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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

gelegt hatten, wodurch der Hafen ein ungemein buntes Aussehen erhielt. Was die
Veranlassung dazu war, habe ich nicht in Erfahrung gebracht.

Von Hamburg reiste ich mit dem Dampfer nach Harburg, von dort wanderte
ich über Stade nach Bremerhaven."

In Bremerhaven gab es damals zwei Herbergen, den "Anker und den
"Schlüssel." In diesem kehrte ich ein und erstaunte nicht wenig, als den Abend
um sechs ein Mann eintrat, der die anwesenden Kunden einlud, der christlichen An¬
dacht der Baptistengemeinde beizuwohnen. Ich ging mit einigen andern hin und
hörte die Predigt, an deren Schluß der Geistliche erklärte, jeder müsse ein Neues
Testament haben, und uns riet, ein solches bei ihm für zweiunddreißig Pfennige zu
kaufen. Bei der Besichtigung des Hafens sah ich mir auch den großen Hof des
Norddeutschen Lloyds an, wo mir ganz besonders eine Art Rumpelkammer auffiel,
worin defekte Schiffsteile, wie Anker, Schiffsschrauben, Ketten, Maschinenteile usw.,
aufbewahrt wurden. Sehr merkwürdig war auch das Verladen einer etwa tansend-
köpfigen Schafherde. Diese Tiere wurden an Bord in eine Art von großer Hürde
eingepfercht und dann auf schrägliegender Bretterbahnen drei Etagen tief in den
Schiffsraum hinunterbefördert, was auf eine ziemlich einfache Weise geschah. Man
ergriff ein beliebiges Stück der Herde, ließ es die Bretterbahn hinunterrutschen,
worauf sich die übrigen von selbst nachstürzten. Unten wurde das zuerst angekommne
Schaf ergriffen, und die zweite und schließlich auch die dritte Bretterbahn hinunter¬
befördert, wobei sich der Vorgang mit den übrigen Schafen wiederholte.

Auf der Wanderung von Bremerhaven nach Vegesack kam ich auch durch das
Teufelsmoor, wo einzelne Dörfer sind, deren Höfe sehr weit auseinander zerstreut
liegen. Wenn man die Dorfstraße passierte, so mußte man bald nach rechts, bald
nach links einige Minuten weit gehn, ehe man ein Bauernhaus erreichte. Solche
Verhältnisse sind für einen Kunden, da sie viel Zeitverlust mit sich bringen, nicht
günstig, sie wurden aber einigermaßen dadurch wieder gebessert, daß die Kaffern
gut steckten. Die Wege waren allerdings so mit Schlamm bedeckt, daß man bis
an die Knöchel darin waten mußte. Das Teufelsmoor ist eine malerische Gegend,
die eigentlich einen bessern Namen verdient hätte. Namentlich sah ich dort schöne
alte Eichen, in deren Schatten imposante Bauernhöfe lagen. Bei einem der Bauern
erhielt ich eine sehr ansehnliche Wurst, von der ich mir einen großen Genuß ver¬
sprach. Als ich sie am Abend in Scharmbeck auf der Herberge verzehren wollte,
stellte es sich jedoch heraus, daß sie nichts als Blut enthielt. Ich ließ sie mir in
Fett braten und hatte so immerhin ein leidliches Abendessen. Vegesack ist ein
hübsches Städtchen mit lebhafter Zigarrenindustrie und zugleich der Wohnsitz vieler
Schiffskapitäne. Ich traf dort einen "Sonnenschmied" (Klempner), der ins Olden¬
burgische wollte, wovon ihm der Herbergsvater entschieden abriet, weil es dort sehr
heiß sei. Der Klempner ließ sich aber dadurch nicht in seinem Vorsatz beirren, und
ich schloß mich ihm an. Wir fuhren über die Weser und gelangten nach Elsfleth,
wo wir einen Schulmeister trafen, der ebenfalls auf der Walze war und bei seinen
Berufsgenossen talfen ging. Es war ein rechter "Schmorbruder," der mit seinem
langen Vollbart und einer Brille eine seltsame Figur machte. Er hatte das Prinzip,
beim Einwandern in ein Dorf die Schulkinder nach der Schule zu fragen, wo er
dann seinen Kollegen in bewegten Worten eine Beschreibung seiner mißlichen Ver¬
hältnisse machte und dabei selten weniger als eine Mark erhielt. Hatte er genügend
Kies beisammen, so ging er auf die Penne und löschte seinen Durst. Von Elsfleth
kamen wir nach Brake an der Weser, wo wir ungefähr einen Tag blieben. Als
wir gerade im Begriff waren, wieder weiter zu wandern, bemerkte ich den Laden
eines Krauterers, bei dem ich noch nicht umgeschaut hatte. Ich ließ den Klempner
deshalb langsam vorangehn und ging zu dem Bäcker hinein. Als ich wieder heraus
kam, stand ein Butz vor mir, der mich fragte, was ich dadrinnen gemacht Hütte.
Ich erklärte, ich hätte nach Arbeit gefragt, und glaubte, der Butz würde mich nun
meines Weges ziehn lassen; der aber arretierte mich und nahm mich mit auf die


Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

gelegt hatten, wodurch der Hafen ein ungemein buntes Aussehen erhielt. Was die
Veranlassung dazu war, habe ich nicht in Erfahrung gebracht.

Von Hamburg reiste ich mit dem Dampfer nach Harburg, von dort wanderte
ich über Stade nach Bremerhaven."

In Bremerhaven gab es damals zwei Herbergen, den „Anker und den
„Schlüssel." In diesem kehrte ich ein und erstaunte nicht wenig, als den Abend
um sechs ein Mann eintrat, der die anwesenden Kunden einlud, der christlichen An¬
dacht der Baptistengemeinde beizuwohnen. Ich ging mit einigen andern hin und
hörte die Predigt, an deren Schluß der Geistliche erklärte, jeder müsse ein Neues
Testament haben, und uns riet, ein solches bei ihm für zweiunddreißig Pfennige zu
kaufen. Bei der Besichtigung des Hafens sah ich mir auch den großen Hof des
Norddeutschen Lloyds an, wo mir ganz besonders eine Art Rumpelkammer auffiel,
worin defekte Schiffsteile, wie Anker, Schiffsschrauben, Ketten, Maschinenteile usw.,
aufbewahrt wurden. Sehr merkwürdig war auch das Verladen einer etwa tansend-
köpfigen Schafherde. Diese Tiere wurden an Bord in eine Art von großer Hürde
eingepfercht und dann auf schrägliegender Bretterbahnen drei Etagen tief in den
Schiffsraum hinunterbefördert, was auf eine ziemlich einfache Weise geschah. Man
ergriff ein beliebiges Stück der Herde, ließ es die Bretterbahn hinunterrutschen,
worauf sich die übrigen von selbst nachstürzten. Unten wurde das zuerst angekommne
Schaf ergriffen, und die zweite und schließlich auch die dritte Bretterbahn hinunter¬
befördert, wobei sich der Vorgang mit den übrigen Schafen wiederholte.

Auf der Wanderung von Bremerhaven nach Vegesack kam ich auch durch das
Teufelsmoor, wo einzelne Dörfer sind, deren Höfe sehr weit auseinander zerstreut
liegen. Wenn man die Dorfstraße passierte, so mußte man bald nach rechts, bald
nach links einige Minuten weit gehn, ehe man ein Bauernhaus erreichte. Solche
Verhältnisse sind für einen Kunden, da sie viel Zeitverlust mit sich bringen, nicht
günstig, sie wurden aber einigermaßen dadurch wieder gebessert, daß die Kaffern
gut steckten. Die Wege waren allerdings so mit Schlamm bedeckt, daß man bis
an die Knöchel darin waten mußte. Das Teufelsmoor ist eine malerische Gegend,
die eigentlich einen bessern Namen verdient hätte. Namentlich sah ich dort schöne
alte Eichen, in deren Schatten imposante Bauernhöfe lagen. Bei einem der Bauern
erhielt ich eine sehr ansehnliche Wurst, von der ich mir einen großen Genuß ver¬
sprach. Als ich sie am Abend in Scharmbeck auf der Herberge verzehren wollte,
stellte es sich jedoch heraus, daß sie nichts als Blut enthielt. Ich ließ sie mir in
Fett braten und hatte so immerhin ein leidliches Abendessen. Vegesack ist ein
hübsches Städtchen mit lebhafter Zigarrenindustrie und zugleich der Wohnsitz vieler
Schiffskapitäne. Ich traf dort einen „Sonnenschmied" (Klempner), der ins Olden¬
burgische wollte, wovon ihm der Herbergsvater entschieden abriet, weil es dort sehr
heiß sei. Der Klempner ließ sich aber dadurch nicht in seinem Vorsatz beirren, und
ich schloß mich ihm an. Wir fuhren über die Weser und gelangten nach Elsfleth,
wo wir einen Schulmeister trafen, der ebenfalls auf der Walze war und bei seinen
Berufsgenossen talfen ging. Es war ein rechter „Schmorbruder," der mit seinem
langen Vollbart und einer Brille eine seltsame Figur machte. Er hatte das Prinzip,
beim Einwandern in ein Dorf die Schulkinder nach der Schule zu fragen, wo er
dann seinen Kollegen in bewegten Worten eine Beschreibung seiner mißlichen Ver¬
hältnisse machte und dabei selten weniger als eine Mark erhielt. Hatte er genügend
Kies beisammen, so ging er auf die Penne und löschte seinen Durst. Von Elsfleth
kamen wir nach Brake an der Weser, wo wir ungefähr einen Tag blieben. Als
wir gerade im Begriff waren, wieder weiter zu wandern, bemerkte ich den Laden
eines Krauterers, bei dem ich noch nicht umgeschaut hatte. Ich ließ den Klempner
deshalb langsam vorangehn und ging zu dem Bäcker hinein. Als ich wieder heraus
kam, stand ein Butz vor mir, der mich fragte, was ich dadrinnen gemacht Hütte.
Ich erklärte, ich hätte nach Arbeit gefragt, und glaubte, der Butz würde mich nun
meines Weges ziehn lassen; der aber arretierte mich und nahm mich mit auf die


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[0100] Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren gelegt hatten, wodurch der Hafen ein ungemein buntes Aussehen erhielt. Was die Veranlassung dazu war, habe ich nicht in Erfahrung gebracht. Von Hamburg reiste ich mit dem Dampfer nach Harburg, von dort wanderte ich über Stade nach Bremerhaven." In Bremerhaven gab es damals zwei Herbergen, den „Anker und den „Schlüssel." In diesem kehrte ich ein und erstaunte nicht wenig, als den Abend um sechs ein Mann eintrat, der die anwesenden Kunden einlud, der christlichen An¬ dacht der Baptistengemeinde beizuwohnen. Ich ging mit einigen andern hin und hörte die Predigt, an deren Schluß der Geistliche erklärte, jeder müsse ein Neues Testament haben, und uns riet, ein solches bei ihm für zweiunddreißig Pfennige zu kaufen. Bei der Besichtigung des Hafens sah ich mir auch den großen Hof des Norddeutschen Lloyds an, wo mir ganz besonders eine Art Rumpelkammer auffiel, worin defekte Schiffsteile, wie Anker, Schiffsschrauben, Ketten, Maschinenteile usw., aufbewahrt wurden. Sehr merkwürdig war auch das Verladen einer etwa tansend- köpfigen Schafherde. Diese Tiere wurden an Bord in eine Art von großer Hürde eingepfercht und dann auf schrägliegender Bretterbahnen drei Etagen tief in den Schiffsraum hinunterbefördert, was auf eine ziemlich einfache Weise geschah. Man ergriff ein beliebiges Stück der Herde, ließ es die Bretterbahn hinunterrutschen, worauf sich die übrigen von selbst nachstürzten. Unten wurde das zuerst angekommne Schaf ergriffen, und die zweite und schließlich auch die dritte Bretterbahn hinunter¬ befördert, wobei sich der Vorgang mit den übrigen Schafen wiederholte. Auf der Wanderung von Bremerhaven nach Vegesack kam ich auch durch das Teufelsmoor, wo einzelne Dörfer sind, deren Höfe sehr weit auseinander zerstreut liegen. Wenn man die Dorfstraße passierte, so mußte man bald nach rechts, bald nach links einige Minuten weit gehn, ehe man ein Bauernhaus erreichte. Solche Verhältnisse sind für einen Kunden, da sie viel Zeitverlust mit sich bringen, nicht günstig, sie wurden aber einigermaßen dadurch wieder gebessert, daß die Kaffern gut steckten. Die Wege waren allerdings so mit Schlamm bedeckt, daß man bis an die Knöchel darin waten mußte. Das Teufelsmoor ist eine malerische Gegend, die eigentlich einen bessern Namen verdient hätte. Namentlich sah ich dort schöne alte Eichen, in deren Schatten imposante Bauernhöfe lagen. Bei einem der Bauern erhielt ich eine sehr ansehnliche Wurst, von der ich mir einen großen Genuß ver¬ sprach. Als ich sie am Abend in Scharmbeck auf der Herberge verzehren wollte, stellte es sich jedoch heraus, daß sie nichts als Blut enthielt. Ich ließ sie mir in Fett braten und hatte so immerhin ein leidliches Abendessen. Vegesack ist ein hübsches Städtchen mit lebhafter Zigarrenindustrie und zugleich der Wohnsitz vieler Schiffskapitäne. Ich traf dort einen „Sonnenschmied" (Klempner), der ins Olden¬ burgische wollte, wovon ihm der Herbergsvater entschieden abriet, weil es dort sehr heiß sei. Der Klempner ließ sich aber dadurch nicht in seinem Vorsatz beirren, und ich schloß mich ihm an. Wir fuhren über die Weser und gelangten nach Elsfleth, wo wir einen Schulmeister trafen, der ebenfalls auf der Walze war und bei seinen Berufsgenossen talfen ging. Es war ein rechter „Schmorbruder," der mit seinem langen Vollbart und einer Brille eine seltsame Figur machte. Er hatte das Prinzip, beim Einwandern in ein Dorf die Schulkinder nach der Schule zu fragen, wo er dann seinen Kollegen in bewegten Worten eine Beschreibung seiner mißlichen Ver¬ hältnisse machte und dabei selten weniger als eine Mark erhielt. Hatte er genügend Kies beisammen, so ging er auf die Penne und löschte seinen Durst. Von Elsfleth kamen wir nach Brake an der Weser, wo wir ungefähr einen Tag blieben. Als wir gerade im Begriff waren, wieder weiter zu wandern, bemerkte ich den Laden eines Krauterers, bei dem ich noch nicht umgeschaut hatte. Ich ließ den Klempner deshalb langsam vorangehn und ging zu dem Bäcker hinein. Als ich wieder heraus kam, stand ein Butz vor mir, der mich fragte, was ich dadrinnen gemacht Hütte. Ich erklärte, ich hätte nach Arbeit gefragt, und glaubte, der Butz würde mich nun meines Weges ziehn lassen; der aber arretierte mich und nahm mich mit auf die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/100>, abgerufen am 19.10.2024.