Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

stellen. Eine von den Maßnahmen, die sich ohne Geräusch und Gepränge voll-
ziehn, die aber schon nach kurzer Zeit den Beweis liefern, daß wir trotz alle und
alledem vorwärtsschreiten. Das Deutsche Reich beruht auf der Waffengemeinschaft,
Wirtschaftsgemeinschaft und Rechtsgemeinschaft, alle drei vereinigt unter der sie ein¬
heitlich zusammenfassenden Kaiserkrone. Ist auf dein Gebiete der Waffengemein¬
schaft und der Rechtsgemeinschaft die Einheitlichkeit dem Wesen, wenn auch nicht
der Form nach erreicht, so lassen sich dagegen im deutscheu Wirtschaftsleben die
Traditionen der Zeit vor 1870 am schwersten überwinden. Es gilt das nicht nur
von den Postreservatrechten, sondern auch vom Eisenbahnwesen, das sogar im ge¬
einten Deutschland noch hinreichend Raum zu dem kleinen Eisenbahnkriege fand
und ausnutzte. Dem wird die Betriebsmittelgemeinschaft ebenso ein Ziel setzen wie
der wirtschaftlich nicht zu rechtfertigenden Verschwendung, die in der Heimsendung
leerer Güterwagen bestand, im Zeitalter des Verkehrs ein kaum noch glaubhafter
Zustand.

Wird diese Reform, denn so darf man es bezeichnen, vielleicht einiger Zeit
bedürfen, sich den Beifall des Publikums, den sie in hohem Maße verdient, zu
erringen, so wird sich dieser um so mehr der Personentarifreform zuwenden, die
im Anschluß an diese Konferenz Gegenstand der Beratung sein soll. Auch sie wird
durch eine Betrtebsmittelgemeinschaft wesentlich gefördert, weil diese die Zusammen¬
stellung von Zügen mit durchlaufenden Wagen im weitesten Umfange und damit
auch die Bildung einheitlicher Personentarife ermöglicht. Minister von Butte hat
im preußischen Abgeordnetenhause die Grundzüge einer Personentarifreform, wie er
sich eine solche denkt, schon bekannt gegeben: Aufhebung der Rückfahrtkarten, Ein¬
führung des halben Preises der jetzigen Rückfahrkarten als allgemeine Fahrtaxe,
Aufhebung der Schnellzugzuschläge und -- des Freigepäcks. Ob auch die Platz¬
zuschläge in den D-Zügen wegfallen werden, bleibt abzuwarten. Tatsächlich sind
sie eigentlich nur eine Fahrkartensteuer, denn es hat keinen Sinn, daß für einen
schon bezahlten Platz noch ein Zuschlag für die Benutzung erhoben wird. Es er¬
innert das doch zu sehr an die Hotels in Frankreich und Italien, die außer dem
hohen Dinerpreise noch einen Franken für das Kuvert, für den Platz am Tische
verlangen.

Den Beratungen der Konferenz über die Betriebsgemeinschaft liegt, wie schon
bekannt ist, ein gemeinsam von den Eisenbahnverwaltungen Preußens, Hessens,
Württembergs und Badens aufgestellter Entwurf zugrunde. Eine Schwierigkeit
ist die vierte Wagenklasse, gegen die sich Bayern nach wie vor ablehnend ver¬
hält. Die vierte Wagenklasse ist eine preußische Schöpfung, durch die der ärmern
Bevölkerung im Osten eine billige Reise nach Berlin und dem Westen ermöglicht
werden sollte. Sie ist die typische Beförderungseinrichtung der Freizügigkeit und
mit dieser zusammen geboren, sie ist leider auch das Beförderungsmittel für das
Vordringen der polnischen Bevölkerung nach Westen. Nun ist freilich die Bildung
einheitlicher Personentarife bei einer Ungleichheit der Wagenklassen in hohem Maße
erschwert, und auf bayrischer Seite besteht bekanntlich wenig Neigung, diese Wagenklasse
im rechtsrheinischen Bayern einzuführen. Erstens ist das Bedürfnis dafür gering,
zweitens müßten die Wagen erst beschafft werden. Auch hat der bayrische Minister
im Landtage die Einführung dieser Wagenklasse als einen Rückschritt bezeichnet.
Ob man in Preußen bei einer so weitgehenden Herabsetzung der Personentarife
nicht die vierte Wagenklasse aufgeben könnte, ist eine Frage, die nicht so ohne
weiteres zur Entscheidung reif sein dürfte. Für die russischen Auswandrertrans¬
porte zum Beispiel sind diese Wagen kaum zu entbehren, andrerseits beweist der
starke Vorortverkehr um Berlin, obwohl er zu bestimmten Tageszeiten mit be¬
deutenden Arbeitertransporten rechnen muß, daß es auch ohne vierte Wagenklasse
geht. Aber auch sonst scheinen einem schnellen Ergebnis der beiden Konferenzen
von bayrischer Seite manche Schwierigkeiten entgegenzustehn, wegen der vierten
Wagenklasse kann Bayern allerdings kaum auf Unterstützung seines Widerspruchs
bei den andern Eisenbahnverwaltungen rechnen.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

stellen. Eine von den Maßnahmen, die sich ohne Geräusch und Gepränge voll-
ziehn, die aber schon nach kurzer Zeit den Beweis liefern, daß wir trotz alle und
alledem vorwärtsschreiten. Das Deutsche Reich beruht auf der Waffengemeinschaft,
Wirtschaftsgemeinschaft und Rechtsgemeinschaft, alle drei vereinigt unter der sie ein¬
heitlich zusammenfassenden Kaiserkrone. Ist auf dein Gebiete der Waffengemein¬
schaft und der Rechtsgemeinschaft die Einheitlichkeit dem Wesen, wenn auch nicht
der Form nach erreicht, so lassen sich dagegen im deutscheu Wirtschaftsleben die
Traditionen der Zeit vor 1870 am schwersten überwinden. Es gilt das nicht nur
von den Postreservatrechten, sondern auch vom Eisenbahnwesen, das sogar im ge¬
einten Deutschland noch hinreichend Raum zu dem kleinen Eisenbahnkriege fand
und ausnutzte. Dem wird die Betriebsmittelgemeinschaft ebenso ein Ziel setzen wie
der wirtschaftlich nicht zu rechtfertigenden Verschwendung, die in der Heimsendung
leerer Güterwagen bestand, im Zeitalter des Verkehrs ein kaum noch glaubhafter
Zustand.

Wird diese Reform, denn so darf man es bezeichnen, vielleicht einiger Zeit
bedürfen, sich den Beifall des Publikums, den sie in hohem Maße verdient, zu
erringen, so wird sich dieser um so mehr der Personentarifreform zuwenden, die
im Anschluß an diese Konferenz Gegenstand der Beratung sein soll. Auch sie wird
durch eine Betrtebsmittelgemeinschaft wesentlich gefördert, weil diese die Zusammen¬
stellung von Zügen mit durchlaufenden Wagen im weitesten Umfange und damit
auch die Bildung einheitlicher Personentarife ermöglicht. Minister von Butte hat
im preußischen Abgeordnetenhause die Grundzüge einer Personentarifreform, wie er
sich eine solche denkt, schon bekannt gegeben: Aufhebung der Rückfahrtkarten, Ein¬
führung des halben Preises der jetzigen Rückfahrkarten als allgemeine Fahrtaxe,
Aufhebung der Schnellzugzuschläge und — des Freigepäcks. Ob auch die Platz¬
zuschläge in den D-Zügen wegfallen werden, bleibt abzuwarten. Tatsächlich sind
sie eigentlich nur eine Fahrkartensteuer, denn es hat keinen Sinn, daß für einen
schon bezahlten Platz noch ein Zuschlag für die Benutzung erhoben wird. Es er¬
innert das doch zu sehr an die Hotels in Frankreich und Italien, die außer dem
hohen Dinerpreise noch einen Franken für das Kuvert, für den Platz am Tische
verlangen.

Den Beratungen der Konferenz über die Betriebsgemeinschaft liegt, wie schon
bekannt ist, ein gemeinsam von den Eisenbahnverwaltungen Preußens, Hessens,
Württembergs und Badens aufgestellter Entwurf zugrunde. Eine Schwierigkeit
ist die vierte Wagenklasse, gegen die sich Bayern nach wie vor ablehnend ver¬
hält. Die vierte Wagenklasse ist eine preußische Schöpfung, durch die der ärmern
Bevölkerung im Osten eine billige Reise nach Berlin und dem Westen ermöglicht
werden sollte. Sie ist die typische Beförderungseinrichtung der Freizügigkeit und
mit dieser zusammen geboren, sie ist leider auch das Beförderungsmittel für das
Vordringen der polnischen Bevölkerung nach Westen. Nun ist freilich die Bildung
einheitlicher Personentarife bei einer Ungleichheit der Wagenklassen in hohem Maße
erschwert, und auf bayrischer Seite besteht bekanntlich wenig Neigung, diese Wagenklasse
im rechtsrheinischen Bayern einzuführen. Erstens ist das Bedürfnis dafür gering,
zweitens müßten die Wagen erst beschafft werden. Auch hat der bayrische Minister
im Landtage die Einführung dieser Wagenklasse als einen Rückschritt bezeichnet.
Ob man in Preußen bei einer so weitgehenden Herabsetzung der Personentarife
nicht die vierte Wagenklasse aufgeben könnte, ist eine Frage, die nicht so ohne
weiteres zur Entscheidung reif sein dürfte. Für die russischen Auswandrertrans¬
porte zum Beispiel sind diese Wagen kaum zu entbehren, andrerseits beweist der
starke Vorortverkehr um Berlin, obwohl er zu bestimmten Tageszeiten mit be¬
deutenden Arbeitertransporten rechnen muß, daß es auch ohne vierte Wagenklasse
geht. Aber auch sonst scheinen einem schnellen Ergebnis der beiden Konferenzen
von bayrischer Seite manche Schwierigkeiten entgegenzustehn, wegen der vierten
Wagenklasse kann Bayern allerdings kaum auf Unterstützung seines Widerspruchs
bei den andern Eisenbahnverwaltungen rechnen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0123" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87601"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_503" prev="#ID_502"> stellen. Eine von den Maßnahmen, die sich ohne Geräusch und Gepränge voll-<lb/>
ziehn, die aber schon nach kurzer Zeit den Beweis liefern, daß wir trotz alle und<lb/>
alledem vorwärtsschreiten. Das Deutsche Reich beruht auf der Waffengemeinschaft,<lb/>
Wirtschaftsgemeinschaft und Rechtsgemeinschaft, alle drei vereinigt unter der sie ein¬<lb/>
heitlich zusammenfassenden Kaiserkrone. Ist auf dein Gebiete der Waffengemein¬<lb/>
schaft und der Rechtsgemeinschaft die Einheitlichkeit dem Wesen, wenn auch nicht<lb/>
der Form nach erreicht, so lassen sich dagegen im deutscheu Wirtschaftsleben die<lb/>
Traditionen der Zeit vor 1870 am schwersten überwinden. Es gilt das nicht nur<lb/>
von den Postreservatrechten, sondern auch vom Eisenbahnwesen, das sogar im ge¬<lb/>
einten Deutschland noch hinreichend Raum zu dem kleinen Eisenbahnkriege fand<lb/>
und ausnutzte. Dem wird die Betriebsmittelgemeinschaft ebenso ein Ziel setzen wie<lb/>
der wirtschaftlich nicht zu rechtfertigenden Verschwendung, die in der Heimsendung<lb/>
leerer Güterwagen bestand, im Zeitalter des Verkehrs ein kaum noch glaubhafter<lb/>
Zustand.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_504"> Wird diese Reform, denn so darf man es bezeichnen, vielleicht einiger Zeit<lb/>
bedürfen, sich den Beifall des Publikums, den sie in hohem Maße verdient, zu<lb/>
erringen, so wird sich dieser um so mehr der Personentarifreform zuwenden, die<lb/>
im Anschluß an diese Konferenz Gegenstand der Beratung sein soll. Auch sie wird<lb/>
durch eine Betrtebsmittelgemeinschaft wesentlich gefördert, weil diese die Zusammen¬<lb/>
stellung von Zügen mit durchlaufenden Wagen im weitesten Umfange und damit<lb/>
auch die Bildung einheitlicher Personentarife ermöglicht. Minister von Butte hat<lb/>
im preußischen Abgeordnetenhause die Grundzüge einer Personentarifreform, wie er<lb/>
sich eine solche denkt, schon bekannt gegeben: Aufhebung der Rückfahrtkarten, Ein¬<lb/>
führung des halben Preises der jetzigen Rückfahrkarten als allgemeine Fahrtaxe,<lb/>
Aufhebung der Schnellzugzuschläge und &#x2014; des Freigepäcks. Ob auch die Platz¬<lb/>
zuschläge in den D-Zügen wegfallen werden, bleibt abzuwarten. Tatsächlich sind<lb/>
sie eigentlich nur eine Fahrkartensteuer, denn es hat keinen Sinn, daß für einen<lb/>
schon bezahlten Platz noch ein Zuschlag für die Benutzung erhoben wird. Es er¬<lb/>
innert das doch zu sehr an die Hotels in Frankreich und Italien, die außer dem<lb/>
hohen Dinerpreise noch einen Franken für das Kuvert, für den Platz am Tische<lb/>
verlangen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_505"> Den Beratungen der Konferenz über die Betriebsgemeinschaft liegt, wie schon<lb/>
bekannt ist, ein gemeinsam von den Eisenbahnverwaltungen Preußens, Hessens,<lb/>
Württembergs und Badens aufgestellter Entwurf zugrunde. Eine Schwierigkeit<lb/>
ist die vierte Wagenklasse, gegen die sich Bayern nach wie vor ablehnend ver¬<lb/>
hält. Die vierte Wagenklasse ist eine preußische Schöpfung, durch die der ärmern<lb/>
Bevölkerung im Osten eine billige Reise nach Berlin und dem Westen ermöglicht<lb/>
werden sollte. Sie ist die typische Beförderungseinrichtung der Freizügigkeit und<lb/>
mit dieser zusammen geboren, sie ist leider auch das Beförderungsmittel für das<lb/>
Vordringen der polnischen Bevölkerung nach Westen. Nun ist freilich die Bildung<lb/>
einheitlicher Personentarife bei einer Ungleichheit der Wagenklassen in hohem Maße<lb/>
erschwert, und auf bayrischer Seite besteht bekanntlich wenig Neigung, diese Wagenklasse<lb/>
im rechtsrheinischen Bayern einzuführen. Erstens ist das Bedürfnis dafür gering,<lb/>
zweitens müßten die Wagen erst beschafft werden. Auch hat der bayrische Minister<lb/>
im Landtage die Einführung dieser Wagenklasse als einen Rückschritt bezeichnet.<lb/>
Ob man in Preußen bei einer so weitgehenden Herabsetzung der Personentarife<lb/>
nicht die vierte Wagenklasse aufgeben könnte, ist eine Frage, die nicht so ohne<lb/>
weiteres zur Entscheidung reif sein dürfte. Für die russischen Auswandrertrans¬<lb/>
porte zum Beispiel sind diese Wagen kaum zu entbehren, andrerseits beweist der<lb/>
starke Vorortverkehr um Berlin, obwohl er zu bestimmten Tageszeiten mit be¬<lb/>
deutenden Arbeitertransporten rechnen muß, daß es auch ohne vierte Wagenklasse<lb/>
geht. Aber auch sonst scheinen einem schnellen Ergebnis der beiden Konferenzen<lb/>
von bayrischer Seite manche Schwierigkeiten entgegenzustehn, wegen der vierten<lb/>
Wagenklasse kann Bayern allerdings kaum auf Unterstützung seines Widerspruchs<lb/>
bei den andern Eisenbahnverwaltungen rechnen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0123] Maßgebliches und Unmaßgebliches stellen. Eine von den Maßnahmen, die sich ohne Geräusch und Gepränge voll- ziehn, die aber schon nach kurzer Zeit den Beweis liefern, daß wir trotz alle und alledem vorwärtsschreiten. Das Deutsche Reich beruht auf der Waffengemeinschaft, Wirtschaftsgemeinschaft und Rechtsgemeinschaft, alle drei vereinigt unter der sie ein¬ heitlich zusammenfassenden Kaiserkrone. Ist auf dein Gebiete der Waffengemein¬ schaft und der Rechtsgemeinschaft die Einheitlichkeit dem Wesen, wenn auch nicht der Form nach erreicht, so lassen sich dagegen im deutscheu Wirtschaftsleben die Traditionen der Zeit vor 1870 am schwersten überwinden. Es gilt das nicht nur von den Postreservatrechten, sondern auch vom Eisenbahnwesen, das sogar im ge¬ einten Deutschland noch hinreichend Raum zu dem kleinen Eisenbahnkriege fand und ausnutzte. Dem wird die Betriebsmittelgemeinschaft ebenso ein Ziel setzen wie der wirtschaftlich nicht zu rechtfertigenden Verschwendung, die in der Heimsendung leerer Güterwagen bestand, im Zeitalter des Verkehrs ein kaum noch glaubhafter Zustand. Wird diese Reform, denn so darf man es bezeichnen, vielleicht einiger Zeit bedürfen, sich den Beifall des Publikums, den sie in hohem Maße verdient, zu erringen, so wird sich dieser um so mehr der Personentarifreform zuwenden, die im Anschluß an diese Konferenz Gegenstand der Beratung sein soll. Auch sie wird durch eine Betrtebsmittelgemeinschaft wesentlich gefördert, weil diese die Zusammen¬ stellung von Zügen mit durchlaufenden Wagen im weitesten Umfange und damit auch die Bildung einheitlicher Personentarife ermöglicht. Minister von Butte hat im preußischen Abgeordnetenhause die Grundzüge einer Personentarifreform, wie er sich eine solche denkt, schon bekannt gegeben: Aufhebung der Rückfahrtkarten, Ein¬ führung des halben Preises der jetzigen Rückfahrkarten als allgemeine Fahrtaxe, Aufhebung der Schnellzugzuschläge und — des Freigepäcks. Ob auch die Platz¬ zuschläge in den D-Zügen wegfallen werden, bleibt abzuwarten. Tatsächlich sind sie eigentlich nur eine Fahrkartensteuer, denn es hat keinen Sinn, daß für einen schon bezahlten Platz noch ein Zuschlag für die Benutzung erhoben wird. Es er¬ innert das doch zu sehr an die Hotels in Frankreich und Italien, die außer dem hohen Dinerpreise noch einen Franken für das Kuvert, für den Platz am Tische verlangen. Den Beratungen der Konferenz über die Betriebsgemeinschaft liegt, wie schon bekannt ist, ein gemeinsam von den Eisenbahnverwaltungen Preußens, Hessens, Württembergs und Badens aufgestellter Entwurf zugrunde. Eine Schwierigkeit ist die vierte Wagenklasse, gegen die sich Bayern nach wie vor ablehnend ver¬ hält. Die vierte Wagenklasse ist eine preußische Schöpfung, durch die der ärmern Bevölkerung im Osten eine billige Reise nach Berlin und dem Westen ermöglicht werden sollte. Sie ist die typische Beförderungseinrichtung der Freizügigkeit und mit dieser zusammen geboren, sie ist leider auch das Beförderungsmittel für das Vordringen der polnischen Bevölkerung nach Westen. Nun ist freilich die Bildung einheitlicher Personentarife bei einer Ungleichheit der Wagenklassen in hohem Maße erschwert, und auf bayrischer Seite besteht bekanntlich wenig Neigung, diese Wagenklasse im rechtsrheinischen Bayern einzuführen. Erstens ist das Bedürfnis dafür gering, zweitens müßten die Wagen erst beschafft werden. Auch hat der bayrische Minister im Landtage die Einführung dieser Wagenklasse als einen Rückschritt bezeichnet. Ob man in Preußen bei einer so weitgehenden Herabsetzung der Personentarife nicht die vierte Wagenklasse aufgeben könnte, ist eine Frage, die nicht so ohne weiteres zur Entscheidung reif sein dürfte. Für die russischen Auswandrertrans¬ porte zum Beispiel sind diese Wagen kaum zu entbehren, andrerseits beweist der starke Vorortverkehr um Berlin, obwohl er zu bestimmten Tageszeiten mit be¬ deutenden Arbeitertransporten rechnen muß, daß es auch ohne vierte Wagenklasse geht. Aber auch sonst scheinen einem schnellen Ergebnis der beiden Konferenzen von bayrischer Seite manche Schwierigkeiten entgegenzustehn, wegen der vierten Wagenklasse kann Bayern allerdings kaum auf Unterstützung seines Widerspruchs bei den andern Eisenbahnverwaltungen rechnen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/123
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/123>, abgerufen am 22.12.2024.