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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Freund des Königs wie als Freund Norwegens. Es ist also nur bedauerlich, wenn
deutsche Zettungen, die auf nationalem Boden stehn und auf ihren Ruf halten, bei
ihren Kritiken nicht lieber erst zweimal zusehen, ob ihr Platz im gegebnen Falle nicht
besser hinter ihrem Kaiser und hinter der das Reichsbanner tragenden Leitung der
deutschen Politik wäre, anstatt dem feindlichen Ausland und der Sozialdemokratie
als Parteigänger und Schrittmacher zu dienen. Merkwürdig, wie sehr im Lande der
allgemeinen Wehrpflicht doch unsrer Presse dem Auslande gegenüber der Begriff
"in Reih und Glied," der Begriff des einsichtsvollen Dienens fehlt, des Dienens nicht
einer Person, sondern dem Vaterlande! Oder soll es dem Lande ein Dienst sein, wenn
der Kaiser und die Leitung der deutschen Politik, zumal in den jetzigen schwierigen
und recht ernsten Zeiten, dem Auslande gegenüber fortdauernd in ebenso unbedachter
wie unbegründeter Weise herabgesetzt werden? Etwas mehr vom Geschäft als die
Essener Redaktion werden Kaiser und Kanzler ja doch wohl verstehn.

Voraussichtlich wird die Begegnung des Kaisers mit dem Kaiser Nikolaus
in gewissen Blättern auch nur vom Standpunkt der "Überraschung" und der "per¬
sönlichen Eingebung" beurteilt werden, obgleich sie vom menschlichen wie vom
monarchischen und Politischen Standpunkte hinlänglich erklärlich und begreiflich ist.
Es ist schon vor einigen Wochen an dieser Stelle auf die Dienste hingewiesen worden,
die Kaiser Wilhelm dem Zaren in der Friedensfrage geleistet hat; jeder Rat, den
Kaiser Nikolaus etwa weiter von Kaiser Wilhelm gewünscht haben sollte, ist sicherlich
nur in dem Sinne der baldigen Wiedererstarkung Rußlands nach innen und außen
erteilt worden, an der Deutschland ein sehr begreifliches Interesse hat.

Wenngleich sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Haltung einiger
deutscher Blätter steht, so greift stark doch in das Gebiet der auswärtigen Politik
hinüber die Haltung, die andre deutsche Organe gegenüber dem Präsidenten Roosevelt
beobachten. Dieser ist ja im Lande der absoluten Preßfreiheit in bezug auf publi¬
zistische Behandlung nicht verwöhnt, auch schadet es ihm in Amerika schwerlich, wenn
deutsche agrarische Zeitungen ihn angreifen. Aber gerade wenn in diesen Blättern
auf die Bemühungen Englands hingewiesen wird, Amerika für ein Bündnis ein-
zufangen, wenn ferner zugegeben wird, daß sich Roosevelt mit seinem unausgesetzten
Betonen der Notwendigkeit einer starken Flotte in seinen letzten Zielen gegen Eng¬
land richtet, so ist nicht recht verständlich, daß ihm zugleich dieser Standpunkt zum
Vorwurf gemacht wird. Ob Amerika recht daran getan hat, die Philippinen zu
nehmen und damit in die Reihe der Kolonialmächte zu treten und überseeische Politik
zu machen -- das zu beurteilen ist doch zunächst Sache der Amerikaner, die die
Kosten und die sonstigen Folgen zu tragen haben.

Weiterschauend als europäische Politiker haben die Amerikaner rechtzeitig das
Expansionsbedürfnis und die Expansionsfähigkeit Japans erkannt und haben es
vorgezogen, die Philippinen lieber selbst zu nehmen als sie in die Hände Japans,
Englands oder Deutschlands fallen zu lassen. Die Zeit, wo sich Amerika aus¬
schließlich seiner innern Entwicklung widmete, ist vorüber. Schon die Samoa-
cmgelegenheit, die Besitzergreifung der Hawaiinseln lehrten uns, daß die Ameri¬
kaner begannen, sich nach ihren Nachbarn auf dem Meere umzusehen. Amerika ist
nicht ein Land, sondern ein mitten in den Ozean hineingeworfner, von allen
Seiten von seinen Wogen umspülter Weltteil, der alle Zonen, alle Klimate um¬
faßt, alle Rohprodukte sein eigen nennt; daß eine solche Macht, die im Besitze der
meisten Häfen und der meisten Seeleute ist, eines Tages aus den Gedanken kommen
mußte, durch eine möglichst starke Flotte die Unangreifbarkeit nicht nur ihrer Küsten,
sondern auch ihrer Interessen gegen jeden Feind auf dem Meere zu sichern, ist
selbstverständlich. Die Ereignisse in China haben dazu ebenso den Anstoß gegeben
wie der Konflikt mit Spanien. Amerika wollte für seinen Export die offne Tür
in China erhalten sehen und wandte sich deshalb gegen jede Aufteilungspolitik.
Damit näherte es sich Deutschland, und damit war für Deutschland und die Ver¬
einigten Staaten der erste Brennpunkt großer gemeinsamer Interessen geschaffen.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Freund des Königs wie als Freund Norwegens. Es ist also nur bedauerlich, wenn
deutsche Zettungen, die auf nationalem Boden stehn und auf ihren Ruf halten, bei
ihren Kritiken nicht lieber erst zweimal zusehen, ob ihr Platz im gegebnen Falle nicht
besser hinter ihrem Kaiser und hinter der das Reichsbanner tragenden Leitung der
deutschen Politik wäre, anstatt dem feindlichen Ausland und der Sozialdemokratie
als Parteigänger und Schrittmacher zu dienen. Merkwürdig, wie sehr im Lande der
allgemeinen Wehrpflicht doch unsrer Presse dem Auslande gegenüber der Begriff
„in Reih und Glied," der Begriff des einsichtsvollen Dienens fehlt, des Dienens nicht
einer Person, sondern dem Vaterlande! Oder soll es dem Lande ein Dienst sein, wenn
der Kaiser und die Leitung der deutschen Politik, zumal in den jetzigen schwierigen
und recht ernsten Zeiten, dem Auslande gegenüber fortdauernd in ebenso unbedachter
wie unbegründeter Weise herabgesetzt werden? Etwas mehr vom Geschäft als die
Essener Redaktion werden Kaiser und Kanzler ja doch wohl verstehn.

Voraussichtlich wird die Begegnung des Kaisers mit dem Kaiser Nikolaus
in gewissen Blättern auch nur vom Standpunkt der „Überraschung" und der „per¬
sönlichen Eingebung" beurteilt werden, obgleich sie vom menschlichen wie vom
monarchischen und Politischen Standpunkte hinlänglich erklärlich und begreiflich ist.
Es ist schon vor einigen Wochen an dieser Stelle auf die Dienste hingewiesen worden,
die Kaiser Wilhelm dem Zaren in der Friedensfrage geleistet hat; jeder Rat, den
Kaiser Nikolaus etwa weiter von Kaiser Wilhelm gewünscht haben sollte, ist sicherlich
nur in dem Sinne der baldigen Wiedererstarkung Rußlands nach innen und außen
erteilt worden, an der Deutschland ein sehr begreifliches Interesse hat.

Wenngleich sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Haltung einiger
deutscher Blätter steht, so greift stark doch in das Gebiet der auswärtigen Politik
hinüber die Haltung, die andre deutsche Organe gegenüber dem Präsidenten Roosevelt
beobachten. Dieser ist ja im Lande der absoluten Preßfreiheit in bezug auf publi¬
zistische Behandlung nicht verwöhnt, auch schadet es ihm in Amerika schwerlich, wenn
deutsche agrarische Zeitungen ihn angreifen. Aber gerade wenn in diesen Blättern
auf die Bemühungen Englands hingewiesen wird, Amerika für ein Bündnis ein-
zufangen, wenn ferner zugegeben wird, daß sich Roosevelt mit seinem unausgesetzten
Betonen der Notwendigkeit einer starken Flotte in seinen letzten Zielen gegen Eng¬
land richtet, so ist nicht recht verständlich, daß ihm zugleich dieser Standpunkt zum
Vorwurf gemacht wird. Ob Amerika recht daran getan hat, die Philippinen zu
nehmen und damit in die Reihe der Kolonialmächte zu treten und überseeische Politik
zu machen — das zu beurteilen ist doch zunächst Sache der Amerikaner, die die
Kosten und die sonstigen Folgen zu tragen haben.

Weiterschauend als europäische Politiker haben die Amerikaner rechtzeitig das
Expansionsbedürfnis und die Expansionsfähigkeit Japans erkannt und haben es
vorgezogen, die Philippinen lieber selbst zu nehmen als sie in die Hände Japans,
Englands oder Deutschlands fallen zu lassen. Die Zeit, wo sich Amerika aus¬
schließlich seiner innern Entwicklung widmete, ist vorüber. Schon die Samoa-
cmgelegenheit, die Besitzergreifung der Hawaiinseln lehrten uns, daß die Ameri¬
kaner begannen, sich nach ihren Nachbarn auf dem Meere umzusehen. Amerika ist
nicht ein Land, sondern ein mitten in den Ozean hineingeworfner, von allen
Seiten von seinen Wogen umspülter Weltteil, der alle Zonen, alle Klimate um¬
faßt, alle Rohprodukte sein eigen nennt; daß eine solche Macht, die im Besitze der
meisten Häfen und der meisten Seeleute ist, eines Tages aus den Gedanken kommen
mußte, durch eine möglichst starke Flotte die Unangreifbarkeit nicht nur ihrer Küsten,
sondern auch ihrer Interessen gegen jeden Feind auf dem Meere zu sichern, ist
selbstverständlich. Die Ereignisse in China haben dazu ebenso den Anstoß gegeben
wie der Konflikt mit Spanien. Amerika wollte für seinen Export die offne Tür
in China erhalten sehen und wandte sich deshalb gegen jede Aufteilungspolitik.
Damit näherte es sich Deutschland, und damit war für Deutschland und die Ver¬
einigten Staaten der erste Brennpunkt großer gemeinsamer Interessen geschaffen.


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[0229] Maßgebliches und Unmaßgebliches Freund des Königs wie als Freund Norwegens. Es ist also nur bedauerlich, wenn deutsche Zettungen, die auf nationalem Boden stehn und auf ihren Ruf halten, bei ihren Kritiken nicht lieber erst zweimal zusehen, ob ihr Platz im gegebnen Falle nicht besser hinter ihrem Kaiser und hinter der das Reichsbanner tragenden Leitung der deutschen Politik wäre, anstatt dem feindlichen Ausland und der Sozialdemokratie als Parteigänger und Schrittmacher zu dienen. Merkwürdig, wie sehr im Lande der allgemeinen Wehrpflicht doch unsrer Presse dem Auslande gegenüber der Begriff „in Reih und Glied," der Begriff des einsichtsvollen Dienens fehlt, des Dienens nicht einer Person, sondern dem Vaterlande! Oder soll es dem Lande ein Dienst sein, wenn der Kaiser und die Leitung der deutschen Politik, zumal in den jetzigen schwierigen und recht ernsten Zeiten, dem Auslande gegenüber fortdauernd in ebenso unbedachter wie unbegründeter Weise herabgesetzt werden? Etwas mehr vom Geschäft als die Essener Redaktion werden Kaiser und Kanzler ja doch wohl verstehn. Voraussichtlich wird die Begegnung des Kaisers mit dem Kaiser Nikolaus in gewissen Blättern auch nur vom Standpunkt der „Überraschung" und der „per¬ sönlichen Eingebung" beurteilt werden, obgleich sie vom menschlichen wie vom monarchischen und Politischen Standpunkte hinlänglich erklärlich und begreiflich ist. Es ist schon vor einigen Wochen an dieser Stelle auf die Dienste hingewiesen worden, die Kaiser Wilhelm dem Zaren in der Friedensfrage geleistet hat; jeder Rat, den Kaiser Nikolaus etwa weiter von Kaiser Wilhelm gewünscht haben sollte, ist sicherlich nur in dem Sinne der baldigen Wiedererstarkung Rußlands nach innen und außen erteilt worden, an der Deutschland ein sehr begreifliches Interesse hat. Wenngleich sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Haltung einiger deutscher Blätter steht, so greift stark doch in das Gebiet der auswärtigen Politik hinüber die Haltung, die andre deutsche Organe gegenüber dem Präsidenten Roosevelt beobachten. Dieser ist ja im Lande der absoluten Preßfreiheit in bezug auf publi¬ zistische Behandlung nicht verwöhnt, auch schadet es ihm in Amerika schwerlich, wenn deutsche agrarische Zeitungen ihn angreifen. Aber gerade wenn in diesen Blättern auf die Bemühungen Englands hingewiesen wird, Amerika für ein Bündnis ein- zufangen, wenn ferner zugegeben wird, daß sich Roosevelt mit seinem unausgesetzten Betonen der Notwendigkeit einer starken Flotte in seinen letzten Zielen gegen Eng¬ land richtet, so ist nicht recht verständlich, daß ihm zugleich dieser Standpunkt zum Vorwurf gemacht wird. Ob Amerika recht daran getan hat, die Philippinen zu nehmen und damit in die Reihe der Kolonialmächte zu treten und überseeische Politik zu machen — das zu beurteilen ist doch zunächst Sache der Amerikaner, die die Kosten und die sonstigen Folgen zu tragen haben. Weiterschauend als europäische Politiker haben die Amerikaner rechtzeitig das Expansionsbedürfnis und die Expansionsfähigkeit Japans erkannt und haben es vorgezogen, die Philippinen lieber selbst zu nehmen als sie in die Hände Japans, Englands oder Deutschlands fallen zu lassen. Die Zeit, wo sich Amerika aus¬ schließlich seiner innern Entwicklung widmete, ist vorüber. Schon die Samoa- cmgelegenheit, die Besitzergreifung der Hawaiinseln lehrten uns, daß die Ameri¬ kaner begannen, sich nach ihren Nachbarn auf dem Meere umzusehen. Amerika ist nicht ein Land, sondern ein mitten in den Ozean hineingeworfner, von allen Seiten von seinen Wogen umspülter Weltteil, der alle Zonen, alle Klimate um¬ faßt, alle Rohprodukte sein eigen nennt; daß eine solche Macht, die im Besitze der meisten Häfen und der meisten Seeleute ist, eines Tages aus den Gedanken kommen mußte, durch eine möglichst starke Flotte die Unangreifbarkeit nicht nur ihrer Küsten, sondern auch ihrer Interessen gegen jeden Feind auf dem Meere zu sichern, ist selbstverständlich. Die Ereignisse in China haben dazu ebenso den Anstoß gegeben wie der Konflikt mit Spanien. Amerika wollte für seinen Export die offne Tür in China erhalten sehen und wandte sich deshalb gegen jede Aufteilungspolitik. Damit näherte es sich Deutschland, und damit war für Deutschland und die Ver¬ einigten Staaten der erste Brennpunkt großer gemeinsamer Interessen geschaffen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/229>, abgerufen am 19.10.2024.