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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

vernachlässigen. Das Hans hat schon große Dienste geleistet und wird sie auch in
Zukunft zu leisten haben.

Im allgemeinen ist die Vorstellung, die im Lande über das Herrenhaus be¬
steht, sehr unrichtig. Es sind darin zehn Universitäten und achtundvierzig Städte
durch hochintelligente Persönlichkeiten vertreten, ebenso weist die Reihe der etwa
sechzig aus allerhöchsten, Vertrauen berufnen Mitglieder eine ganze Reihe von
Kapazitäten auf. Gegenwärtig hat das Haus ungefähr dreihundert stimmberechtigte
Mitglieder, von denen doch reichlich die Hälfte als geistig hochstehende Männer
angesehen werden müssen. Mehr hat der um fast hundert Mitglieder stärkere
Reichstag auch nicht aufzuweisen; unter den drcihundertsiebenundneunzig Erwählten
des allgemeinen Stimmrechts sind auch uicht mehr als hundertfiinfzig geistig be¬
deutende Persönlichkeiten. Der Reichstag hat trotz seiner Form der Zusammen-
setzung somit vor dem Herrenhause tatsächlich nichts voraus, wenigstens nicht in
seiner jetzigen Gestalt. Fragt man nun, woher es kommt, daß sich das Herrenhaus
im Lande eines verhältnismäßig geringen Ansehens und Einflusses erfreut, so kann
die Antwort nur lauten: Das liegt zum großen Teil an der Jugend der Institution;
diese ist in dem halben Jahrhundert ihres Bestehens nur selten in den Vorder¬
grund getreten. Zum andern Teile daran, daß das Herrenhaus nicht mit der
ruhigen und geschichtlich begründeten Sicherheit des englischen Oberhauses das all¬
gemeine Staatsinteresse, sondern in vielen Dingen nur Gruppeninteresscn
vertritt. Die Geschichte, die Weltstellung, der Reichtum Großbritanniens gewähren
für die staatssinnige Erziehung seiner heranwachsenden Geschlechter ganz andre
Bedingungen, als sie bei uns in Preußen und in Deutschland möglich sind. Dieser
Umstand sichert den beiden Häusern des englischen Parlaments Vorzüge, wie sie
keinem andern Parlamente der Welt eigen sind, nicht nur Vorzüge, sondern auch
ein diesen entsprechendes Ansehen. Unser Herrenhaus wird in ein größeres Ansehen
und in einen größern Einfluß hineinwachsen, je mehr es sich von dem Gedanken
des allgemeinen Staatsinteresses durchdringen läßt, wie das zum Beispiel eben in
der Kanalfrage der Fall gewesen ist. Kaiser Wilhelm der Erste hat einst dem
Herrenhause ausgesprochen, daß die Dienste, die es in schwerer Zeit geleistet hat,
niemals vergessen werden sollen. Wenn das Herrenhaus dennoch zeitweise stark in
den Hintergrund tritt, so liegt das zum Teil ja an dem Übergewicht des Reichs¬
tags über die Landtage, unter dem die Ersten Kammern immer mehr zu leiden
haben als die Zweiten. Zum Teil aber auch an folgendem: Seit dem Tode des
Fürsten Herbert Bismarck hat das Herrenhaus nur uoch elf Mitglieder, die zugleich
im Reichstage sitze". Das ist entschieden viel zu wenig. Ein großer Teil der
Mitglieder des Herrenhauses hätte alle für die Mitgliedschaft zum Reichstage er¬
wünschten Eigenschaften, aber keiner bewirbt sich trotz dem zum Teil recht großen
Persönlichen Ansehen und Einfluß um ein Reichstagsmandat, dessen Gewinnung
in einzelnen Fällen vielleicht gar nicht so schwer wäre! Liegt hierin nicht auch
eine gewisse Vernachlässigung öffentlicher Interessen, zu deren Pflege gerade diese
Mäuner einen doppelten Beruf haben? Und würde eine stärkere Mitgliedschaft
im Reichstage nicht auch dem Ansehen des Herrenhauses zugute kommen?

Der Verlauf des Kaiserbesuchs in Tanger dürfte in Deutschland allgemein
befriedigt haben, das scharf pointierte persönliche Hervortreten des Kaisers verleiht
diesem Besuch ein weit über den Augenblick hinausgreifendes Gepräge. Bei der
Beurteilung der amtlichen deutschen Stellung in der marokkanischen Angelegenheit
darf nicht übersehen werden, daß es sich dabei weit weniger um Frankreich als
"in die Person des Herrn Delcasse handelt, der es mit den französischen
Interessen vereinbar findet, sich fortgesetzt an Deutschland zu reiben. Wenn einzelne
Pariser Blätter wie das Journal clss vowts und der Delair es für nützlich er¬
achten, offen zu erklären, daß die Politik des Ministers des Auswärtigen "auf die
Etablierung einer Schutzherrschaft in Marokko ziele, die über kurz oder laug die
Einverleibung nach sich ziehn müsse," so ist das recht offenherzig, beweist aber nur,


Maßgebliches und Unmaßgebliches

vernachlässigen. Das Hans hat schon große Dienste geleistet und wird sie auch in
Zukunft zu leisten haben.

Im allgemeinen ist die Vorstellung, die im Lande über das Herrenhaus be¬
steht, sehr unrichtig. Es sind darin zehn Universitäten und achtundvierzig Städte
durch hochintelligente Persönlichkeiten vertreten, ebenso weist die Reihe der etwa
sechzig aus allerhöchsten, Vertrauen berufnen Mitglieder eine ganze Reihe von
Kapazitäten auf. Gegenwärtig hat das Haus ungefähr dreihundert stimmberechtigte
Mitglieder, von denen doch reichlich die Hälfte als geistig hochstehende Männer
angesehen werden müssen. Mehr hat der um fast hundert Mitglieder stärkere
Reichstag auch nicht aufzuweisen; unter den drcihundertsiebenundneunzig Erwählten
des allgemeinen Stimmrechts sind auch uicht mehr als hundertfiinfzig geistig be¬
deutende Persönlichkeiten. Der Reichstag hat trotz seiner Form der Zusammen-
setzung somit vor dem Herrenhause tatsächlich nichts voraus, wenigstens nicht in
seiner jetzigen Gestalt. Fragt man nun, woher es kommt, daß sich das Herrenhaus
im Lande eines verhältnismäßig geringen Ansehens und Einflusses erfreut, so kann
die Antwort nur lauten: Das liegt zum großen Teil an der Jugend der Institution;
diese ist in dem halben Jahrhundert ihres Bestehens nur selten in den Vorder¬
grund getreten. Zum andern Teile daran, daß das Herrenhaus nicht mit der
ruhigen und geschichtlich begründeten Sicherheit des englischen Oberhauses das all¬
gemeine Staatsinteresse, sondern in vielen Dingen nur Gruppeninteresscn
vertritt. Die Geschichte, die Weltstellung, der Reichtum Großbritanniens gewähren
für die staatssinnige Erziehung seiner heranwachsenden Geschlechter ganz andre
Bedingungen, als sie bei uns in Preußen und in Deutschland möglich sind. Dieser
Umstand sichert den beiden Häusern des englischen Parlaments Vorzüge, wie sie
keinem andern Parlamente der Welt eigen sind, nicht nur Vorzüge, sondern auch
ein diesen entsprechendes Ansehen. Unser Herrenhaus wird in ein größeres Ansehen
und in einen größern Einfluß hineinwachsen, je mehr es sich von dem Gedanken
des allgemeinen Staatsinteresses durchdringen läßt, wie das zum Beispiel eben in
der Kanalfrage der Fall gewesen ist. Kaiser Wilhelm der Erste hat einst dem
Herrenhause ausgesprochen, daß die Dienste, die es in schwerer Zeit geleistet hat,
niemals vergessen werden sollen. Wenn das Herrenhaus dennoch zeitweise stark in
den Hintergrund tritt, so liegt das zum Teil ja an dem Übergewicht des Reichs¬
tags über die Landtage, unter dem die Ersten Kammern immer mehr zu leiden
haben als die Zweiten. Zum Teil aber auch an folgendem: Seit dem Tode des
Fürsten Herbert Bismarck hat das Herrenhaus nur uoch elf Mitglieder, die zugleich
im Reichstage sitze». Das ist entschieden viel zu wenig. Ein großer Teil der
Mitglieder des Herrenhauses hätte alle für die Mitgliedschaft zum Reichstage er¬
wünschten Eigenschaften, aber keiner bewirbt sich trotz dem zum Teil recht großen
Persönlichen Ansehen und Einfluß um ein Reichstagsmandat, dessen Gewinnung
in einzelnen Fällen vielleicht gar nicht so schwer wäre! Liegt hierin nicht auch
eine gewisse Vernachlässigung öffentlicher Interessen, zu deren Pflege gerade diese
Mäuner einen doppelten Beruf haben? Und würde eine stärkere Mitgliedschaft
im Reichstage nicht auch dem Ansehen des Herrenhauses zugute kommen?

Der Verlauf des Kaiserbesuchs in Tanger dürfte in Deutschland allgemein
befriedigt haben, das scharf pointierte persönliche Hervortreten des Kaisers verleiht
diesem Besuch ein weit über den Augenblick hinausgreifendes Gepräge. Bei der
Beurteilung der amtlichen deutschen Stellung in der marokkanischen Angelegenheit
darf nicht übersehen werden, daß es sich dabei weit weniger um Frankreich als
»in die Person des Herrn Delcasse handelt, der es mit den französischen
Interessen vereinbar findet, sich fortgesetzt an Deutschland zu reiben. Wenn einzelne
Pariser Blätter wie das Journal clss vowts und der Delair es für nützlich er¬
achten, offen zu erklären, daß die Politik des Ministers des Auswärtigen „auf die
Etablierung einer Schutzherrschaft in Marokko ziele, die über kurz oder laug die
Einverleibung nach sich ziehn müsse," so ist das recht offenherzig, beweist aber nur,


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[0061] Maßgebliches und Unmaßgebliches vernachlässigen. Das Hans hat schon große Dienste geleistet und wird sie auch in Zukunft zu leisten haben. Im allgemeinen ist die Vorstellung, die im Lande über das Herrenhaus be¬ steht, sehr unrichtig. Es sind darin zehn Universitäten und achtundvierzig Städte durch hochintelligente Persönlichkeiten vertreten, ebenso weist die Reihe der etwa sechzig aus allerhöchsten, Vertrauen berufnen Mitglieder eine ganze Reihe von Kapazitäten auf. Gegenwärtig hat das Haus ungefähr dreihundert stimmberechtigte Mitglieder, von denen doch reichlich die Hälfte als geistig hochstehende Männer angesehen werden müssen. Mehr hat der um fast hundert Mitglieder stärkere Reichstag auch nicht aufzuweisen; unter den drcihundertsiebenundneunzig Erwählten des allgemeinen Stimmrechts sind auch uicht mehr als hundertfiinfzig geistig be¬ deutende Persönlichkeiten. Der Reichstag hat trotz seiner Form der Zusammen- setzung somit vor dem Herrenhause tatsächlich nichts voraus, wenigstens nicht in seiner jetzigen Gestalt. Fragt man nun, woher es kommt, daß sich das Herrenhaus im Lande eines verhältnismäßig geringen Ansehens und Einflusses erfreut, so kann die Antwort nur lauten: Das liegt zum großen Teil an der Jugend der Institution; diese ist in dem halben Jahrhundert ihres Bestehens nur selten in den Vorder¬ grund getreten. Zum andern Teile daran, daß das Herrenhaus nicht mit der ruhigen und geschichtlich begründeten Sicherheit des englischen Oberhauses das all¬ gemeine Staatsinteresse, sondern in vielen Dingen nur Gruppeninteresscn vertritt. Die Geschichte, die Weltstellung, der Reichtum Großbritanniens gewähren für die staatssinnige Erziehung seiner heranwachsenden Geschlechter ganz andre Bedingungen, als sie bei uns in Preußen und in Deutschland möglich sind. Dieser Umstand sichert den beiden Häusern des englischen Parlaments Vorzüge, wie sie keinem andern Parlamente der Welt eigen sind, nicht nur Vorzüge, sondern auch ein diesen entsprechendes Ansehen. Unser Herrenhaus wird in ein größeres Ansehen und in einen größern Einfluß hineinwachsen, je mehr es sich von dem Gedanken des allgemeinen Staatsinteresses durchdringen läßt, wie das zum Beispiel eben in der Kanalfrage der Fall gewesen ist. Kaiser Wilhelm der Erste hat einst dem Herrenhause ausgesprochen, daß die Dienste, die es in schwerer Zeit geleistet hat, niemals vergessen werden sollen. Wenn das Herrenhaus dennoch zeitweise stark in den Hintergrund tritt, so liegt das zum Teil ja an dem Übergewicht des Reichs¬ tags über die Landtage, unter dem die Ersten Kammern immer mehr zu leiden haben als die Zweiten. Zum Teil aber auch an folgendem: Seit dem Tode des Fürsten Herbert Bismarck hat das Herrenhaus nur uoch elf Mitglieder, die zugleich im Reichstage sitze». Das ist entschieden viel zu wenig. Ein großer Teil der Mitglieder des Herrenhauses hätte alle für die Mitgliedschaft zum Reichstage er¬ wünschten Eigenschaften, aber keiner bewirbt sich trotz dem zum Teil recht großen Persönlichen Ansehen und Einfluß um ein Reichstagsmandat, dessen Gewinnung in einzelnen Fällen vielleicht gar nicht so schwer wäre! Liegt hierin nicht auch eine gewisse Vernachlässigung öffentlicher Interessen, zu deren Pflege gerade diese Mäuner einen doppelten Beruf haben? Und würde eine stärkere Mitgliedschaft im Reichstage nicht auch dem Ansehen des Herrenhauses zugute kommen? Der Verlauf des Kaiserbesuchs in Tanger dürfte in Deutschland allgemein befriedigt haben, das scharf pointierte persönliche Hervortreten des Kaisers verleiht diesem Besuch ein weit über den Augenblick hinausgreifendes Gepräge. Bei der Beurteilung der amtlichen deutschen Stellung in der marokkanischen Angelegenheit darf nicht übersehen werden, daß es sich dabei weit weniger um Frankreich als »in die Person des Herrn Delcasse handelt, der es mit den französischen Interessen vereinbar findet, sich fortgesetzt an Deutschland zu reiben. Wenn einzelne Pariser Blätter wie das Journal clss vowts und der Delair es für nützlich er¬ achten, offen zu erklären, daß die Politik des Ministers des Auswärtigen „auf die Etablierung einer Schutzherrschaft in Marokko ziele, die über kurz oder laug die Einverleibung nach sich ziehn müsse," so ist das recht offenherzig, beweist aber nur,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/61>, abgerufen am 05.02.2025.