Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.Kredit Da der Lieferant oft zweifelhaft ist, ob er es bei einer neuen Verbindung Während die genossenschaftlichen Verbünde, die sich mit dem Ein- und Grenzboten I 190S 36
Kredit Da der Lieferant oft zweifelhaft ist, ob er es bei einer neuen Verbindung Während die genossenschaftlichen Verbünde, die sich mit dem Ein- und Grenzboten I 190S 36
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87751"/> <fw type="header" place="top"> Kredit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1151"> Da der Lieferant oft zweifelhaft ist, ob er es bei einer neuen Verbindung<lb/> mit einem guten oder schlechten Kunden zu tun hat, so übernimmt sein Agent,<lb/> wenn er Mittel hat, in manchen Fällen das sogenannte Delkredere, d. h. er<lb/> verbürgt sich gegen die Vergütung einer bestimmten Provision für den richtigen<lb/> Eingang der Außenstände. Auch Banken übernehmen bei einzelnen Geschäften<lb/> das Delkredere, namentlich für Kaufleute, mit denen sie in fortlaufender Ver¬<lb/> bindung stehn. Aus diesen Anfängen hat sich in jüngster Zeit die Kredit¬<lb/> versicherung ausgebildet: eine Hamburger und eine Londoner Versicherungs¬<lb/> gesellschaft übernehmen die Versicherung des ganzen Kundenbestandes von<lb/> Häusern, die sich bei ihnen gegen Kreditverluste versichern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1152"> Während die genossenschaftlichen Verbünde, die sich mit dem Ein- und<lb/> dem Verkauf von Waren befassen, meist auf dem Prinzip der beschränkten<lb/> Haftpflicht begründet und entweder Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder<lb/> Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht sind, ruht der genossenschaftliche<lb/> Geldkredit gewöhnlich auf der Grundlage der unbeschränkten Haftpflicht. Der<lb/> Grund ist darin zu suchen, daß bei Krediten, die Warengeschäften gewährt<lb/> werden, immer noch eine gewisse Unterlage in den vorhandnen Lagerbestünden<lb/> vorhanden ist, während der genossenschaftliche Bankkredit nur von solchen Per¬<lb/> sonen in Anspruch genommen wird, die einem Bankier keinerlei Sicherheiten<lb/> zu bieten vermögen und deshalb bei diesem keinen Kredit genießen. Zu diesen<lb/> genossenschaftlichen Kreditinstituten gehören die sogenannten Volksbanken und<lb/> Gewerbebanken, deren Mitglieder, die meist Kleingewerbetreibende sind, mit<lb/> ihrem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeiten des Instituts haften. Wer<lb/> bei einer solchen Bank Kredit haben will, muß zunächst Mitglied werden. Für<lb/> den Großbankier sind solche Institute Banken zweiter Klasse — er betrachtet<lb/> sie immer mit einem gewissen Mißtrauen. Diese Genossenschaftsbanken befassen<lb/> sich namentlich mit Bau- und Wirtschaftsunternehmungen, die von Großbanken<lb/> als zu spekulativ zurückgewiesen werden. Der Landwirt, der im allgemeinen<lb/> auf ebenso schwachen Füßen steht wie der städtische Handwerker, Bauunter¬<lb/> nehmer und Gastwirt, benutzt ebenfalls den genossenschaftlichen Geldkredit, der<lb/> auf unbeschränkter Haftpflicht beruht. Die wirtschaftlichen Unternehmungen der<lb/> Arbeiter und kleinen Leute sind dagegen auf einer solidem Basis gegründet:<lb/> ihre Konsumvereine und Produktivgenossenschaften sind fast ausnahmsweise<lb/> Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht, d. h. jedes Mitglied haftet nur<lb/> bis zu einem bestimmten Betrage, nicht mit seinem ganzen Vermögen. Da<lb/> diese Verbände Waren nur gegen Barzahlung hergeben, und in den Genossen<lb/> eine sichere Kundschaft vorhanden ist, so arbeiten alle Lieferanten gern mit<lb/> Konsumvereinen und Produktivgenossenschaften, vorausgesetzt, daß die Leitung<lb/> ehrlich und ordentlich ist. Ihre Großeinkaufsvereinigungen konstituieren die<lb/> Konsumvereine als Gesellschaften mit beschränkter Haftung, indem sich jeder<lb/> daran beteiligte Verein mit einer bestimmten Einlage in das Gesellschafts¬<lb/> register eintragen läßt. Die Verbindung mit diesen Großeinkaufsgesellschaften<lb/> ist bei Lieferanten sehr gesucht, sogar die Großbanken geben große Kredite,<lb/> nicht nur gegen Deckung, sondern auch offne Kredite und festverzinsliche<lb/> Darlehn.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 190S 36</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0273]
Kredit
Da der Lieferant oft zweifelhaft ist, ob er es bei einer neuen Verbindung
mit einem guten oder schlechten Kunden zu tun hat, so übernimmt sein Agent,
wenn er Mittel hat, in manchen Fällen das sogenannte Delkredere, d. h. er
verbürgt sich gegen die Vergütung einer bestimmten Provision für den richtigen
Eingang der Außenstände. Auch Banken übernehmen bei einzelnen Geschäften
das Delkredere, namentlich für Kaufleute, mit denen sie in fortlaufender Ver¬
bindung stehn. Aus diesen Anfängen hat sich in jüngster Zeit die Kredit¬
versicherung ausgebildet: eine Hamburger und eine Londoner Versicherungs¬
gesellschaft übernehmen die Versicherung des ganzen Kundenbestandes von
Häusern, die sich bei ihnen gegen Kreditverluste versichern.
Während die genossenschaftlichen Verbünde, die sich mit dem Ein- und
dem Verkauf von Waren befassen, meist auf dem Prinzip der beschränkten
Haftpflicht begründet und entweder Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder
Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht sind, ruht der genossenschaftliche
Geldkredit gewöhnlich auf der Grundlage der unbeschränkten Haftpflicht. Der
Grund ist darin zu suchen, daß bei Krediten, die Warengeschäften gewährt
werden, immer noch eine gewisse Unterlage in den vorhandnen Lagerbestünden
vorhanden ist, während der genossenschaftliche Bankkredit nur von solchen Per¬
sonen in Anspruch genommen wird, die einem Bankier keinerlei Sicherheiten
zu bieten vermögen und deshalb bei diesem keinen Kredit genießen. Zu diesen
genossenschaftlichen Kreditinstituten gehören die sogenannten Volksbanken und
Gewerbebanken, deren Mitglieder, die meist Kleingewerbetreibende sind, mit
ihrem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeiten des Instituts haften. Wer
bei einer solchen Bank Kredit haben will, muß zunächst Mitglied werden. Für
den Großbankier sind solche Institute Banken zweiter Klasse — er betrachtet
sie immer mit einem gewissen Mißtrauen. Diese Genossenschaftsbanken befassen
sich namentlich mit Bau- und Wirtschaftsunternehmungen, die von Großbanken
als zu spekulativ zurückgewiesen werden. Der Landwirt, der im allgemeinen
auf ebenso schwachen Füßen steht wie der städtische Handwerker, Bauunter¬
nehmer und Gastwirt, benutzt ebenfalls den genossenschaftlichen Geldkredit, der
auf unbeschränkter Haftpflicht beruht. Die wirtschaftlichen Unternehmungen der
Arbeiter und kleinen Leute sind dagegen auf einer solidem Basis gegründet:
ihre Konsumvereine und Produktivgenossenschaften sind fast ausnahmsweise
Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht, d. h. jedes Mitglied haftet nur
bis zu einem bestimmten Betrage, nicht mit seinem ganzen Vermögen. Da
diese Verbände Waren nur gegen Barzahlung hergeben, und in den Genossen
eine sichere Kundschaft vorhanden ist, so arbeiten alle Lieferanten gern mit
Konsumvereinen und Produktivgenossenschaften, vorausgesetzt, daß die Leitung
ehrlich und ordentlich ist. Ihre Großeinkaufsvereinigungen konstituieren die
Konsumvereine als Gesellschaften mit beschränkter Haftung, indem sich jeder
daran beteiligte Verein mit einer bestimmten Einlage in das Gesellschafts¬
register eintragen läßt. Die Verbindung mit diesen Großeinkaufsgesellschaften
ist bei Lieferanten sehr gesucht, sogar die Großbanken geben große Kredite,
nicht nur gegen Deckung, sondern auch offne Kredite und festverzinsliche
Darlehn.
Grenzboten I 190S 36
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