Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

Von Heidelberg fuhren wir nach Bingen, wo wir unmittelbar am Rhein auf¬
bauten. Als wir damit beschäftigt waren, den Unterbau des Karussells fertig zu
stellen, war die Arbeitszeit in einer benachbarten Maschinenfabrik beendet, und die
vorüberkommenden Schlosser blieben bei uns stehn, sahen uns bei der Arbeit zu,
und einer fragte mich: "Katzenkovp?" (Schlosser). Ich erwiderte: "Kenn!" (Ja).
Darauf gingen vier von den Leuten fort und kamen jeder mit einem Schoppen
Wein zurück, den sie uns Angestellten kredenzten. Sie fragten dabei, wann wir
Feierabend machten, und luden uns zum Wein in eine benachbarte Wirtschaft ein.
Nach dem Abendessen gingen wir auch hin und wurden als tüchtige Schlosser ge¬
bührend gefeiert. Die Wirtschaft gehörte einer Witwe, und die Bedienung machte
deren neunzehnjährige Tochter Knieheben, die auf alle Gäste dieselbe Anziehungskraft
ausübte. Ich zog es deshalb am andern Tage auch vor, anstatt wie gewöhnlich
im Wagen in der Wirtschaft zu frühstücken und fragte, als ich fertig war, was
ich schuldig sei. Knieheben antwortete: Das Wiederkommen. Eine solche Art des
Wirtschaftsbetriebs hatte ich bis dahin noch nicht kennen gelernt und versäumte uun
keine Gelegenheit, von der Gastfreundschaft der hübschen Wirtstochter Gebrauch zu
machen. Am ersten Pfingstfeiertag durfte unser Geschäft nicht betrieben werden,
und wir benutzten den freien Vormittag zu einem Ausflug auf den Niederwald,
wo wir unter der Führung eines liebenswürdigen Bingers die Sehenswürdigkeiten,
vor allem das Nationaldenkmal und die Zauberhöhle besichtigten. Nachdem wir
acht Tage in Bingen gewesen waren, wo wir namentlich am zweiten und am
dritten Pfingstfeiertag ein gutes Geschäft gemacht hatten, brachen wir ab und
ließen uns bet dieser Gelegenheit von einem benachbarten Schnellphotographen mit
dem von uns allen angebeteten Kutscher photographieren. Als wir den Wohn¬
wagen mit Hilfe der Winde ein Stück seitwärts schoben, fiel der Spiegel von der
Wand und zerbrach. Uns allen kam bet diesem Unfall eine bange Ahnung, denn
das Zerbrechen des Spiegels gilt bet den fahrenden Leuten als eine schlimme Vor¬
bedeutung. Wir sprachen uns darüber aus und äußerten unsre Vermutungen darüber,
was wohl geschehen sein möchte. Wir sollten nicht lange darüber im unklaren bleiben,
denn in demselben Augenblick, wo wir den Wohnwagen verluden, kam ein Tele¬
graphenbote, der uns die Todesnachricht von unserm Prinzipal brachte, der an dem¬
selben Tage in Harburg seinem Leiden erlegen war. Wir hatten den alten Mann
alle aufrichtig gern gehabt, und so erfüllte uns die Nachricht mit tiefer Trauer.

Den Abend blieben wir noch in Bingen, erhielten am andern Morgen Reise¬
geld nach Karlsruhe und verabschiedeten uns in aller Eile von Käthchen, die jedem
von uns einen mit Wein gefüllten Aßmcmnshäuser Mineralwasserkrug sowie eine
Kiste Zigarren mitgab.

In Karlsruhe kamen wir Abends spät bei schrecklichem Regenwetter an, mußten
aber, da es schon Freitag war, noch an demselben Abend ausladen und bei strömendem
Regen auf den Platz fahren. Wir wurden naß bis auf die Knochen, konnten aber,
als wir um ein Uhr in der Nacht Feierabend machten, zu unserm Glück über den
ganzen Wohnwagen verfügen, da Kitzmanns Sohn mit seiner Frau nach Harburg
gereist war. Wir machten im vordern Raum des Wagens ein gehöriges Feuer
und trockneten unsre Kleider daran. Ich durchsuchte den Küchenschrcmk, fand eine
Büchse mit Kaffee und braute einen heißen Trank, der aus Kaffee und Rum bestand,
und mit dem wir uns wieder erwärmten. Dann gingen wir schlafen und setzten
am andern Morgen wiederum bei strömendem Regen das Aufbauen fort, womit
wir um zwölf Uhr in der Nacht fertig wurden. Das Geschäft war am Sonntag
sehr gut, aber das Karussell erlitt einen Schaden, der nur mit Mühe repariert
werdeu konnte, weil des katholischen Feiertags wegen kein Schlosser zu haben war.
Schließlich fanden wir einen jungen Meister, der den Lagerbock mit einer Metall¬
komposition ausgoß und so den Schaden provisorisch reparierte.

Nachdem der junge Kitzmann wieder zurückgekommen war, reisten wir nach
Frankfurt zum Bundesschießen. Auf dem Festplatze an der Eschenheimer Landstraße


Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

Von Heidelberg fuhren wir nach Bingen, wo wir unmittelbar am Rhein auf¬
bauten. Als wir damit beschäftigt waren, den Unterbau des Karussells fertig zu
stellen, war die Arbeitszeit in einer benachbarten Maschinenfabrik beendet, und die
vorüberkommenden Schlosser blieben bei uns stehn, sahen uns bei der Arbeit zu,
und einer fragte mich: „Katzenkovp?" (Schlosser). Ich erwiderte: „Kenn!" (Ja).
Darauf gingen vier von den Leuten fort und kamen jeder mit einem Schoppen
Wein zurück, den sie uns Angestellten kredenzten. Sie fragten dabei, wann wir
Feierabend machten, und luden uns zum Wein in eine benachbarte Wirtschaft ein.
Nach dem Abendessen gingen wir auch hin und wurden als tüchtige Schlosser ge¬
bührend gefeiert. Die Wirtschaft gehörte einer Witwe, und die Bedienung machte
deren neunzehnjährige Tochter Knieheben, die auf alle Gäste dieselbe Anziehungskraft
ausübte. Ich zog es deshalb am andern Tage auch vor, anstatt wie gewöhnlich
im Wagen in der Wirtschaft zu frühstücken und fragte, als ich fertig war, was
ich schuldig sei. Knieheben antwortete: Das Wiederkommen. Eine solche Art des
Wirtschaftsbetriebs hatte ich bis dahin noch nicht kennen gelernt und versäumte uun
keine Gelegenheit, von der Gastfreundschaft der hübschen Wirtstochter Gebrauch zu
machen. Am ersten Pfingstfeiertag durfte unser Geschäft nicht betrieben werden,
und wir benutzten den freien Vormittag zu einem Ausflug auf den Niederwald,
wo wir unter der Führung eines liebenswürdigen Bingers die Sehenswürdigkeiten,
vor allem das Nationaldenkmal und die Zauberhöhle besichtigten. Nachdem wir
acht Tage in Bingen gewesen waren, wo wir namentlich am zweiten und am
dritten Pfingstfeiertag ein gutes Geschäft gemacht hatten, brachen wir ab und
ließen uns bet dieser Gelegenheit von einem benachbarten Schnellphotographen mit
dem von uns allen angebeteten Kutscher photographieren. Als wir den Wohn¬
wagen mit Hilfe der Winde ein Stück seitwärts schoben, fiel der Spiegel von der
Wand und zerbrach. Uns allen kam bet diesem Unfall eine bange Ahnung, denn
das Zerbrechen des Spiegels gilt bet den fahrenden Leuten als eine schlimme Vor¬
bedeutung. Wir sprachen uns darüber aus und äußerten unsre Vermutungen darüber,
was wohl geschehen sein möchte. Wir sollten nicht lange darüber im unklaren bleiben,
denn in demselben Augenblick, wo wir den Wohnwagen verluden, kam ein Tele¬
graphenbote, der uns die Todesnachricht von unserm Prinzipal brachte, der an dem¬
selben Tage in Harburg seinem Leiden erlegen war. Wir hatten den alten Mann
alle aufrichtig gern gehabt, und so erfüllte uns die Nachricht mit tiefer Trauer.

Den Abend blieben wir noch in Bingen, erhielten am andern Morgen Reise¬
geld nach Karlsruhe und verabschiedeten uns in aller Eile von Käthchen, die jedem
von uns einen mit Wein gefüllten Aßmcmnshäuser Mineralwasserkrug sowie eine
Kiste Zigarren mitgab.

In Karlsruhe kamen wir Abends spät bei schrecklichem Regenwetter an, mußten
aber, da es schon Freitag war, noch an demselben Abend ausladen und bei strömendem
Regen auf den Platz fahren. Wir wurden naß bis auf die Knochen, konnten aber,
als wir um ein Uhr in der Nacht Feierabend machten, zu unserm Glück über den
ganzen Wohnwagen verfügen, da Kitzmanns Sohn mit seiner Frau nach Harburg
gereist war. Wir machten im vordern Raum des Wagens ein gehöriges Feuer
und trockneten unsre Kleider daran. Ich durchsuchte den Küchenschrcmk, fand eine
Büchse mit Kaffee und braute einen heißen Trank, der aus Kaffee und Rum bestand,
und mit dem wir uns wieder erwärmten. Dann gingen wir schlafen und setzten
am andern Morgen wiederum bei strömendem Regen das Aufbauen fort, womit
wir um zwölf Uhr in der Nacht fertig wurden. Das Geschäft war am Sonntag
sehr gut, aber das Karussell erlitt einen Schaden, der nur mit Mühe repariert
werdeu konnte, weil des katholischen Feiertags wegen kein Schlosser zu haben war.
Schließlich fanden wir einen jungen Meister, der den Lagerbock mit einer Metall¬
komposition ausgoß und so den Schaden provisorisch reparierte.

Nachdem der junge Kitzmann wieder zurückgekommen war, reisten wir nach
Frankfurt zum Bundesschießen. Auf dem Festplatze an der Eschenheimer Landstraße


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/298014"/>
          <fw type="header" place="top"> Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2390"> Von Heidelberg fuhren wir nach Bingen, wo wir unmittelbar am Rhein auf¬<lb/>
bauten. Als wir damit beschäftigt waren, den Unterbau des Karussells fertig zu<lb/>
stellen, war die Arbeitszeit in einer benachbarten Maschinenfabrik beendet, und die<lb/>
vorüberkommenden Schlosser blieben bei uns stehn, sahen uns bei der Arbeit zu,<lb/>
und einer fragte mich: &#x201E;Katzenkovp?" (Schlosser). Ich erwiderte: &#x201E;Kenn!" (Ja).<lb/>
Darauf gingen vier von den Leuten fort und kamen jeder mit einem Schoppen<lb/>
Wein zurück, den sie uns Angestellten kredenzten. Sie fragten dabei, wann wir<lb/>
Feierabend machten, und luden uns zum Wein in eine benachbarte Wirtschaft ein.<lb/>
Nach dem Abendessen gingen wir auch hin und wurden als tüchtige Schlosser ge¬<lb/>
bührend gefeiert. Die Wirtschaft gehörte einer Witwe, und die Bedienung machte<lb/>
deren neunzehnjährige Tochter Knieheben, die auf alle Gäste dieselbe Anziehungskraft<lb/>
ausübte. Ich zog es deshalb am andern Tage auch vor, anstatt wie gewöhnlich<lb/>
im Wagen in der Wirtschaft zu frühstücken und fragte, als ich fertig war, was<lb/>
ich schuldig sei. Knieheben antwortete: Das Wiederkommen. Eine solche Art des<lb/>
Wirtschaftsbetriebs hatte ich bis dahin noch nicht kennen gelernt und versäumte uun<lb/>
keine Gelegenheit, von der Gastfreundschaft der hübschen Wirtstochter Gebrauch zu<lb/>
machen. Am ersten Pfingstfeiertag durfte unser Geschäft nicht betrieben werden,<lb/>
und wir benutzten den freien Vormittag zu einem Ausflug auf den Niederwald,<lb/>
wo wir unter der Führung eines liebenswürdigen Bingers die Sehenswürdigkeiten,<lb/>
vor allem das Nationaldenkmal und die Zauberhöhle besichtigten. Nachdem wir<lb/>
acht Tage in Bingen gewesen waren, wo wir namentlich am zweiten und am<lb/>
dritten Pfingstfeiertag ein gutes Geschäft gemacht hatten, brachen wir ab und<lb/>
ließen uns bet dieser Gelegenheit von einem benachbarten Schnellphotographen mit<lb/>
dem von uns allen angebeteten Kutscher photographieren. Als wir den Wohn¬<lb/>
wagen mit Hilfe der Winde ein Stück seitwärts schoben, fiel der Spiegel von der<lb/>
Wand und zerbrach. Uns allen kam bet diesem Unfall eine bange Ahnung, denn<lb/>
das Zerbrechen des Spiegels gilt bet den fahrenden Leuten als eine schlimme Vor¬<lb/>
bedeutung. Wir sprachen uns darüber aus und äußerten unsre Vermutungen darüber,<lb/>
was wohl geschehen sein möchte. Wir sollten nicht lange darüber im unklaren bleiben,<lb/>
denn in demselben Augenblick, wo wir den Wohnwagen verluden, kam ein Tele¬<lb/>
graphenbote, der uns die Todesnachricht von unserm Prinzipal brachte, der an dem¬<lb/>
selben Tage in Harburg seinem Leiden erlegen war. Wir hatten den alten Mann<lb/>
alle aufrichtig gern gehabt, und so erfüllte uns die Nachricht mit tiefer Trauer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2391"> Den Abend blieben wir noch in Bingen, erhielten am andern Morgen Reise¬<lb/>
geld nach Karlsruhe und verabschiedeten uns in aller Eile von Käthchen, die jedem<lb/>
von uns einen mit Wein gefüllten Aßmcmnshäuser Mineralwasserkrug sowie eine<lb/>
Kiste Zigarren mitgab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2392"> In Karlsruhe kamen wir Abends spät bei schrecklichem Regenwetter an, mußten<lb/>
aber, da es schon Freitag war, noch an demselben Abend ausladen und bei strömendem<lb/>
Regen auf den Platz fahren. Wir wurden naß bis auf die Knochen, konnten aber,<lb/>
als wir um ein Uhr in der Nacht Feierabend machten, zu unserm Glück über den<lb/>
ganzen Wohnwagen verfügen, da Kitzmanns Sohn mit seiner Frau nach Harburg<lb/>
gereist war. Wir machten im vordern Raum des Wagens ein gehöriges Feuer<lb/>
und trockneten unsre Kleider daran. Ich durchsuchte den Küchenschrcmk, fand eine<lb/>
Büchse mit Kaffee und braute einen heißen Trank, der aus Kaffee und Rum bestand,<lb/>
und mit dem wir uns wieder erwärmten. Dann gingen wir schlafen und setzten<lb/>
am andern Morgen wiederum bei strömendem Regen das Aufbauen fort, womit<lb/>
wir um zwölf Uhr in der Nacht fertig wurden. Das Geschäft war am Sonntag<lb/>
sehr gut, aber das Karussell erlitt einen Schaden, der nur mit Mühe repariert<lb/>
werdeu konnte, weil des katholischen Feiertags wegen kein Schlosser zu haben war.<lb/>
Schließlich fanden wir einen jungen Meister, der den Lagerbock mit einer Metall¬<lb/>
komposition ausgoß und so den Schaden provisorisch reparierte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2393" next="#ID_2394"> Nachdem der junge Kitzmann wieder zurückgekommen war, reisten wir nach<lb/>
Frankfurt zum Bundesschießen. Auf dem Festplatze an der Eschenheimer Landstraße</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0495] Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren Von Heidelberg fuhren wir nach Bingen, wo wir unmittelbar am Rhein auf¬ bauten. Als wir damit beschäftigt waren, den Unterbau des Karussells fertig zu stellen, war die Arbeitszeit in einer benachbarten Maschinenfabrik beendet, und die vorüberkommenden Schlosser blieben bei uns stehn, sahen uns bei der Arbeit zu, und einer fragte mich: „Katzenkovp?" (Schlosser). Ich erwiderte: „Kenn!" (Ja). Darauf gingen vier von den Leuten fort und kamen jeder mit einem Schoppen Wein zurück, den sie uns Angestellten kredenzten. Sie fragten dabei, wann wir Feierabend machten, und luden uns zum Wein in eine benachbarte Wirtschaft ein. Nach dem Abendessen gingen wir auch hin und wurden als tüchtige Schlosser ge¬ bührend gefeiert. Die Wirtschaft gehörte einer Witwe, und die Bedienung machte deren neunzehnjährige Tochter Knieheben, die auf alle Gäste dieselbe Anziehungskraft ausübte. Ich zog es deshalb am andern Tage auch vor, anstatt wie gewöhnlich im Wagen in der Wirtschaft zu frühstücken und fragte, als ich fertig war, was ich schuldig sei. Knieheben antwortete: Das Wiederkommen. Eine solche Art des Wirtschaftsbetriebs hatte ich bis dahin noch nicht kennen gelernt und versäumte uun keine Gelegenheit, von der Gastfreundschaft der hübschen Wirtstochter Gebrauch zu machen. Am ersten Pfingstfeiertag durfte unser Geschäft nicht betrieben werden, und wir benutzten den freien Vormittag zu einem Ausflug auf den Niederwald, wo wir unter der Führung eines liebenswürdigen Bingers die Sehenswürdigkeiten, vor allem das Nationaldenkmal und die Zauberhöhle besichtigten. Nachdem wir acht Tage in Bingen gewesen waren, wo wir namentlich am zweiten und am dritten Pfingstfeiertag ein gutes Geschäft gemacht hatten, brachen wir ab und ließen uns bet dieser Gelegenheit von einem benachbarten Schnellphotographen mit dem von uns allen angebeteten Kutscher photographieren. Als wir den Wohn¬ wagen mit Hilfe der Winde ein Stück seitwärts schoben, fiel der Spiegel von der Wand und zerbrach. Uns allen kam bet diesem Unfall eine bange Ahnung, denn das Zerbrechen des Spiegels gilt bet den fahrenden Leuten als eine schlimme Vor¬ bedeutung. Wir sprachen uns darüber aus und äußerten unsre Vermutungen darüber, was wohl geschehen sein möchte. Wir sollten nicht lange darüber im unklaren bleiben, denn in demselben Augenblick, wo wir den Wohnwagen verluden, kam ein Tele¬ graphenbote, der uns die Todesnachricht von unserm Prinzipal brachte, der an dem¬ selben Tage in Harburg seinem Leiden erlegen war. Wir hatten den alten Mann alle aufrichtig gern gehabt, und so erfüllte uns die Nachricht mit tiefer Trauer. Den Abend blieben wir noch in Bingen, erhielten am andern Morgen Reise¬ geld nach Karlsruhe und verabschiedeten uns in aller Eile von Käthchen, die jedem von uns einen mit Wein gefüllten Aßmcmnshäuser Mineralwasserkrug sowie eine Kiste Zigarren mitgab. In Karlsruhe kamen wir Abends spät bei schrecklichem Regenwetter an, mußten aber, da es schon Freitag war, noch an demselben Abend ausladen und bei strömendem Regen auf den Platz fahren. Wir wurden naß bis auf die Knochen, konnten aber, als wir um ein Uhr in der Nacht Feierabend machten, zu unserm Glück über den ganzen Wohnwagen verfügen, da Kitzmanns Sohn mit seiner Frau nach Harburg gereist war. Wir machten im vordern Raum des Wagens ein gehöriges Feuer und trockneten unsre Kleider daran. Ich durchsuchte den Küchenschrcmk, fand eine Büchse mit Kaffee und braute einen heißen Trank, der aus Kaffee und Rum bestand, und mit dem wir uns wieder erwärmten. Dann gingen wir schlafen und setzten am andern Morgen wiederum bei strömendem Regen das Aufbauen fort, womit wir um zwölf Uhr in der Nacht fertig wurden. Das Geschäft war am Sonntag sehr gut, aber das Karussell erlitt einen Schaden, der nur mit Mühe repariert werdeu konnte, weil des katholischen Feiertags wegen kein Schlosser zu haben war. Schließlich fanden wir einen jungen Meister, der den Lagerbock mit einer Metall¬ komposition ausgoß und so den Schaden provisorisch reparierte. Nachdem der junge Kitzmann wieder zurückgekommen war, reisten wir nach Frankfurt zum Bundesschießen. Auf dem Festplatze an der Eschenheimer Landstraße

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/495
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/495>, abgerufen am 20.10.2024.