vielmehr auf dem der sonstigen Gesetzgebung liegen, dafür wird uns die neue Handelsvertragsperiode uun wohl volle Aufklärung bringen. Von der Landwirtschaft steht ein Teil, wenigstens tun es die politischen Wort¬ führer, selbst diesen neuen hohen Zollsätzen uoch unbefriedigt gegenüber, obwohl doch für jedermann klar sein muß, daß solche Sätze nur unter dem Einfluß einer ungewöhnlich günstigen politischen Konjunktur möglich geworden sind, und daß nach menschlichem Ermessen wenig Aussicht vorhanden sein dürfte, sie bei Ablauf dieser neuen Verträge wiederzuerhalten. Jedoch — während einer längern Wirtschafts- Periode richtet sich die Nation eben auf eine solche nach allen Richtungen hin ein. Gelingt es der deutschen Industrie, sich auch nur annähernd in der bisherigen Weise weiter zu entwickeln und zu behaupten, so wird die Festigung des deutschen Jn- lcmdmarktes zugleich mit dem fortschreitenden Wachstum der Bevölkerung um jährlich eine Million Menschen, die in den Verzehrerkreis der landwirtschaftlichen Produktion hineinwachsen, auch die Schwierigkeiten überwinden, die zweifellos zunächst in einer weitern Steigerung der Lebensmittelpreise liegen. Ungeachtet aller Brot- und Fleischzölle seit der Zolltarifreform von 1879 ist in diesem Zeitraum die Lebenshaltung unsrer arbeitenden Klassen sowohl im häus¬ lichen Verbrauch als im Anschwellen der Sparkassen mächtig gestiegen, während die Landwirtschaft ungeachtet des enorm gesteigerten Verbrauchs, zumal in einer mehr als dreißigjährigen Friedenszeit, immer weiter zurückgegangen ist. Das spricht deutlich genug dafür, daß ihr Gedeihen von den Zollsätzen nicht abhängig ist. Regen und Sonnenschein, der Ausfall der Ernten in Deutschland selbst wie in den Zufuhrländern, die Lage des gesamten Weltmarkts, von dem die Bildung des Getreidepreises abhängt, die Steigerung und die Erleichterung der Zufuhr über den Ozean — das sind Einflüsse, die sich keinem Gesetz und keinem Vertrag unter¬ werfen. Über allen Gesetzen steht das Naturgesetz, über allen Handelsverträgen steht der Mensch, der den durch solche Verträge geschaffnen Rahmen durch seine Arbeit erst ausfüllen muß. Kann in dieser neuen Vertragsperiode die Landwirt¬ schaft nicht in der für Deutschland nötigen Weise prosperieren, kann sie namentlich dem fortgesetzt wachsenden Konsum nicht durch eine entsprechende Steigerung ihrer eignen Produktton begegnen, werden wir somit in der Zufuhr der Lebensmittel immer abhängiger vom Auslande, so würde künftig nicht nur die Abhilfe für die Landwirtschaft auf andern Gebieten zu suchen sein, sondern es würden für eine ganze Reihe von wirtschaftlichen, politischen, ja auch militärische» Fragen neue Grundlagen gesucht werden müssen. Hoffentlich beherrscht den Reichstag so viel politischer Sinn, daß er die Ver¬ träge, die im einzelnen sorgfältiger vorbereitet und vorberaten sind als je ein Handels¬ vertrag, nicht erst auf eine langatmige Kommissionsberatung verweist, sondern im Menna glatt erledigt, wozu auch bei dem größten Redebedürfuis vier bis fünf Tage vollkommen ausreichen dürften. Will man nicht Abänderungen erreichen, die doch kaum erreichbar sind, dann hat es wenig Zweck, durch eine weit ausgesponnene «iskussion dem Auslande Waffen in die Hand zu geben. Viel bedauert wird die Haltung der Konservativen, die diese selbst der „de¬ naturierte»" Kanalfrage gegenüber einnehmen. Nach den sehr großen Zugeständnissen, me ihnen im Zolltarif und in den Handelsverträgen gemacht worden sind, war das 2-and zu der Erwartung berechtigt, daß sie der ohnehin so verstümmelten Kanal-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/361>, abgerufen am 23.07.2024.