Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege brummten die zwei, die jetzt vorausgingen, während Heider und der Führer ohne Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege brummten die zwei, die jetzt vorausgingen, während Heider und der Führer ohne <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0235" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87713"/> <fw type="header" place="top"> Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege</fw><lb/> <p xml:id="ID_944" prev="#ID_943" next="#ID_945"> brummten die zwei, die jetzt vorausgingen, während Heider und der Führer ohne<lb/> Wort folgten. Jene sah man sich nach ein paar hundert Schritten, die lautlos<lb/> ins Graue zurückgelegt worden waren, halbrechts am Straßendamm hinaufziehn,<lb/> diese schlichen unhörbar weiter. Kein Ton als das Knistern der vom Reif er¬<lb/> starrten Hälmchen unter ihren Sohlen, das ihre angespannten Nerven wohl ver¬<lb/> nahmen, das aber schon in ein paar Schritten Entfernung verweht war. Der<lb/> Führer blieb wieder stehn und legte dem Musketier, der hart an ihn herangetreten<lb/> war, die Hand auf das Gewehr, das, Mündung abwärts, fast versteckt ihm im<lb/> Arm ruhte. Geladen? — Fest! — Gut, sie schlafen, wir überraschen sie. —<lb/> Nun langsamer weiter; schon gebückt, oft, wo der Boden uneben wurde, mehr<lb/> kriechend als gehend. Schon hebt sich der Boden. — Jetzt langsam, behutsam! —<lb/> Das Gewehr in der Rechten, mit der Linken die Erde besühlend, an den Gras¬<lb/> büscheln Halt suchend, geht es den hohen Damm hinauf. Es ist gelungen, kein<lb/> rollendes Steinchen hat sie verraten, sie liegen hart nebeneinander, können eben<lb/> gerade die Schienen erkennen, die sich wie dunkle Schlangen, stellenweise grau<lb/> glänzend, parallel nebeneinander hinziehn. Jetzt noch ein Ruck, und der Blick<lb/> schweift über die Aufschüttung hinaus, sieht, nachdem er sich an die Entfernung<lb/> gewöhnt hat, dunkle Vierecke und Rechtecke am Horizont: die Stadt; bleibt aber<lb/> wie gefesselt an dem kleinen unförmlichen Block, der hinter der andern Seite des<lb/> Dammes vorschaut: das oft besprochne Wärterhäuschen, das Ziel dieser nächtlichen<lb/> Expedition. Sie liegen beide unbeweglich, ihre Augen wollen sich in das form¬<lb/> lose Ding vor ihnen einbohren, schälen aber nichts aus dem braunen Dunkel als<lb/> einen Zaun, worin eine höhere Stelle die Tür anzuzeigen scheint. Doch ist das<lb/> wichtig genug, denn diese Stelle ist ihnen zugekehrt; dort, wo der Zaun erhöht<lb/> ist, werden sie vermutlich den Eingang finden. Wird sich die Tür geräuschlos<lb/> öffnen lassen? Horch, war das nicht eine Stimme? Oder gar zwei? Es wurde<lb/> den Beobachtern sofort klar, daß hinter dem Häuschen zwei Männer waren, voraus¬<lb/> sichtlich ein Doppelposten; aber sie regten sich nicht, gingen nicht, wenn sie standen,<lb/> mußte man Geräusche von ihren Füßen oder Gewehrkolben hören; sie saßen oder<lb/> lagen. Warum ein Doppelposten auf dieser Seite, die dem Feinde abgekehrt ist? —<lb/> O, das kommt bei den Franzosen vor. — Mit der Schnelligkeit, die den Gedanken<lb/> in einer erwartungsvollen Lage eigen ist, gingen diese Erwägungen unfern beiden<lb/> still Beobachtenden durch den Sinn. Das Geflüster war verstummt. Der Führer<lb/> hob seine» Kopf höher, zog den Körper auf den Rand des Dammes, sein Gefährte,<lb/> er sah etwas Dunkles zur Rechten sich heranziehn, folgte ihm; eine leise Berührung<lb/> sagte: Ich bin da, an deiner Seite, nun auf Händen und Füßen über den Bahn¬<lb/> damm, sorgend, daß das Gewehr nicht die Schienen berührt; während der zweite<lb/> noch kriecht, erhebt sich der erste pfeilschnell, im Moment, wo seine Hand die Tür<lb/> erfaßt hat, ist sie auch schon aufgedrückt, er stürmt gegen den Eingang des Häuschens,<lb/> in Gedanken auch diese Tür schon eindrückend, da — ein Blitz, ein Schuß, ein<lb/> schwerer Fall auf der andern Seite des Dammes, ein paar Schüsse von der Straße<lb/> her, Klirren zerschossener Fenster und Schritte von dem Häuschen weg —- dann<lb/> alles still, und die Sterne leuchten ruhig wie vorher. Eine Viertelstunde später<lb/> wird es wieder lebendig um den Bahnübergang, eine größere Zahl dunkler Ge¬<lb/> stalten macht diesseits Halt, zwei überschreiten ihn, steigen dort hinab, wo man<lb/> vorhin den Fall hörte, und schleppen nach einer Minute einen anscheinend leblosen<lb/> Körper herauf, tragen ihn hinüber. — Tot? fragt es aus der Reihe der dort<lb/> gebliebner. — Es scheint so. — Nein, der ist warm, aber der neben ihm war<lb/> kalt. — Woher kommt das Blut? — Donner, das ist viel, die ganze Schulter ist<lb/> naß. — Er hat in dem Blute des toten Franzosen gelegen. Hier, leuchte mit<lb/> deiner Zigarre, es rinnt noch etwas von oben herunter, hier am Halse, nein, da<lb/> ist das Loch, am Kopfe. — An, da ists gefehlt, am Kopfe! — Fort! kommandiert<lb/> leis eine Stimme, aus dem Bereich dieser Spelunke, und dann gleich Notverband,<lb/> ich habe ihn mit. — Man legt den noch immer regungslosen Körper auf zwei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0235]
Bilder aus dem deutsch-französischen Kriege
brummten die zwei, die jetzt vorausgingen, während Heider und der Führer ohne
Wort folgten. Jene sah man sich nach ein paar hundert Schritten, die lautlos
ins Graue zurückgelegt worden waren, halbrechts am Straßendamm hinaufziehn,
diese schlichen unhörbar weiter. Kein Ton als das Knistern der vom Reif er¬
starrten Hälmchen unter ihren Sohlen, das ihre angespannten Nerven wohl ver¬
nahmen, das aber schon in ein paar Schritten Entfernung verweht war. Der
Führer blieb wieder stehn und legte dem Musketier, der hart an ihn herangetreten
war, die Hand auf das Gewehr, das, Mündung abwärts, fast versteckt ihm im
Arm ruhte. Geladen? — Fest! — Gut, sie schlafen, wir überraschen sie. —
Nun langsamer weiter; schon gebückt, oft, wo der Boden uneben wurde, mehr
kriechend als gehend. Schon hebt sich der Boden. — Jetzt langsam, behutsam! —
Das Gewehr in der Rechten, mit der Linken die Erde besühlend, an den Gras¬
büscheln Halt suchend, geht es den hohen Damm hinauf. Es ist gelungen, kein
rollendes Steinchen hat sie verraten, sie liegen hart nebeneinander, können eben
gerade die Schienen erkennen, die sich wie dunkle Schlangen, stellenweise grau
glänzend, parallel nebeneinander hinziehn. Jetzt noch ein Ruck, und der Blick
schweift über die Aufschüttung hinaus, sieht, nachdem er sich an die Entfernung
gewöhnt hat, dunkle Vierecke und Rechtecke am Horizont: die Stadt; bleibt aber
wie gefesselt an dem kleinen unförmlichen Block, der hinter der andern Seite des
Dammes vorschaut: das oft besprochne Wärterhäuschen, das Ziel dieser nächtlichen
Expedition. Sie liegen beide unbeweglich, ihre Augen wollen sich in das form¬
lose Ding vor ihnen einbohren, schälen aber nichts aus dem braunen Dunkel als
einen Zaun, worin eine höhere Stelle die Tür anzuzeigen scheint. Doch ist das
wichtig genug, denn diese Stelle ist ihnen zugekehrt; dort, wo der Zaun erhöht
ist, werden sie vermutlich den Eingang finden. Wird sich die Tür geräuschlos
öffnen lassen? Horch, war das nicht eine Stimme? Oder gar zwei? Es wurde
den Beobachtern sofort klar, daß hinter dem Häuschen zwei Männer waren, voraus¬
sichtlich ein Doppelposten; aber sie regten sich nicht, gingen nicht, wenn sie standen,
mußte man Geräusche von ihren Füßen oder Gewehrkolben hören; sie saßen oder
lagen. Warum ein Doppelposten auf dieser Seite, die dem Feinde abgekehrt ist? —
O, das kommt bei den Franzosen vor. — Mit der Schnelligkeit, die den Gedanken
in einer erwartungsvollen Lage eigen ist, gingen diese Erwägungen unfern beiden
still Beobachtenden durch den Sinn. Das Geflüster war verstummt. Der Führer
hob seine» Kopf höher, zog den Körper auf den Rand des Dammes, sein Gefährte,
er sah etwas Dunkles zur Rechten sich heranziehn, folgte ihm; eine leise Berührung
sagte: Ich bin da, an deiner Seite, nun auf Händen und Füßen über den Bahn¬
damm, sorgend, daß das Gewehr nicht die Schienen berührt; während der zweite
noch kriecht, erhebt sich der erste pfeilschnell, im Moment, wo seine Hand die Tür
erfaßt hat, ist sie auch schon aufgedrückt, er stürmt gegen den Eingang des Häuschens,
in Gedanken auch diese Tür schon eindrückend, da — ein Blitz, ein Schuß, ein
schwerer Fall auf der andern Seite des Dammes, ein paar Schüsse von der Straße
her, Klirren zerschossener Fenster und Schritte von dem Häuschen weg —- dann
alles still, und die Sterne leuchten ruhig wie vorher. Eine Viertelstunde später
wird es wieder lebendig um den Bahnübergang, eine größere Zahl dunkler Ge¬
stalten macht diesseits Halt, zwei überschreiten ihn, steigen dort hinab, wo man
vorhin den Fall hörte, und schleppen nach einer Minute einen anscheinend leblosen
Körper herauf, tragen ihn hinüber. — Tot? fragt es aus der Reihe der dort
gebliebner. — Es scheint so. — Nein, der ist warm, aber der neben ihm war
kalt. — Woher kommt das Blut? — Donner, das ist viel, die ganze Schulter ist
naß. — Er hat in dem Blute des toten Franzosen gelegen. Hier, leuchte mit
deiner Zigarre, es rinnt noch etwas von oben herunter, hier am Halse, nein, da
ist das Loch, am Kopfe. — An, da ists gefehlt, am Kopfe! — Fort! kommandiert
leis eine Stimme, aus dem Bereich dieser Spelunke, und dann gleich Notverband,
ich habe ihn mit. — Man legt den noch immer regungslosen Körper auf zwei
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