Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Beschickung der Konferenz abhängig zu machen. Er war nicht schlecht beraten, daß Herr Rouvier wird seinen Weg hoffentlich finden, wenn er auf seinen eignen Es ist begreiflich, daß die nicht wegzuleugnende Tatsache einer Spannung mit Der Wunsch aller derer, die Herz und Verständnis für die Flotte haben, geht Beschickung der Konferenz abhängig zu machen. Er war nicht schlecht beraten, daß Herr Rouvier wird seinen Weg hoffentlich finden, wenn er auf seinen eignen Es ist begreiflich, daß die nicht wegzuleugnende Tatsache einer Spannung mit Der Wunsch aller derer, die Herz und Verständnis für die Flotte haben, geht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0745" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297124"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_3494" prev="#ID_3493"> Beschickung der Konferenz abhängig zu machen. Er war nicht schlecht beraten, daß<lb/> er seine Note an Deutschland einer Anzahl andrer Mächte mitteilen ließ, die schon<lb/> aus Höflichkeit nicht umhin kannten, sie „maßvoll und versöhnlich" zu finden. Er<lb/> hat wie ein gewandter Schauspieler durch einen geschickten Trick den Beifall des<lb/> Publikums gegenüber seinen Nivnlen im voraus auf seine Seite zu bringen gesucht.<lb/> Jedoch das Stück ist noch nicht aus, und wer zuletzt lacht, lacht am besten. Das<lb/> Spiel durch gegenseitiges Ballzuwerfen in die Länge zu ziehn, um den Franzosen<lb/> das Benefizium des iutoriw g,Il<Ma ut zuzuwenden, ist Deutschland nicht geneigt.<lb/> Auf deutsche Vorschläge, über die dann endlos diskutiert werden kann, ist somit<lb/> nicht zu rechnen, anch über die Vorschläge, die der Sultan nun etwa machen sollte,<lb/> wird Deutschland außerhalb der Konferenz schwerlich in Erörterungen eintreten.<lb/> Das hieße ebenso der Konferenz und ihrer Arbeit vorgreifen, wie die souveräne<lb/> Stellung des Sultaus ignorieren. Es ist also nicht anzunehmen, daß beide Mächte<lb/> vor der Konferenz zu dem Einvernehmen gelangen, das vielleicht möglich gewesen<lb/> wäre, wenn Frankreich vor Jahresfrist den Vertrag mit England und zugleich seineu<lb/> Reformplan in Berlin mitgeteilt hätte, bevor es in Fes an die Arbeit ging. Jetzt<lb/> hat Deutschland seineu grundsätzlichen Standpunkt genommen, den es über die Zusage<lb/> hinaus, daß Frankreichs Zukunft in Marokko innerhalb gewisser Grenzen offen bleiben<lb/> soll, nicht aufgeben kann. Voraussichtlich wird ja der Sultan an Stelle einer aus¬<lb/> schließlich französischen Reform eine internationale vorschlagen; es wäre ein<lb/> großer Fehler der französischen Politik, wenn sie die bekannten zwei Tauben auf<lb/> dem Dache der einen Taube in der Hand vorziehen sollte. Weder der Kammer<lb/> noch der öffentlichen Meinung Frankreichs kann das als ein Rückzug erscheinen, nach¬<lb/> dem dort alle Welt darüber einig war, Herrn Delcassös Politik zu verurteile».</p><lb/> <p xml:id="ID_3495"> Herr Rouvier wird seinen Weg hoffentlich finden, wenn er auf seinen eignen<lb/> praktischen gesunden Menschenverstand und nicht auf die Delcassesche Tradition der<lb/> Beamten seines Ressorts oder auf die Kolonialfanatiker der Kammer hört. Was<lb/> England anlangt, so wird sich Herr Rouvier aus der Tatsache, daß die englische<lb/> Regierung erklärt, sie werde ihre Entschließung über die Konferenz von dem Er¬<lb/> gebnis der jetzigen deutsch-französischen Verhandlungen abhängig machen, während<lb/> der Botschafter in Paris dort gegen die Konfereuzidee arbeitet, sicherlich seinen<lb/> Vers machen. War er es doch, der im „Temps" ankündigen ließ, Frankreich werde<lb/> sich nicht dazu hergeben, für England die Kastanien aus dem Feuer zu holen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3496"> Es ist begreiflich, daß die nicht wegzuleugnende Tatsache einer Spannung mit<lb/> England, die ebenso in den Beziehungen der beiden Höfe wie in dem Verhalten<lb/> der englischen Diplomatie und der englischen Presse zutage tritt, die Blicke in<lb/> Deutschland immer wieder auf die Flotte lenkt. Die Engländer, die die deutsche<lb/> Flotte als eine Gefahr für Großbritannien ausschreien, arbeiten bewußt oder unbe¬<lb/> wußt mit maßlosen Übertreibungen. Vorläufig ist eine deutsche Flotte erst in<lb/> minimalen Anfängen vorhanden. Unter den 38 Linienschiffen, die wir dereinst<lb/> nach dem Flottengesetz haben sollen, sind 13 alte Kasten: der Badenklasse (mit<lb/> Einschluß der Oldenburg 5) und der Ägirklasse (8), die der schweren Artillerie<lb/> moderner Linienschiffe gegenüber kaum für Küsten- und Hafenverteidigung anzu¬<lb/> sprechen sind. Ur. 38 fehlt noch gänzlich und kommt erst 1906 auf den Stapel.<lb/> Von den vorhnndnen 24 Linienschiffen gehören 4 der veralteten Brandcuburgklasse<lb/> an, 10 Schiffe der Kaiserklasse und der Wittelsbachklasse stehn nicht auf der Höhe<lb/> in Artillerie, Panzerung und Kohlenfassungsvermögen. Nur die 10 Schiffe der<lb/> Brauuschweigklasse und der im Bau begriffnen Deutschlandklasse nähern sich in<lb/> Deplacement und Panzerung den modernen großen Linienschiffe der andern Mächte;<lb/> in der schweren Artillerie leider auch noch nicht, da sie den 30-Zentimetergeschützen<lb/> jener nnr 23-Zentimetergeschütze entgegenzusetzen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_3497" next="#ID_3498"> Der Wunsch aller derer, die Herz und Verständnis für die Flotte haben, geht<lb/> somit natürlicherweise dahin, die vierzehn falschen Figuranten sobald als möglich<lb/> durch erstklassige Linienschiffe ersetzt zu sehen, die es in Bewaffnung, Schnelligkeit,<lb/> Panzerung und Kohlenfassungsvermögen mit den neuen Schöpfungen der andern</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0745]
Beschickung der Konferenz abhängig zu machen. Er war nicht schlecht beraten, daß
er seine Note an Deutschland einer Anzahl andrer Mächte mitteilen ließ, die schon
aus Höflichkeit nicht umhin kannten, sie „maßvoll und versöhnlich" zu finden. Er
hat wie ein gewandter Schauspieler durch einen geschickten Trick den Beifall des
Publikums gegenüber seinen Nivnlen im voraus auf seine Seite zu bringen gesucht.
Jedoch das Stück ist noch nicht aus, und wer zuletzt lacht, lacht am besten. Das
Spiel durch gegenseitiges Ballzuwerfen in die Länge zu ziehn, um den Franzosen
das Benefizium des iutoriw g,Il<Ma ut zuzuwenden, ist Deutschland nicht geneigt.
Auf deutsche Vorschläge, über die dann endlos diskutiert werden kann, ist somit
nicht zu rechnen, anch über die Vorschläge, die der Sultan nun etwa machen sollte,
wird Deutschland außerhalb der Konferenz schwerlich in Erörterungen eintreten.
Das hieße ebenso der Konferenz und ihrer Arbeit vorgreifen, wie die souveräne
Stellung des Sultaus ignorieren. Es ist also nicht anzunehmen, daß beide Mächte
vor der Konferenz zu dem Einvernehmen gelangen, das vielleicht möglich gewesen
wäre, wenn Frankreich vor Jahresfrist den Vertrag mit England und zugleich seineu
Reformplan in Berlin mitgeteilt hätte, bevor es in Fes an die Arbeit ging. Jetzt
hat Deutschland seineu grundsätzlichen Standpunkt genommen, den es über die Zusage
hinaus, daß Frankreichs Zukunft in Marokko innerhalb gewisser Grenzen offen bleiben
soll, nicht aufgeben kann. Voraussichtlich wird ja der Sultan an Stelle einer aus¬
schließlich französischen Reform eine internationale vorschlagen; es wäre ein
großer Fehler der französischen Politik, wenn sie die bekannten zwei Tauben auf
dem Dache der einen Taube in der Hand vorziehen sollte. Weder der Kammer
noch der öffentlichen Meinung Frankreichs kann das als ein Rückzug erscheinen, nach¬
dem dort alle Welt darüber einig war, Herrn Delcassös Politik zu verurteile».
Herr Rouvier wird seinen Weg hoffentlich finden, wenn er auf seinen eignen
praktischen gesunden Menschenverstand und nicht auf die Delcassesche Tradition der
Beamten seines Ressorts oder auf die Kolonialfanatiker der Kammer hört. Was
England anlangt, so wird sich Herr Rouvier aus der Tatsache, daß die englische
Regierung erklärt, sie werde ihre Entschließung über die Konferenz von dem Er¬
gebnis der jetzigen deutsch-französischen Verhandlungen abhängig machen, während
der Botschafter in Paris dort gegen die Konfereuzidee arbeitet, sicherlich seinen
Vers machen. War er es doch, der im „Temps" ankündigen ließ, Frankreich werde
sich nicht dazu hergeben, für England die Kastanien aus dem Feuer zu holen.
Es ist begreiflich, daß die nicht wegzuleugnende Tatsache einer Spannung mit
England, die ebenso in den Beziehungen der beiden Höfe wie in dem Verhalten
der englischen Diplomatie und der englischen Presse zutage tritt, die Blicke in
Deutschland immer wieder auf die Flotte lenkt. Die Engländer, die die deutsche
Flotte als eine Gefahr für Großbritannien ausschreien, arbeiten bewußt oder unbe¬
wußt mit maßlosen Übertreibungen. Vorläufig ist eine deutsche Flotte erst in
minimalen Anfängen vorhanden. Unter den 38 Linienschiffen, die wir dereinst
nach dem Flottengesetz haben sollen, sind 13 alte Kasten: der Badenklasse (mit
Einschluß der Oldenburg 5) und der Ägirklasse (8), die der schweren Artillerie
moderner Linienschiffe gegenüber kaum für Küsten- und Hafenverteidigung anzu¬
sprechen sind. Ur. 38 fehlt noch gänzlich und kommt erst 1906 auf den Stapel.
Von den vorhnndnen 24 Linienschiffen gehören 4 der veralteten Brandcuburgklasse
an, 10 Schiffe der Kaiserklasse und der Wittelsbachklasse stehn nicht auf der Höhe
in Artillerie, Panzerung und Kohlenfassungsvermögen. Nur die 10 Schiffe der
Brauuschweigklasse und der im Bau begriffnen Deutschlandklasse nähern sich in
Deplacement und Panzerung den modernen großen Linienschiffe der andern Mächte;
in der schweren Artillerie leider auch noch nicht, da sie den 30-Zentimetergeschützen
jener nnr 23-Zentimetergeschütze entgegenzusetzen haben.
Der Wunsch aller derer, die Herz und Verständnis für die Flotte haben, geht
somit natürlicherweise dahin, die vierzehn falschen Figuranten sobald als möglich
durch erstklassige Linienschiffe ersetzt zu sehen, die es in Bewaffnung, Schnelligkeit,
Panzerung und Kohlenfassungsvermögen mit den neuen Schöpfungen der andern
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