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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

aufzubringen, ausgehn. Die Gründe für diese Unmöglichkeit sind die schon er¬
wähnten Phantasien über die Hoffnungslosigkeit der russischen Landwirtschaft, über
die Undeukbarkeit einer bedeutenden russischen Exportindustrie und über den Mangel
einer Steigerungsfähigkeit der russischen Staatsfinanzen. Die Ziusenlast der nach
zehn Jahren vorhandnen Schuld berechnet der Verfasser, der selbstverständlich auch
über deu künftigen Zinsfuß schon jetzt genauestens unterrichtet ist, auf 50 Prozent
der jetzigen russischen Nettoeinnahmen. Die etwas merkwürdige Beweisführung
ist folgende: Seite 81: "Die französische Staatsschuld stieg von 12 Milliarden
Franken vor Ausbruch des Krieges im Jahre 1870 auf 31^ Milliarden Franken
im Jahre 1887. Warum soll die Staatsschuld des weniger reichen Rußlands, die
14^/g Milliarden Mark vor Ausbruch des Krieges betrug, in zwanzig Jahren
nicht auf 40 Milliarden Mark mit einer Verzinsung von 2 Milliarden Mark an¬
schwellen?" Diese Beweisführung erscheint dem Verfasser so schlagend, daß er sie
gesperrt hat drucken lassen. Das Seitenstück dazu findet sich Seite 130. Hier
wird nach dem Hinweis auf die französische Staatsschuld von 1870 bis 1887
und auf den jetzigen Bestand der russischen Staatsschuld die Frage gestellt: "Ist
es so ganz unwahrscheinlich, daß sie sich in fünfunddreißig Jahren bis auf das
zweieinhalbfache, also 50 Milliarden Franken, erhöht haben wird?" Aus alleu
diesen Schätzungen und Mutmaßungen Werden bei dem Verfasser schließlich Tat¬
sachen. Seite 239 führt er aus: "Kommt der Friede bald, so werden die
russischen Staatsschulden fünf Jahre später, wie oben nachgewiesen worden ist,
25 Milliarden Mark ausmachen!" Auf Seite 81 wird erklärt: "Angesichts der
Tatsache, daß fünf Jahre nach Friedensschluß die Zinsen der russischen Staatsschuld
ca. 41 Prozent der Einnahme nach Abzug der Betriebsausgaben der Staats¬
regalien ausmachen, ist nicht anzunehmen usw." Zwei Zeilen weiter unten heißt
es: "Ganz ausgeschlossen erscheint, daß Rußland in zehn Jahren noch Darlehen
auftreiben kann, wenn seine Zinsschulden mindestens 50 Prozent seiner Nettoein¬
nahmen ausmachen." Auf Seite 60 wird schon ganz bestimmt erklärt: "So werden
die russischen Staatsschulden in den nächsten zwanzig Jahren sich verdoppeln."

Daß der Verfasser auch über die künftige Entwicklung des Zinsfußes schon
jetzt sichre Kenntnis hat, wurde schon erwähnt. Er erklärt denn nicht nur Seite 243
allgemein: "In den kommenden zehn Jahren wird der durchschnittliche Zinsfuß der
russischen Anleihen steigen!" sondern er erwartet auch Seite 3 "zum Teil" eine
Verzinsung von 4^ und 5 Prozent und behauptet weiter (S. 249): "Eine fünf-
prozentige Verzinsung unter Ausgabekurs von 80, also eine wirkliche Verzinsung
von mehr als 6 Prozent, dürfte sehr bald die übliche Form werden!" Hiernach
kann es nicht überraschen, wenn Seite 243 ganz Präzise erklärt wird: "Die Masse
der zu zahlenden Zinsen wird . . . auf 1,2 Milliarden Mark im Jahre 1910 an¬
schwellen."

Nicht nur über die Entwicklung der russischen Staatsschuld und ihrer Ver¬
zinsung, sondern auch über den Anteil des Auslandes an dieser Schuld weiß der
Verfasser schon jetzt genau Bescheid. Die Sache ist nach seiner Methode äußerst
einfach. Nach Seite 167 hat Rußland von 20^ Milliarden Franken Staats¬
schulden 13 Milliarden Franken im Ausland untergebracht. Da nach der Schätzung
des Verfassers innerhalb von fünf Jahren noch 11 Milliarden Franken aufzunehmen
sind, "so dürften davon mindestens 8 Milliarden Franken auf das Ausland ent¬
fallen." Die ausländische Staatsschuld Rußlands würde sich danach auf 21 Milliarden
Franken erhöhen (S. 68). Dementsprechend finden wir auf Seite 242, daß "in
fünf Jahren vielleicht 21 Milliarden Franken, in fünfzehn Jahren vielleicht
35 Milliarden Franken" im Ausland untergebracht sein werden, und "sobald die
russische Staatsschuld bei 25 Milliarden Franken angekommen ist, dürften drei Viertel
der Staatsschulden im Ausland untergebracht sein" (S. 135). Das hält der Ver¬
fasser offenbar für durchaus schlüssig, er benutzt es, um die Unabweisbarkeit des
russischen Staatsbankrotts zu beweisen.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

aufzubringen, ausgehn. Die Gründe für diese Unmöglichkeit sind die schon er¬
wähnten Phantasien über die Hoffnungslosigkeit der russischen Landwirtschaft, über
die Undeukbarkeit einer bedeutenden russischen Exportindustrie und über den Mangel
einer Steigerungsfähigkeit der russischen Staatsfinanzen. Die Ziusenlast der nach
zehn Jahren vorhandnen Schuld berechnet der Verfasser, der selbstverständlich auch
über deu künftigen Zinsfuß schon jetzt genauestens unterrichtet ist, auf 50 Prozent
der jetzigen russischen Nettoeinnahmen. Die etwas merkwürdige Beweisführung
ist folgende: Seite 81: „Die französische Staatsschuld stieg von 12 Milliarden
Franken vor Ausbruch des Krieges im Jahre 1870 auf 31^ Milliarden Franken
im Jahre 1887. Warum soll die Staatsschuld des weniger reichen Rußlands, die
14^/g Milliarden Mark vor Ausbruch des Krieges betrug, in zwanzig Jahren
nicht auf 40 Milliarden Mark mit einer Verzinsung von 2 Milliarden Mark an¬
schwellen?" Diese Beweisführung erscheint dem Verfasser so schlagend, daß er sie
gesperrt hat drucken lassen. Das Seitenstück dazu findet sich Seite 130. Hier
wird nach dem Hinweis auf die französische Staatsschuld von 1870 bis 1887
und auf den jetzigen Bestand der russischen Staatsschuld die Frage gestellt: „Ist
es so ganz unwahrscheinlich, daß sie sich in fünfunddreißig Jahren bis auf das
zweieinhalbfache, also 50 Milliarden Franken, erhöht haben wird?" Aus alleu
diesen Schätzungen und Mutmaßungen Werden bei dem Verfasser schließlich Tat¬
sachen. Seite 239 führt er aus: „Kommt der Friede bald, so werden die
russischen Staatsschulden fünf Jahre später, wie oben nachgewiesen worden ist,
25 Milliarden Mark ausmachen!" Auf Seite 81 wird erklärt: „Angesichts der
Tatsache, daß fünf Jahre nach Friedensschluß die Zinsen der russischen Staatsschuld
ca. 41 Prozent der Einnahme nach Abzug der Betriebsausgaben der Staats¬
regalien ausmachen, ist nicht anzunehmen usw." Zwei Zeilen weiter unten heißt
es: „Ganz ausgeschlossen erscheint, daß Rußland in zehn Jahren noch Darlehen
auftreiben kann, wenn seine Zinsschulden mindestens 50 Prozent seiner Nettoein¬
nahmen ausmachen." Auf Seite 60 wird schon ganz bestimmt erklärt: „So werden
die russischen Staatsschulden in den nächsten zwanzig Jahren sich verdoppeln."

Daß der Verfasser auch über die künftige Entwicklung des Zinsfußes schon
jetzt sichre Kenntnis hat, wurde schon erwähnt. Er erklärt denn nicht nur Seite 243
allgemein: „In den kommenden zehn Jahren wird der durchschnittliche Zinsfuß der
russischen Anleihen steigen!" sondern er erwartet auch Seite 3 „zum Teil" eine
Verzinsung von 4^ und 5 Prozent und behauptet weiter (S. 249): „Eine fünf-
prozentige Verzinsung unter Ausgabekurs von 80, also eine wirkliche Verzinsung
von mehr als 6 Prozent, dürfte sehr bald die übliche Form werden!" Hiernach
kann es nicht überraschen, wenn Seite 243 ganz Präzise erklärt wird: „Die Masse
der zu zahlenden Zinsen wird . . . auf 1,2 Milliarden Mark im Jahre 1910 an¬
schwellen."

Nicht nur über die Entwicklung der russischen Staatsschuld und ihrer Ver¬
zinsung, sondern auch über den Anteil des Auslandes an dieser Schuld weiß der
Verfasser schon jetzt genau Bescheid. Die Sache ist nach seiner Methode äußerst
einfach. Nach Seite 167 hat Rußland von 20^ Milliarden Franken Staats¬
schulden 13 Milliarden Franken im Ausland untergebracht. Da nach der Schätzung
des Verfassers innerhalb von fünf Jahren noch 11 Milliarden Franken aufzunehmen
sind, „so dürften davon mindestens 8 Milliarden Franken auf das Ausland ent¬
fallen." Die ausländische Staatsschuld Rußlands würde sich danach auf 21 Milliarden
Franken erhöhen (S. 68). Dementsprechend finden wir auf Seite 242, daß „in
fünf Jahren vielleicht 21 Milliarden Franken, in fünfzehn Jahren vielleicht
35 Milliarden Franken" im Ausland untergebracht sein werden, und „sobald die
russische Staatsschuld bei 25 Milliarden Franken angekommen ist, dürften drei Viertel
der Staatsschulden im Ausland untergebracht sein" (S. 135). Das hält der Ver¬
fasser offenbar für durchaus schlüssig, er benutzt es, um die Unabweisbarkeit des
russischen Staatsbankrotts zu beweisen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/573>, abgerufen am 19.10.2024.