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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

Kinder, rief Tauenden, indem sie sich geistig in ein mütterliches Alter versetzte,
was habt ihr miteinander? was ist zwischen euch geschehen?

Eva fiel der Tante stürmisch um den Hals und rief: Tauenden, er ist mein!

Daß sich Gott erbarme! sagte Tauenden statt der Antwort.

Darauf faßte Eva den Doktor an der Hand und trat mit etwas spöttischer
Feierlichkeit vor Tauenden, kniete auf eine dastehende Fußbank nieder und sagte:
Wir bitten um den ländlichen Segen.

Kind! Kind! rief Tauenden entsetzt, versündige dich nicht. Wie willst du das
Glück finden, ohne Gottes Segen demütig zu erbitten?

Eva sprang auf, küßte ihren Doktor, küßte ihr Tauenden und war in ihrem
strahlende" Glücke hinreißend schön und unwiderstehlich liebenswürdig.

Auf jedem jungen Mädchenleben liegt es in der Zeit, in der die Frage, wer
der Erwählte sein werde, noch nicht gelöst ist, wie ein Schleier, der die Gestalt
umhüllt und die freie Bewegung hemmt. Ist die Wahl getroffen, und der Schleier
gefallen, so kommt der eigentliche Mensch zum Vorschein; das Menschenkind, das
die große Frage ans Schicksal im Rücken hat, tut die Augen auf und wird froh
und sicher. Was wollt ihr? fragen ihre stolzen Blicke, ich habe den Meinen, ich
habe Zweck und Beruf in der Welt. -- Und so sah man es Eva, die übrigens
besagten Schleier mit ziemlicher Freiheit getragen hatte, an, daß sie ihres Doktors
und ihrer Zukunft sicher war; sie war freier und größer geworden. Prinzeßchen
war sie gewesen, nun war sie Prinzessin geworden.

Aber die Tante ließ sich durch die blanken Augen und den plaudernden roten
Mund nicht täuschen. Sie hatte dieses Ende seit langem kommen sehen, sie hatte
es gefürchtet, aber doch nicht gewagt, dagegen zu arbeiten. Was sollte nun werden?
Daß Groppoff durch die Verlobung seiner Tochter mit dem Doktor nicht erfreut
sein, und daß er seine Pläne mit dem Baron Bordeaux, die durch diese Verlobung
durchkreuzt wurden, nicht aufgeben werde, stand fest. Er mußte doch dadurch, daß
seine Eva gerade diese" Doktor, seinen Feind, gewählt hatte, tief verletzt sein, und
er, Groppoff, war nicht der Mann dazu, sich fremden Wünschen zu beugen. Man
konnte darauf rechnen, daß zu den vielen Schwierigkeiten, mit denen man in Tap-
nicken zu kämpfen hatte, durch die Verlobung neue hinzukommen würden. Aber
das war es dennoch nicht, was sie in "Zustände" versetzte, sondern die Sorge um
den Doktor und Eva. Lieber Gott, die Eva! Ein Prachtkind, eine Kreatur, über
die sich der liebe Gott selber freuen mußte, ein Juwel, aber viel zu spröde, als daß
sie sich hätte fassen lassen können. Die Eva heiraten und hoffen, mit ihr glücklich
zu werden, wer konnte das wagen? Tauenden schüttelte sorgenvoll das Haupt.
Und Heinz! Sie hätte ihm das beste in der Welt gewünscht und darum eine
andre Frau als Eva. Eins stand ihr fest, wenn das Geschehene auch nicht un¬
geschehen gemacht werden konnte, die Verlobung mußte vorerst streng geheim ge¬
halten werden. Eva und Heinz mußten es versprechen, sich so zu betragen, daß
niemand merken konnte, was geschehen war. Sie durften sich nicht öfter treffen
als bisher, und insonderheit mußte Eva geloben, wöchentlich nur einmal zum
Schlößchen zu kommen, was denn, wenn auch widerwillig, geschah.

Später fanden die beiden Beteiligten, daß diese heimlichen Zusammenkünfte
ihren besondern Reiz hatten, und daß es eine belustigende Sache war, vor der
Welt ehrbar und fremd nebeneinander herzugehn und im Herzen ein süßes Ge¬
heimnis zu trage". Eva freute sich, daß sie ihren gestrengen Herrn Vater und
den dicken Baron, der sich immer noch um sie bemühte und von Zeit zu Zeit mit
seinem Töff-Töff ankam, überlistet hatte, und Heinz genoß die schöne Zeit seiner
jungen Liebe mit um so vollem Zügen, als ihm der Becher nur selten gereicht
wurde. Sein ganzes Herz schlug seiner Eva entgegen, wenn sie ihm im Walde
auf ihrem "Walkürengaul" entgegentrabte, oder wenn sie unter Tantchens Aufsicht
im Triumphstuhl des Salons lag und ihm Audienz gewährte, oder wenn sie auf
seinen Knien saß und ihn? Bart und Stirnlocke zauste.


Herrenmenschen

Kinder, rief Tauenden, indem sie sich geistig in ein mütterliches Alter versetzte,
was habt ihr miteinander? was ist zwischen euch geschehen?

Eva fiel der Tante stürmisch um den Hals und rief: Tauenden, er ist mein!

Daß sich Gott erbarme! sagte Tauenden statt der Antwort.

Darauf faßte Eva den Doktor an der Hand und trat mit etwas spöttischer
Feierlichkeit vor Tauenden, kniete auf eine dastehende Fußbank nieder und sagte:
Wir bitten um den ländlichen Segen.

Kind! Kind! rief Tauenden entsetzt, versündige dich nicht. Wie willst du das
Glück finden, ohne Gottes Segen demütig zu erbitten?

Eva sprang auf, küßte ihren Doktor, küßte ihr Tauenden und war in ihrem
strahlende» Glücke hinreißend schön und unwiderstehlich liebenswürdig.

Auf jedem jungen Mädchenleben liegt es in der Zeit, in der die Frage, wer
der Erwählte sein werde, noch nicht gelöst ist, wie ein Schleier, der die Gestalt
umhüllt und die freie Bewegung hemmt. Ist die Wahl getroffen, und der Schleier
gefallen, so kommt der eigentliche Mensch zum Vorschein; das Menschenkind, das
die große Frage ans Schicksal im Rücken hat, tut die Augen auf und wird froh
und sicher. Was wollt ihr? fragen ihre stolzen Blicke, ich habe den Meinen, ich
habe Zweck und Beruf in der Welt. — Und so sah man es Eva, die übrigens
besagten Schleier mit ziemlicher Freiheit getragen hatte, an, daß sie ihres Doktors
und ihrer Zukunft sicher war; sie war freier und größer geworden. Prinzeßchen
war sie gewesen, nun war sie Prinzessin geworden.

Aber die Tante ließ sich durch die blanken Augen und den plaudernden roten
Mund nicht täuschen. Sie hatte dieses Ende seit langem kommen sehen, sie hatte
es gefürchtet, aber doch nicht gewagt, dagegen zu arbeiten. Was sollte nun werden?
Daß Groppoff durch die Verlobung seiner Tochter mit dem Doktor nicht erfreut
sein, und daß er seine Pläne mit dem Baron Bordeaux, die durch diese Verlobung
durchkreuzt wurden, nicht aufgeben werde, stand fest. Er mußte doch dadurch, daß
seine Eva gerade diese» Doktor, seinen Feind, gewählt hatte, tief verletzt sein, und
er, Groppoff, war nicht der Mann dazu, sich fremden Wünschen zu beugen. Man
konnte darauf rechnen, daß zu den vielen Schwierigkeiten, mit denen man in Tap-
nicken zu kämpfen hatte, durch die Verlobung neue hinzukommen würden. Aber
das war es dennoch nicht, was sie in „Zustände" versetzte, sondern die Sorge um
den Doktor und Eva. Lieber Gott, die Eva! Ein Prachtkind, eine Kreatur, über
die sich der liebe Gott selber freuen mußte, ein Juwel, aber viel zu spröde, als daß
sie sich hätte fassen lassen können. Die Eva heiraten und hoffen, mit ihr glücklich
zu werden, wer konnte das wagen? Tauenden schüttelte sorgenvoll das Haupt.
Und Heinz! Sie hätte ihm das beste in der Welt gewünscht und darum eine
andre Frau als Eva. Eins stand ihr fest, wenn das Geschehene auch nicht un¬
geschehen gemacht werden konnte, die Verlobung mußte vorerst streng geheim ge¬
halten werden. Eva und Heinz mußten es versprechen, sich so zu betragen, daß
niemand merken konnte, was geschehen war. Sie durften sich nicht öfter treffen
als bisher, und insonderheit mußte Eva geloben, wöchentlich nur einmal zum
Schlößchen zu kommen, was denn, wenn auch widerwillig, geschah.

Später fanden die beiden Beteiligten, daß diese heimlichen Zusammenkünfte
ihren besondern Reiz hatten, und daß es eine belustigende Sache war, vor der
Welt ehrbar und fremd nebeneinander herzugehn und im Herzen ein süßes Ge¬
heimnis zu trage». Eva freute sich, daß sie ihren gestrengen Herrn Vater und
den dicken Baron, der sich immer noch um sie bemühte und von Zeit zu Zeit mit
seinem Töff-Töff ankam, überlistet hatte, und Heinz genoß die schöne Zeit seiner
jungen Liebe mit um so vollem Zügen, als ihm der Becher nur selten gereicht
wurde. Sein ganzes Herz schlug seiner Eva entgegen, wenn sie ihm im Walde
auf ihrem „Walkürengaul" entgegentrabte, oder wenn sie unter Tantchens Aufsicht
im Triumphstuhl des Salons lag und ihm Audienz gewährte, oder wenn sie auf
seinen Knien saß und ihn? Bart und Stirnlocke zauste.


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[0045] Herrenmenschen Kinder, rief Tauenden, indem sie sich geistig in ein mütterliches Alter versetzte, was habt ihr miteinander? was ist zwischen euch geschehen? Eva fiel der Tante stürmisch um den Hals und rief: Tauenden, er ist mein! Daß sich Gott erbarme! sagte Tauenden statt der Antwort. Darauf faßte Eva den Doktor an der Hand und trat mit etwas spöttischer Feierlichkeit vor Tauenden, kniete auf eine dastehende Fußbank nieder und sagte: Wir bitten um den ländlichen Segen. Kind! Kind! rief Tauenden entsetzt, versündige dich nicht. Wie willst du das Glück finden, ohne Gottes Segen demütig zu erbitten? Eva sprang auf, küßte ihren Doktor, küßte ihr Tauenden und war in ihrem strahlende» Glücke hinreißend schön und unwiderstehlich liebenswürdig. Auf jedem jungen Mädchenleben liegt es in der Zeit, in der die Frage, wer der Erwählte sein werde, noch nicht gelöst ist, wie ein Schleier, der die Gestalt umhüllt und die freie Bewegung hemmt. Ist die Wahl getroffen, und der Schleier gefallen, so kommt der eigentliche Mensch zum Vorschein; das Menschenkind, das die große Frage ans Schicksal im Rücken hat, tut die Augen auf und wird froh und sicher. Was wollt ihr? fragen ihre stolzen Blicke, ich habe den Meinen, ich habe Zweck und Beruf in der Welt. — Und so sah man es Eva, die übrigens besagten Schleier mit ziemlicher Freiheit getragen hatte, an, daß sie ihres Doktors und ihrer Zukunft sicher war; sie war freier und größer geworden. Prinzeßchen war sie gewesen, nun war sie Prinzessin geworden. Aber die Tante ließ sich durch die blanken Augen und den plaudernden roten Mund nicht täuschen. Sie hatte dieses Ende seit langem kommen sehen, sie hatte es gefürchtet, aber doch nicht gewagt, dagegen zu arbeiten. Was sollte nun werden? Daß Groppoff durch die Verlobung seiner Tochter mit dem Doktor nicht erfreut sein, und daß er seine Pläne mit dem Baron Bordeaux, die durch diese Verlobung durchkreuzt wurden, nicht aufgeben werde, stand fest. Er mußte doch dadurch, daß seine Eva gerade diese» Doktor, seinen Feind, gewählt hatte, tief verletzt sein, und er, Groppoff, war nicht der Mann dazu, sich fremden Wünschen zu beugen. Man konnte darauf rechnen, daß zu den vielen Schwierigkeiten, mit denen man in Tap- nicken zu kämpfen hatte, durch die Verlobung neue hinzukommen würden. Aber das war es dennoch nicht, was sie in „Zustände" versetzte, sondern die Sorge um den Doktor und Eva. Lieber Gott, die Eva! Ein Prachtkind, eine Kreatur, über die sich der liebe Gott selber freuen mußte, ein Juwel, aber viel zu spröde, als daß sie sich hätte fassen lassen können. Die Eva heiraten und hoffen, mit ihr glücklich zu werden, wer konnte das wagen? Tauenden schüttelte sorgenvoll das Haupt. Und Heinz! Sie hätte ihm das beste in der Welt gewünscht und darum eine andre Frau als Eva. Eins stand ihr fest, wenn das Geschehene auch nicht un¬ geschehen gemacht werden konnte, die Verlobung mußte vorerst streng geheim ge¬ halten werden. Eva und Heinz mußten es versprechen, sich so zu betragen, daß niemand merken konnte, was geschehen war. Sie durften sich nicht öfter treffen als bisher, und insonderheit mußte Eva geloben, wöchentlich nur einmal zum Schlößchen zu kommen, was denn, wenn auch widerwillig, geschah. Später fanden die beiden Beteiligten, daß diese heimlichen Zusammenkünfte ihren besondern Reiz hatten, und daß es eine belustigende Sache war, vor der Welt ehrbar und fremd nebeneinander herzugehn und im Herzen ein süßes Ge¬ heimnis zu trage». Eva freute sich, daß sie ihren gestrengen Herrn Vater und den dicken Baron, der sich immer noch um sie bemühte und von Zeit zu Zeit mit seinem Töff-Töff ankam, überlistet hatte, und Heinz genoß die schöne Zeit seiner jungen Liebe mit um so vollem Zügen, als ihm der Becher nur selten gereicht wurde. Sein ganzes Herz schlug seiner Eva entgegen, wenn sie ihm im Walde auf ihrem „Walkürengaul" entgegentrabte, oder wenn sie unter Tantchens Aufsicht im Triumphstuhl des Salons lag und ihm Audienz gewährte, oder wenn sie auf seinen Knien saß und ihn? Bart und Stirnlocke zauste.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/45>, abgerufen am 19.10.2024.