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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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währendes Vivatrufen" zu hören war. Der spätere General von Vieth, der
damals mit dem Major von Weint die Honneurs machte, erzählt davon: "Der
König war so heiter, daß er gegen seine Gewohnheit dem Publikum den Eintritt
in das Tafelzimmer während der Abendtafel gestattete. Vor der Tafel besuchte
er den Dom. Neben dem Grabmal Friedrichs des streitbaren war eine Stein¬
platte eingesunken. Der Kirchner berichtete ihm, daß sich die Platte unter der Last
einiger französischer Offiziere gesenkt habe, die bet dem neulichen Truppendurchmarsch
den Dom besucht hätten. Halblaut, doch vernehmbar sagte der König: Uauvs-is
suKurs."

Ein halbes Jahr später, am 14. Dezember, flog der Schlitten, der den ge¬
schlagner Napoleon von den blutgetränkten Schneefeldern Rußlands nach Paris
brachte, auch durch Meißen. Napoleon wurde erkannt, aber kein Arm erhob sich
gegen den Mann, der die glänzende sächsische Kavallerie bei Borodino ins Ver¬
derben geschickt hatte: noch war die Welt in Schrecken gefesselt. Ein Vierteljahr
später, in der Nacht vom 12. zum 13. März 1813, brannte Davoust die Meißner
Elbbrücke ab: "Eine Bitte des Rats um Schonung wurde barsch zurückgewiesen.
Da sich bei Zaschendorf einige Kosaken sehen ließen, so wanderte nach elf Uhr die
Brandfackel in der Brücke herum. Ein dumpfer Druck lag auf der ungeheuern
Menschenmenge, die die Straßen erfüllte und sich an beiden Ufern drängte. Um
Mitternacht schon bildeten beide Fache eine einzige feurige Masse, von der die
Flamme turmhoch emporloderte." Interessante Bilder dieses Brückenbrandes und
des Treibens der Kosaken und der Baschkiren in und um Meißen aus dieser Zeit
sind in großer Anzahl im Museum des Geschichtsvereins vorhanden. Jedoch noch
einmal kam in den Vormarsch der Verbündeten Preußen und Russen eine rückläufige
Bewegung: nachdem ihr Angriff auf die Flanke der nach Leipzig marschierenden
Franzosen am 2. Mai bei Groß-Görschen gescheitert war, mußten sie über die Elbe
zurück, und so fanden denn vom 8. bis zum 10. Mai bei Meißen heftige Gefechte
statt, deren Spuren noch an vielen Orten, zum Beispiel am Siebeneichener Förster¬
hause und an der Friedhofsmauer des Martinsberges, erkennbar sind. Zum letzten¬
mal sah Napoleon die Stadt am 7. Oktober, als er, zum Abmarsch aus der Elb-
linie ans die Gefilde von Leipzig entschlossen, im Adamschen Hause am Markt
(Wittig und Fritzsche) einige Stunden in mürrischer Laune verbrachte. Die ihn
begrüßenden Ratsherren scheuchte er mit einem barschen: ^Ile? von sich; nur den
unglücklichen König von Sachsen -- er übernachtete im Dreißigschen, jetzt Viertelschen
Hause --, der zu vornehm dachte, als daß er ihn in der letzten Entscheidung ver¬
lassen hätte, behandelte er mit einer gewissen Auszeichnung. Zwölf Tage später
war der Korse auf verworrener Flucht in Thüringen, der König Gefangner der
Verbündeten.

In diesem Schicksalsjahre war auch Goethe in Meißen, und zwar am 19.
und 20. April auf der Durchreise nach Teplitz. Ein überaus interessanter Brief
an seine Frau berichtet von seinen Eindrücken: "Von einer gar freundlichen Abend¬
sonne beleuchtet, sahen wir das schöne Elbtal vor uns und gelangten zur rechten
Zeit nach Meißen in den Ring." Die jüngere Tochter der Wirtin erzählt ihm
vom Brande der Brücke, von den Kranken und den Gefangnen, die sie gespeist
hatte, von der Einquartierung und der Art der Kosaken. "Das war alles vorüber¬
gegangen, und Meißen befand sich vor wie nach." Am nächsten Tage besuchte
Goethe die Porzellanfabrik und den Dom. "Der Dom hat aus mehreren Ursachen
äußerlich nichts Anziehendes, inwendig aber ist es das schlankste, schönste aller Ge¬
bäude jener Zeit, die ich kenne, durch keine Monumente verdüstert, durch keine
Emporkirchen verderbt, gelblich ausgestrichen, durch weiße Glasscheiben erhellt, nur
das einzige Mittelfenster des Chors hat sich bunt erhalten." Auch mit einer Schar
der Lützower Jäger traf Goethe in Meißen zusammen, bei der Friedrich Förster
und vielleicht auch de la Motte FouquL war. Ist auch die etwas theatralisch auf¬
gebauschte Szene, wie sie uns Förster in der Pandora (Brief Ur. 30) schildert,


Grenzboten II 1S0S 92
Meißen

währendes Vivatrufen" zu hören war. Der spätere General von Vieth, der
damals mit dem Major von Weint die Honneurs machte, erzählt davon: „Der
König war so heiter, daß er gegen seine Gewohnheit dem Publikum den Eintritt
in das Tafelzimmer während der Abendtafel gestattete. Vor der Tafel besuchte
er den Dom. Neben dem Grabmal Friedrichs des streitbaren war eine Stein¬
platte eingesunken. Der Kirchner berichtete ihm, daß sich die Platte unter der Last
einiger französischer Offiziere gesenkt habe, die bet dem neulichen Truppendurchmarsch
den Dom besucht hätten. Halblaut, doch vernehmbar sagte der König: Uauvs-is
suKurs."

Ein halbes Jahr später, am 14. Dezember, flog der Schlitten, der den ge¬
schlagner Napoleon von den blutgetränkten Schneefeldern Rußlands nach Paris
brachte, auch durch Meißen. Napoleon wurde erkannt, aber kein Arm erhob sich
gegen den Mann, der die glänzende sächsische Kavallerie bei Borodino ins Ver¬
derben geschickt hatte: noch war die Welt in Schrecken gefesselt. Ein Vierteljahr
später, in der Nacht vom 12. zum 13. März 1813, brannte Davoust die Meißner
Elbbrücke ab: „Eine Bitte des Rats um Schonung wurde barsch zurückgewiesen.
Da sich bei Zaschendorf einige Kosaken sehen ließen, so wanderte nach elf Uhr die
Brandfackel in der Brücke herum. Ein dumpfer Druck lag auf der ungeheuern
Menschenmenge, die die Straßen erfüllte und sich an beiden Ufern drängte. Um
Mitternacht schon bildeten beide Fache eine einzige feurige Masse, von der die
Flamme turmhoch emporloderte." Interessante Bilder dieses Brückenbrandes und
des Treibens der Kosaken und der Baschkiren in und um Meißen aus dieser Zeit
sind in großer Anzahl im Museum des Geschichtsvereins vorhanden. Jedoch noch
einmal kam in den Vormarsch der Verbündeten Preußen und Russen eine rückläufige
Bewegung: nachdem ihr Angriff auf die Flanke der nach Leipzig marschierenden
Franzosen am 2. Mai bei Groß-Görschen gescheitert war, mußten sie über die Elbe
zurück, und so fanden denn vom 8. bis zum 10. Mai bei Meißen heftige Gefechte
statt, deren Spuren noch an vielen Orten, zum Beispiel am Siebeneichener Förster¬
hause und an der Friedhofsmauer des Martinsberges, erkennbar sind. Zum letzten¬
mal sah Napoleon die Stadt am 7. Oktober, als er, zum Abmarsch aus der Elb-
linie ans die Gefilde von Leipzig entschlossen, im Adamschen Hause am Markt
(Wittig und Fritzsche) einige Stunden in mürrischer Laune verbrachte. Die ihn
begrüßenden Ratsherren scheuchte er mit einem barschen: ^Ile? von sich; nur den
unglücklichen König von Sachsen — er übernachtete im Dreißigschen, jetzt Viertelschen
Hause —, der zu vornehm dachte, als daß er ihn in der letzten Entscheidung ver¬
lassen hätte, behandelte er mit einer gewissen Auszeichnung. Zwölf Tage später
war der Korse auf verworrener Flucht in Thüringen, der König Gefangner der
Verbündeten.

In diesem Schicksalsjahre war auch Goethe in Meißen, und zwar am 19.
und 20. April auf der Durchreise nach Teplitz. Ein überaus interessanter Brief
an seine Frau berichtet von seinen Eindrücken: „Von einer gar freundlichen Abend¬
sonne beleuchtet, sahen wir das schöne Elbtal vor uns und gelangten zur rechten
Zeit nach Meißen in den Ring." Die jüngere Tochter der Wirtin erzählt ihm
vom Brande der Brücke, von den Kranken und den Gefangnen, die sie gespeist
hatte, von der Einquartierung und der Art der Kosaken. „Das war alles vorüber¬
gegangen, und Meißen befand sich vor wie nach." Am nächsten Tage besuchte
Goethe die Porzellanfabrik und den Dom. „Der Dom hat aus mehreren Ursachen
äußerlich nichts Anziehendes, inwendig aber ist es das schlankste, schönste aller Ge¬
bäude jener Zeit, die ich kenne, durch keine Monumente verdüstert, durch keine
Emporkirchen verderbt, gelblich ausgestrichen, durch weiße Glasscheiben erhellt, nur
das einzige Mittelfenster des Chors hat sich bunt erhalten." Auch mit einer Schar
der Lützower Jäger traf Goethe in Meißen zusammen, bei der Friedrich Förster
und vielleicht auch de la Motte FouquL war. Ist auch die etwas theatralisch auf¬
gebauschte Szene, wie sie uns Förster in der Pandora (Brief Ur. 30) schildert,


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[0725] Meißen währendes Vivatrufen" zu hören war. Der spätere General von Vieth, der damals mit dem Major von Weint die Honneurs machte, erzählt davon: „Der König war so heiter, daß er gegen seine Gewohnheit dem Publikum den Eintritt in das Tafelzimmer während der Abendtafel gestattete. Vor der Tafel besuchte er den Dom. Neben dem Grabmal Friedrichs des streitbaren war eine Stein¬ platte eingesunken. Der Kirchner berichtete ihm, daß sich die Platte unter der Last einiger französischer Offiziere gesenkt habe, die bet dem neulichen Truppendurchmarsch den Dom besucht hätten. Halblaut, doch vernehmbar sagte der König: Uauvs-is suKurs." Ein halbes Jahr später, am 14. Dezember, flog der Schlitten, der den ge¬ schlagner Napoleon von den blutgetränkten Schneefeldern Rußlands nach Paris brachte, auch durch Meißen. Napoleon wurde erkannt, aber kein Arm erhob sich gegen den Mann, der die glänzende sächsische Kavallerie bei Borodino ins Ver¬ derben geschickt hatte: noch war die Welt in Schrecken gefesselt. Ein Vierteljahr später, in der Nacht vom 12. zum 13. März 1813, brannte Davoust die Meißner Elbbrücke ab: „Eine Bitte des Rats um Schonung wurde barsch zurückgewiesen. Da sich bei Zaschendorf einige Kosaken sehen ließen, so wanderte nach elf Uhr die Brandfackel in der Brücke herum. Ein dumpfer Druck lag auf der ungeheuern Menschenmenge, die die Straßen erfüllte und sich an beiden Ufern drängte. Um Mitternacht schon bildeten beide Fache eine einzige feurige Masse, von der die Flamme turmhoch emporloderte." Interessante Bilder dieses Brückenbrandes und des Treibens der Kosaken und der Baschkiren in und um Meißen aus dieser Zeit sind in großer Anzahl im Museum des Geschichtsvereins vorhanden. Jedoch noch einmal kam in den Vormarsch der Verbündeten Preußen und Russen eine rückläufige Bewegung: nachdem ihr Angriff auf die Flanke der nach Leipzig marschierenden Franzosen am 2. Mai bei Groß-Görschen gescheitert war, mußten sie über die Elbe zurück, und so fanden denn vom 8. bis zum 10. Mai bei Meißen heftige Gefechte statt, deren Spuren noch an vielen Orten, zum Beispiel am Siebeneichener Förster¬ hause und an der Friedhofsmauer des Martinsberges, erkennbar sind. Zum letzten¬ mal sah Napoleon die Stadt am 7. Oktober, als er, zum Abmarsch aus der Elb- linie ans die Gefilde von Leipzig entschlossen, im Adamschen Hause am Markt (Wittig und Fritzsche) einige Stunden in mürrischer Laune verbrachte. Die ihn begrüßenden Ratsherren scheuchte er mit einem barschen: ^Ile? von sich; nur den unglücklichen König von Sachsen — er übernachtete im Dreißigschen, jetzt Viertelschen Hause —, der zu vornehm dachte, als daß er ihn in der letzten Entscheidung ver¬ lassen hätte, behandelte er mit einer gewissen Auszeichnung. Zwölf Tage später war der Korse auf verworrener Flucht in Thüringen, der König Gefangner der Verbündeten. In diesem Schicksalsjahre war auch Goethe in Meißen, und zwar am 19. und 20. April auf der Durchreise nach Teplitz. Ein überaus interessanter Brief an seine Frau berichtet von seinen Eindrücken: „Von einer gar freundlichen Abend¬ sonne beleuchtet, sahen wir das schöne Elbtal vor uns und gelangten zur rechten Zeit nach Meißen in den Ring." Die jüngere Tochter der Wirtin erzählt ihm vom Brande der Brücke, von den Kranken und den Gefangnen, die sie gespeist hatte, von der Einquartierung und der Art der Kosaken. „Das war alles vorüber¬ gegangen, und Meißen befand sich vor wie nach." Am nächsten Tage besuchte Goethe die Porzellanfabrik und den Dom. „Der Dom hat aus mehreren Ursachen äußerlich nichts Anziehendes, inwendig aber ist es das schlankste, schönste aller Ge¬ bäude jener Zeit, die ich kenne, durch keine Monumente verdüstert, durch keine Emporkirchen verderbt, gelblich ausgestrichen, durch weiße Glasscheiben erhellt, nur das einzige Mittelfenster des Chors hat sich bunt erhalten." Auch mit einer Schar der Lützower Jäger traf Goethe in Meißen zusammen, bei der Friedrich Förster und vielleicht auch de la Motte FouquL war. Ist auch die etwas theatralisch auf¬ gebauschte Szene, wie sie uns Förster in der Pandora (Brief Ur. 30) schildert, Grenzboten II 1S0S 92

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/725>, abgerufen am 06.02.2025.