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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

Der alte Nekominandenr war ein Original. Er machte sich als vorzüglicher
Gesellschafter beliebt und hatte schauspielerische Talente, durch die er uns zu er¬
heitern Pflegte. Er wohnte in einer Stube, die aber, so lange er sie gemietet
hatte, kein Mensch betreten durfte. Wenn ich ihm Holz und Kohlen brachte, so
nahm er sie draußen auf dem Flur in Empfang, wie er sich denn auch sein Bett
selbst zu machen und seine Wäsche selbst zu waschen pflegte. Seine Kragen zeichneten
sich durch tadellose Sauberkeit aus; ging man der Sache aber auf den Grund, so
merkte man, daß er sie nicht wusch, sondern mit einer Gipslösnng bepinselte. Trotz
seinem Alter verschmähte er die kleinen Künste der Toilette nicht und verbrauchte
namentlich Parfüm in großen Quantitäten.

Als währeud unsers Straßburger Aufenthalts eine Vakanz bei uns eintrat,
empfahl ich Webelhorst meinen Freund Richard Schmidt und wurde aufgefordert,
bei ihm anzufragen, ob er eintreten wolle. Einige Tage darauf traf er denn auch
bei uus ein. Außer uns war in Straßburg noch eine andre, kleinere Menagerie,
in der Naturseltenheiten, kleine Raubtiere, ein Gürteltier usw. ausgestellt waren.
Der Besitzer hieß Zobel und verkehrte viel mit uns in einer Wirtschaft. Er war
ein großer Feinschmecker und immer dabei, wenn es etwas Gutes zu essen gab.
Das veranlaßte uns, ihm den Vorschlag zu machen, wir wollten einmal alle
zusammen Aal in Gelee essen, womit er sehr einverstanden war. Der Wirt des
Gasthauses meinte, Aal in Gelee esse man am besten zum Frühstück, und so ver¬
abredeten wir, uns am nächsten Morgen um neun Uhr alle in der Gaststube ein-
zufinden. Als wir hinkamen, war unser Stammtisch schon gedeckt, auf jedem Platz
stand ein Teller mit Messer und Gabel sowie das nötige Brot. Als Zobel erschien,
brachte der Wirt eine große verdeckte Terrine, die er mitten auf den Tisch stellte.
Da wir unsre Unterhaltung fortsetzten und der Terrine anscheinend keine Beachtung
schenkten, nahm Zobel den Deckel ab und erstaunte nicht wenig, als er statt des
Gerichts eine zusammengewickelte Weste darin fand. Er fragte den Wirt, was das
zu bedeuten habe; dieser erklärte trocken, die Herren hätten Aal in Allst (französisch:
Weste) bestellt, und er möchte die Weste nur einmal auseinanderwickeln. Wirklich
fand er darin einen winzigen geräucherten Aal vou der Dicke eines Bleistifts, den
er mit sauersüßer Miene verzehrte.

Unser Elefant hatte als Gesellschafter einen weißen Pudel, .an dem er mit
rührender Freundschaft hing. Die beiden Tiere schliefen zusammen und waren
unzertrennlich. Eines Tages aber, während der Nachmittagsvorstellung, als der
Elefant gerade eine Dressurnnmmer arbeitete, zerriß der Hund den Strick, an dem
er befestigt war, und verschwand durch die offenstehende Tür. Als sein großer
Freund dies sah, ließ er den Griff der Orgel los, sodaß der letzte Ton langsam
erstarb, begann zu trompeten, was immer ein Zeichen großer Aufregung ist, und
weigerte sich, weiter zu arbeiten. Sämtliche Angestellte mußten sich deshalb auf die
Suche uach dem Hunde machen, und als man ihn endlich brachte, faßte der Elefant
vollkommen beruhigt wieder den Griff der Orgel und spielte sein Stück zu Ende.

Inzwischen war die Tigerin wieder genesen, und die Dressuruummer wurde
wieder aufgenommen. Zuber hatte schou zweimal geprobt, und die Tigerin war
auch nach Wunsch gesprungen. Webelhorst war aber mit der Durchführung dieser
Nummer nicht zufrieden, sondern sagte dem Tierbändiger, die Nummer ginge ihm
nicht flott genug, und sie müsse mit mehr Verve durchgeführt werden. Um ihm
eine Anleitung zu geben, wie er es machen solle, stieg Webelhorst selbst in den
Dressurkäfig, wo er die Tiere vornahm und arbeiten ließ. Die Tigerin war auf
Webelhorst nie besonders gut zu sprechen gewesen, hauptsächlich weil er die Ge¬
wohnheit hatte, deu Käfig in weißen Hemdärmeln zu betreten. Sie sprang auch
diesesmal auf ein oben im Käfig angebrachtes Brett, blieb dort ruhig liegen und
sah mir zu, wie sich Webelhorst mit den Löwen beschäftigte. Als er damit fertig
war, wurde eine Barriere in den Käfig geschoben, über die die Tigerin springen
sollte. Sie weigerte sich, das Brett zu verlassen, Webelhorst versetzte ihr einige


Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

Der alte Nekominandenr war ein Original. Er machte sich als vorzüglicher
Gesellschafter beliebt und hatte schauspielerische Talente, durch die er uns zu er¬
heitern Pflegte. Er wohnte in einer Stube, die aber, so lange er sie gemietet
hatte, kein Mensch betreten durfte. Wenn ich ihm Holz und Kohlen brachte, so
nahm er sie draußen auf dem Flur in Empfang, wie er sich denn auch sein Bett
selbst zu machen und seine Wäsche selbst zu waschen pflegte. Seine Kragen zeichneten
sich durch tadellose Sauberkeit aus; ging man der Sache aber auf den Grund, so
merkte man, daß er sie nicht wusch, sondern mit einer Gipslösnng bepinselte. Trotz
seinem Alter verschmähte er die kleinen Künste der Toilette nicht und verbrauchte
namentlich Parfüm in großen Quantitäten.

Als währeud unsers Straßburger Aufenthalts eine Vakanz bei uns eintrat,
empfahl ich Webelhorst meinen Freund Richard Schmidt und wurde aufgefordert,
bei ihm anzufragen, ob er eintreten wolle. Einige Tage darauf traf er denn auch
bei uus ein. Außer uns war in Straßburg noch eine andre, kleinere Menagerie,
in der Naturseltenheiten, kleine Raubtiere, ein Gürteltier usw. ausgestellt waren.
Der Besitzer hieß Zobel und verkehrte viel mit uns in einer Wirtschaft. Er war
ein großer Feinschmecker und immer dabei, wenn es etwas Gutes zu essen gab.
Das veranlaßte uns, ihm den Vorschlag zu machen, wir wollten einmal alle
zusammen Aal in Gelee essen, womit er sehr einverstanden war. Der Wirt des
Gasthauses meinte, Aal in Gelee esse man am besten zum Frühstück, und so ver¬
abredeten wir, uns am nächsten Morgen um neun Uhr alle in der Gaststube ein-
zufinden. Als wir hinkamen, war unser Stammtisch schon gedeckt, auf jedem Platz
stand ein Teller mit Messer und Gabel sowie das nötige Brot. Als Zobel erschien,
brachte der Wirt eine große verdeckte Terrine, die er mitten auf den Tisch stellte.
Da wir unsre Unterhaltung fortsetzten und der Terrine anscheinend keine Beachtung
schenkten, nahm Zobel den Deckel ab und erstaunte nicht wenig, als er statt des
Gerichts eine zusammengewickelte Weste darin fand. Er fragte den Wirt, was das
zu bedeuten habe; dieser erklärte trocken, die Herren hätten Aal in Allst (französisch:
Weste) bestellt, und er möchte die Weste nur einmal auseinanderwickeln. Wirklich
fand er darin einen winzigen geräucherten Aal vou der Dicke eines Bleistifts, den
er mit sauersüßer Miene verzehrte.

Unser Elefant hatte als Gesellschafter einen weißen Pudel, .an dem er mit
rührender Freundschaft hing. Die beiden Tiere schliefen zusammen und waren
unzertrennlich. Eines Tages aber, während der Nachmittagsvorstellung, als der
Elefant gerade eine Dressurnnmmer arbeitete, zerriß der Hund den Strick, an dem
er befestigt war, und verschwand durch die offenstehende Tür. Als sein großer
Freund dies sah, ließ er den Griff der Orgel los, sodaß der letzte Ton langsam
erstarb, begann zu trompeten, was immer ein Zeichen großer Aufregung ist, und
weigerte sich, weiter zu arbeiten. Sämtliche Angestellte mußten sich deshalb auf die
Suche uach dem Hunde machen, und als man ihn endlich brachte, faßte der Elefant
vollkommen beruhigt wieder den Griff der Orgel und spielte sein Stück zu Ende.

Inzwischen war die Tigerin wieder genesen, und die Dressuruummer wurde
wieder aufgenommen. Zuber hatte schou zweimal geprobt, und die Tigerin war
auch nach Wunsch gesprungen. Webelhorst war aber mit der Durchführung dieser
Nummer nicht zufrieden, sondern sagte dem Tierbändiger, die Nummer ginge ihm
nicht flott genug, und sie müsse mit mehr Verve durchgeführt werden. Um ihm
eine Anleitung zu geben, wie er es machen solle, stieg Webelhorst selbst in den
Dressurkäfig, wo er die Tiere vornahm und arbeiten ließ. Die Tigerin war auf
Webelhorst nie besonders gut zu sprechen gewesen, hauptsächlich weil er die Ge¬
wohnheit hatte, deu Käfig in weißen Hemdärmeln zu betreten. Sie sprang auch
diesesmal auf ein oben im Käfig angebrachtes Brett, blieb dort ruhig liegen und
sah mir zu, wie sich Webelhorst mit den Löwen beschäftigte. Als er damit fertig
war, wurde eine Barriere in den Käfig geschoben, über die die Tigerin springen
sollte. Sie weigerte sich, das Brett zu verlassen, Webelhorst versetzte ihr einige


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[0723] Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren Der alte Nekominandenr war ein Original. Er machte sich als vorzüglicher Gesellschafter beliebt und hatte schauspielerische Talente, durch die er uns zu er¬ heitern Pflegte. Er wohnte in einer Stube, die aber, so lange er sie gemietet hatte, kein Mensch betreten durfte. Wenn ich ihm Holz und Kohlen brachte, so nahm er sie draußen auf dem Flur in Empfang, wie er sich denn auch sein Bett selbst zu machen und seine Wäsche selbst zu waschen pflegte. Seine Kragen zeichneten sich durch tadellose Sauberkeit aus; ging man der Sache aber auf den Grund, so merkte man, daß er sie nicht wusch, sondern mit einer Gipslösnng bepinselte. Trotz seinem Alter verschmähte er die kleinen Künste der Toilette nicht und verbrauchte namentlich Parfüm in großen Quantitäten. Als währeud unsers Straßburger Aufenthalts eine Vakanz bei uns eintrat, empfahl ich Webelhorst meinen Freund Richard Schmidt und wurde aufgefordert, bei ihm anzufragen, ob er eintreten wolle. Einige Tage darauf traf er denn auch bei uus ein. Außer uns war in Straßburg noch eine andre, kleinere Menagerie, in der Naturseltenheiten, kleine Raubtiere, ein Gürteltier usw. ausgestellt waren. Der Besitzer hieß Zobel und verkehrte viel mit uns in einer Wirtschaft. Er war ein großer Feinschmecker und immer dabei, wenn es etwas Gutes zu essen gab. Das veranlaßte uns, ihm den Vorschlag zu machen, wir wollten einmal alle zusammen Aal in Gelee essen, womit er sehr einverstanden war. Der Wirt des Gasthauses meinte, Aal in Gelee esse man am besten zum Frühstück, und so ver¬ abredeten wir, uns am nächsten Morgen um neun Uhr alle in der Gaststube ein- zufinden. Als wir hinkamen, war unser Stammtisch schon gedeckt, auf jedem Platz stand ein Teller mit Messer und Gabel sowie das nötige Brot. Als Zobel erschien, brachte der Wirt eine große verdeckte Terrine, die er mitten auf den Tisch stellte. Da wir unsre Unterhaltung fortsetzten und der Terrine anscheinend keine Beachtung schenkten, nahm Zobel den Deckel ab und erstaunte nicht wenig, als er statt des Gerichts eine zusammengewickelte Weste darin fand. Er fragte den Wirt, was das zu bedeuten habe; dieser erklärte trocken, die Herren hätten Aal in Allst (französisch: Weste) bestellt, und er möchte die Weste nur einmal auseinanderwickeln. Wirklich fand er darin einen winzigen geräucherten Aal vou der Dicke eines Bleistifts, den er mit sauersüßer Miene verzehrte. Unser Elefant hatte als Gesellschafter einen weißen Pudel, .an dem er mit rührender Freundschaft hing. Die beiden Tiere schliefen zusammen und waren unzertrennlich. Eines Tages aber, während der Nachmittagsvorstellung, als der Elefant gerade eine Dressurnnmmer arbeitete, zerriß der Hund den Strick, an dem er befestigt war, und verschwand durch die offenstehende Tür. Als sein großer Freund dies sah, ließ er den Griff der Orgel los, sodaß der letzte Ton langsam erstarb, begann zu trompeten, was immer ein Zeichen großer Aufregung ist, und weigerte sich, weiter zu arbeiten. Sämtliche Angestellte mußten sich deshalb auf die Suche uach dem Hunde machen, und als man ihn endlich brachte, faßte der Elefant vollkommen beruhigt wieder den Griff der Orgel und spielte sein Stück zu Ende. Inzwischen war die Tigerin wieder genesen, und die Dressuruummer wurde wieder aufgenommen. Zuber hatte schou zweimal geprobt, und die Tigerin war auch nach Wunsch gesprungen. Webelhorst war aber mit der Durchführung dieser Nummer nicht zufrieden, sondern sagte dem Tierbändiger, die Nummer ginge ihm nicht flott genug, und sie müsse mit mehr Verve durchgeführt werden. Um ihm eine Anleitung zu geben, wie er es machen solle, stieg Webelhorst selbst in den Dressurkäfig, wo er die Tiere vornahm und arbeiten ließ. Die Tigerin war auf Webelhorst nie besonders gut zu sprechen gewesen, hauptsächlich weil er die Ge¬ wohnheit hatte, deu Käfig in weißen Hemdärmeln zu betreten. Sie sprang auch diesesmal auf ein oben im Käfig angebrachtes Brett, blieb dort ruhig liegen und sah mir zu, wie sich Webelhorst mit den Löwen beschäftigte. Als er damit fertig war, wurde eine Barriere in den Käfig geschoben, über die die Tigerin springen sollte. Sie weigerte sich, das Brett zu verlassen, Webelhorst versetzte ihr einige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/723>, abgerufen am 20.10.2024.