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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Fremdenlegionen

zur Verteidigung der Vorlage die Worte gebraucht, daß wir selbstherrlich
werden müßten, daß wir auf freiem Erdenrund keine Knechte im Dienste
andrer mehr zu sein brauchten.

Das war ein starkes Manneswort und für den, der die Geschichte nicht
nur als Tabelle im Gedächtnis mit sich herumtrüge, von greifbaren Inhalt.
Trotzdem wurde damals von den Sozialdemokraten die Redewendung als eine
leere Phrase bezeichnet und zugleich darauf hingewiesen, daß wenn überhaupt
von Knechtschaft die Rede sein könne, der Vertreter der Regierung, der den
Mund so voll nehme, in die Zeit zurückschauen solle, wo deutsche Landes¬
fürsten ihre eignen Untertanen als Söldlinge an fremde Mächte verschachert
hätten.

Noch jetzt, wenn man sich diesen wilden Angriff auf den Grafen Bülow
ins Gedächtnis zurückruft, muß man sich darüber wundern, daß in den Reihen
der nationalen Parteien kein Redner die einzig richtige Antwort darauf ge¬
funden hat. Wenn die Parteimitglieder, die den Worten ihres Redners das
rauschende Bravo zuriefen, davon keine Ahnung hatten, daß sie sich mit diesem
Beifall selber ins Gesicht schlugen, so hätte ihnen doch die Gegenpartei eine
satirische Beleuchtung nicht ersparen dürfen. Es ist die Frage, wer den landes¬
herrlichen Partikularismus, unter dem der schmähliche Menschenschacher ge¬
schehen konnte, endgiltig aus dem Lande gejagt hat. Das haben nicht die
Redner aus der Paulskirche in Frankfurt, auch nicht die ganze Demokratie
aus den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts getan, sondern der viel¬
geschmähte preußische Militarismus, den ein großer Mann in die Hand nahm
und als eisernen Kehrbesen gebrauchte, das alte Gerümpel aus den Ecken zu
fegen, nachdem sich die Zeit erfüllt hatte.

Die Zeiten haben sich von Grund aus geändert. Auch in Italien gibt
es keine Frage mehr, die einen Garibaldi veranlassen könnte, ihre Lösung an
der Spitze von Freischaren zu versuchen. Nur das Oberhaupt der römisch¬
katholischen Kirche hat sich noch nicht in das freie staatliche Gefüge finden
können, aber die internationalen, konfessionell gebundnen Legionen, die diese
Weltmacht ausschickt, um Verlorne Posten wieder zu gewinnen, sind andrer
Art, als die von Staats wegen unter Donner und Blitz der Kanonen im
Felde stehn. England ist von allen europäischen Großstaaten der einzige, der
in der nationalen Heeresrüstung noch rückständig ist, nicht bloß mit seiner
Landmacht, sondern auch mit seiner Marine. Die englische Flotte beherrscht
noch immer das Meer, aber wie gewaltig sie auch ist, so hat sie doch ihre
verwundbare Stelle. Abgesehen davon, daß die Bemannung für alle die vielen
Kriegsschiffe, mit denen Großbritannien feinen riesigen Länderbesitz schützen
will, nicht ausreicht, ist auch die vorhandne mit einem starken Prozentsatz
von Angehörigen fremder Nationen durchsetzt. Das braucht noch nicht ge¬
fährlich zu sein, aber es kann in dem Zusammenstoß mit mehreren Mächten,
die in der Vereinigung der englischen Macht gewachsen sind, verhängnisvoll
werden.

In dem Landkriege mit dem kleinen Volke der Buren ist der Mangel
einer auf nationaler Aushebung beruhenden Wehrkraft den Engländern schon


Fremdenlegionen

zur Verteidigung der Vorlage die Worte gebraucht, daß wir selbstherrlich
werden müßten, daß wir auf freiem Erdenrund keine Knechte im Dienste
andrer mehr zu sein brauchten.

Das war ein starkes Manneswort und für den, der die Geschichte nicht
nur als Tabelle im Gedächtnis mit sich herumtrüge, von greifbaren Inhalt.
Trotzdem wurde damals von den Sozialdemokraten die Redewendung als eine
leere Phrase bezeichnet und zugleich darauf hingewiesen, daß wenn überhaupt
von Knechtschaft die Rede sein könne, der Vertreter der Regierung, der den
Mund so voll nehme, in die Zeit zurückschauen solle, wo deutsche Landes¬
fürsten ihre eignen Untertanen als Söldlinge an fremde Mächte verschachert
hätten.

Noch jetzt, wenn man sich diesen wilden Angriff auf den Grafen Bülow
ins Gedächtnis zurückruft, muß man sich darüber wundern, daß in den Reihen
der nationalen Parteien kein Redner die einzig richtige Antwort darauf ge¬
funden hat. Wenn die Parteimitglieder, die den Worten ihres Redners das
rauschende Bravo zuriefen, davon keine Ahnung hatten, daß sie sich mit diesem
Beifall selber ins Gesicht schlugen, so hätte ihnen doch die Gegenpartei eine
satirische Beleuchtung nicht ersparen dürfen. Es ist die Frage, wer den landes¬
herrlichen Partikularismus, unter dem der schmähliche Menschenschacher ge¬
schehen konnte, endgiltig aus dem Lande gejagt hat. Das haben nicht die
Redner aus der Paulskirche in Frankfurt, auch nicht die ganze Demokratie
aus den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts getan, sondern der viel¬
geschmähte preußische Militarismus, den ein großer Mann in die Hand nahm
und als eisernen Kehrbesen gebrauchte, das alte Gerümpel aus den Ecken zu
fegen, nachdem sich die Zeit erfüllt hatte.

Die Zeiten haben sich von Grund aus geändert. Auch in Italien gibt
es keine Frage mehr, die einen Garibaldi veranlassen könnte, ihre Lösung an
der Spitze von Freischaren zu versuchen. Nur das Oberhaupt der römisch¬
katholischen Kirche hat sich noch nicht in das freie staatliche Gefüge finden
können, aber die internationalen, konfessionell gebundnen Legionen, die diese
Weltmacht ausschickt, um Verlorne Posten wieder zu gewinnen, sind andrer
Art, als die von Staats wegen unter Donner und Blitz der Kanonen im
Felde stehn. England ist von allen europäischen Großstaaten der einzige, der
in der nationalen Heeresrüstung noch rückständig ist, nicht bloß mit seiner
Landmacht, sondern auch mit seiner Marine. Die englische Flotte beherrscht
noch immer das Meer, aber wie gewaltig sie auch ist, so hat sie doch ihre
verwundbare Stelle. Abgesehen davon, daß die Bemannung für alle die vielen
Kriegsschiffe, mit denen Großbritannien feinen riesigen Länderbesitz schützen
will, nicht ausreicht, ist auch die vorhandne mit einem starken Prozentsatz
von Angehörigen fremder Nationen durchsetzt. Das braucht noch nicht ge¬
fährlich zu sein, aber es kann in dem Zusammenstoß mit mehreren Mächten,
die in der Vereinigung der englischen Macht gewachsen sind, verhängnisvoll
werden.

In dem Landkriege mit dem kleinen Volke der Buren ist der Mangel
einer auf nationaler Aushebung beruhenden Wehrkraft den Engländern schon


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[0128] Fremdenlegionen zur Verteidigung der Vorlage die Worte gebraucht, daß wir selbstherrlich werden müßten, daß wir auf freiem Erdenrund keine Knechte im Dienste andrer mehr zu sein brauchten. Das war ein starkes Manneswort und für den, der die Geschichte nicht nur als Tabelle im Gedächtnis mit sich herumtrüge, von greifbaren Inhalt. Trotzdem wurde damals von den Sozialdemokraten die Redewendung als eine leere Phrase bezeichnet und zugleich darauf hingewiesen, daß wenn überhaupt von Knechtschaft die Rede sein könne, der Vertreter der Regierung, der den Mund so voll nehme, in die Zeit zurückschauen solle, wo deutsche Landes¬ fürsten ihre eignen Untertanen als Söldlinge an fremde Mächte verschachert hätten. Noch jetzt, wenn man sich diesen wilden Angriff auf den Grafen Bülow ins Gedächtnis zurückruft, muß man sich darüber wundern, daß in den Reihen der nationalen Parteien kein Redner die einzig richtige Antwort darauf ge¬ funden hat. Wenn die Parteimitglieder, die den Worten ihres Redners das rauschende Bravo zuriefen, davon keine Ahnung hatten, daß sie sich mit diesem Beifall selber ins Gesicht schlugen, so hätte ihnen doch die Gegenpartei eine satirische Beleuchtung nicht ersparen dürfen. Es ist die Frage, wer den landes¬ herrlichen Partikularismus, unter dem der schmähliche Menschenschacher ge¬ schehen konnte, endgiltig aus dem Lande gejagt hat. Das haben nicht die Redner aus der Paulskirche in Frankfurt, auch nicht die ganze Demokratie aus den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts getan, sondern der viel¬ geschmähte preußische Militarismus, den ein großer Mann in die Hand nahm und als eisernen Kehrbesen gebrauchte, das alte Gerümpel aus den Ecken zu fegen, nachdem sich die Zeit erfüllt hatte. Die Zeiten haben sich von Grund aus geändert. Auch in Italien gibt es keine Frage mehr, die einen Garibaldi veranlassen könnte, ihre Lösung an der Spitze von Freischaren zu versuchen. Nur das Oberhaupt der römisch¬ katholischen Kirche hat sich noch nicht in das freie staatliche Gefüge finden können, aber die internationalen, konfessionell gebundnen Legionen, die diese Weltmacht ausschickt, um Verlorne Posten wieder zu gewinnen, sind andrer Art, als die von Staats wegen unter Donner und Blitz der Kanonen im Felde stehn. England ist von allen europäischen Großstaaten der einzige, der in der nationalen Heeresrüstung noch rückständig ist, nicht bloß mit seiner Landmacht, sondern auch mit seiner Marine. Die englische Flotte beherrscht noch immer das Meer, aber wie gewaltig sie auch ist, so hat sie doch ihre verwundbare Stelle. Abgesehen davon, daß die Bemannung für alle die vielen Kriegsschiffe, mit denen Großbritannien feinen riesigen Länderbesitz schützen will, nicht ausreicht, ist auch die vorhandne mit einem starken Prozentsatz von Angehörigen fremder Nationen durchsetzt. Das braucht noch nicht ge¬ fährlich zu sein, aber es kann in dem Zusammenstoß mit mehreren Mächten, die in der Vereinigung der englischen Macht gewachsen sind, verhängnisvoll werden. In dem Landkriege mit dem kleinen Volke der Buren ist der Mangel einer auf nationaler Aushebung beruhenden Wehrkraft den Engländern schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/128>, abgerufen am 19.10.2024.