Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Hst das Reichwerden leichter geworden? Unmöglichkeit, sehr zugunsten unsrer Ansicht sprechen, und Professoreneinkommen Wenn wir da zuerst des freiesten unter den freien Berufen, dem des Künst¬ Aber freilich: man kann mir entgegenhalten, daß die Kunst eine Gabe sei, Wenn früher die Millionäre in den Handelskomptoirs noch recht selten Da ist zuerst einer, der Sohn eines Aachener Maschinenmeisters lind der Grenzboten II 1905 75
Hst das Reichwerden leichter geworden? Unmöglichkeit, sehr zugunsten unsrer Ansicht sprechen, und Professoreneinkommen Wenn wir da zuerst des freiesten unter den freien Berufen, dem des Künst¬ Aber freilich: man kann mir entgegenhalten, daß die Kunst eine Gabe sei, Wenn früher die Millionäre in den Handelskomptoirs noch recht selten Da ist zuerst einer, der Sohn eines Aachener Maschinenmeisters lind der Grenzboten II 1905 75
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0593" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296972"/> <fw type="header" place="top"> Hst das Reichwerden leichter geworden?</fw><lb/> <p xml:id="ID_2739" prev="#ID_2738"> Unmöglichkeit, sehr zugunsten unsrer Ansicht sprechen, und Professoreneinkommen<lb/> von 50000 Mark, ja von 100000 Mark nichts besonders Außergewöhnliches<lb/> mehr sind. Auch die Einkommen vieler Professoren aus andern Fakultäten, ins¬<lb/> besondre der juristischen, berechnen sich infolge des starken Anwachsens der<lb/> Studentenschaft und damit der Kollegiengelder in den letzten Jahrzehnten nach<lb/> Zehntausenden von Mark. Unser eigentliches Veweisgebiet sind aber nicht die<lb/> Gelehrtenberufe, besonders die Beamtenberufe, sondern die sogenannten freien<lb/> Berufe.</p><lb/> <p xml:id="ID_2740"> Wenn wir da zuerst des freiesten unter den freien Berufen, dem des Künst¬<lb/> lers gedenken, so fällt der ungeheure Unterschied der alten und der neuen Zeit<lb/> auf den ersten Blick in die Augen. Während Moliere in Scheunen und Dorf¬<lb/> schenken für wenig Franken auftrat, um sein Leben kärglich zu fristen, nahm<lb/> Sarah Bernhard jüngst in Berlin allabendlich Tausende von Mark ein. Die<lb/> Eleonore Duse soll in Newyork für jede Vorstellung 8000 Dollars erhalten<lb/> haben. Während Schillers Leben nach unsern Begriffen äußerst bescheiden war,<lb/> ist Gustav Frenssen durch den Ertrag von 80 Auflagen, jetzt mehr als 100,<lb/> seines einen Buchs „Jörn Abt" in nicht viel mehr als einem Jahre in den<lb/> Stand gesetzt worden, sein Amt als Pastor aufzugeben und einen großen<lb/> Bauernhof käuflich zu erwerben. Der Violinist Thibault — verzeihe der Leser<lb/> die bunte Zusammenstellung — erhielt für eine dreimonatige Kunstreise in<lb/> Amerika 80000 Mark. Mascagnis Einnahmen aus der v^vallsriet rustioang.<lb/> dürften, direkt und indirekt, nach Hunderttausenden zählen. Coquelins Cyrano<lb/> soll allein in Berlin 8000, in Dresden 13000 Mark gebracht haben. Die Loie<lb/> Füller dürfte mit ihrem Serpentintanz recht reich geworden sein. Sängerinnen,<lb/> wie die Lucca, die Patti, haben sich fürstliche Villen und hochgeborne Gatten<lb/> erworben. Unsre bekannten Künstler, mögen sie Richard Wagner, Sudermcmn,<lb/> Begas, Böcklin heißen, verfügen über das Vielfache von dem, was einst Beethoven,<lb/> Seb. Bach, Schiller, Lessing, Herder, Oliver Goldsmith usw. gehabt haben.<lb/> Ikinxorg, mutMwr!</p><lb/> <p xml:id="ID_2741"> Aber freilich: man kann mir entgegenhalten, daß die Kunst eine Gabe sei,<lb/> die nur Wenigen in die Wiege gelegt werde, von der die andern Sterblichen aber<lb/> keinen Nutzen Hütten. Wir müssen also unsern Blick auf Handel und Industrie<lb/> richten und werden alsbald erkennen, daß auch auf diesen Gebieten der mensch¬<lb/> lichen Tätigkeit der Zugang zum Reichtum nicht mehr so schwer ist wie früher.</p><lb/> <p xml:id="ID_2742"> Wenn früher die Millionäre in den Handelskomptoirs noch recht selten<lb/> waren und vielleicht kaum nach Hunderten zählten, so zählen sie jetzt nach vielen<lb/> Tausenden, und unter ihnen sind viele, deren Eltern ihnen nichts als einen klaren<lb/> Kopf, eine kräftige Hand und eine solide Erziehung mit auf den Lebensweg<lb/> geben konnten. Die fabelhaften Vermögen der amerikanischen Industriekönige<lb/> sind hinlänglich bekannt: Pierpont Morgan, beispielsweise, soll im Jahre 1902<lb/> bis zum Oktober 167 Millionen Mark „verdient" haben. So etwas war vor<lb/> dreißig Jahren nicht möglich. Ich selbst kenne eine ganze Reihe solcher typischer<lb/> Personen und will dem Leser einige meiner Freunde vorstellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2743" next="#ID_2744"> Da ist zuerst einer, der Sohn eines Aachener Maschinenmeisters lind der<lb/> Bruder von elf Geschwistern, von denen noch heute einige hinter Nähmaschinen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1905 75</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0593]
Hst das Reichwerden leichter geworden?
Unmöglichkeit, sehr zugunsten unsrer Ansicht sprechen, und Professoreneinkommen
von 50000 Mark, ja von 100000 Mark nichts besonders Außergewöhnliches
mehr sind. Auch die Einkommen vieler Professoren aus andern Fakultäten, ins¬
besondre der juristischen, berechnen sich infolge des starken Anwachsens der
Studentenschaft und damit der Kollegiengelder in den letzten Jahrzehnten nach
Zehntausenden von Mark. Unser eigentliches Veweisgebiet sind aber nicht die
Gelehrtenberufe, besonders die Beamtenberufe, sondern die sogenannten freien
Berufe.
Wenn wir da zuerst des freiesten unter den freien Berufen, dem des Künst¬
lers gedenken, so fällt der ungeheure Unterschied der alten und der neuen Zeit
auf den ersten Blick in die Augen. Während Moliere in Scheunen und Dorf¬
schenken für wenig Franken auftrat, um sein Leben kärglich zu fristen, nahm
Sarah Bernhard jüngst in Berlin allabendlich Tausende von Mark ein. Die
Eleonore Duse soll in Newyork für jede Vorstellung 8000 Dollars erhalten
haben. Während Schillers Leben nach unsern Begriffen äußerst bescheiden war,
ist Gustav Frenssen durch den Ertrag von 80 Auflagen, jetzt mehr als 100,
seines einen Buchs „Jörn Abt" in nicht viel mehr als einem Jahre in den
Stand gesetzt worden, sein Amt als Pastor aufzugeben und einen großen
Bauernhof käuflich zu erwerben. Der Violinist Thibault — verzeihe der Leser
die bunte Zusammenstellung — erhielt für eine dreimonatige Kunstreise in
Amerika 80000 Mark. Mascagnis Einnahmen aus der v^vallsriet rustioang.
dürften, direkt und indirekt, nach Hunderttausenden zählen. Coquelins Cyrano
soll allein in Berlin 8000, in Dresden 13000 Mark gebracht haben. Die Loie
Füller dürfte mit ihrem Serpentintanz recht reich geworden sein. Sängerinnen,
wie die Lucca, die Patti, haben sich fürstliche Villen und hochgeborne Gatten
erworben. Unsre bekannten Künstler, mögen sie Richard Wagner, Sudermcmn,
Begas, Böcklin heißen, verfügen über das Vielfache von dem, was einst Beethoven,
Seb. Bach, Schiller, Lessing, Herder, Oliver Goldsmith usw. gehabt haben.
Ikinxorg, mutMwr!
Aber freilich: man kann mir entgegenhalten, daß die Kunst eine Gabe sei,
die nur Wenigen in die Wiege gelegt werde, von der die andern Sterblichen aber
keinen Nutzen Hütten. Wir müssen also unsern Blick auf Handel und Industrie
richten und werden alsbald erkennen, daß auch auf diesen Gebieten der mensch¬
lichen Tätigkeit der Zugang zum Reichtum nicht mehr so schwer ist wie früher.
Wenn früher die Millionäre in den Handelskomptoirs noch recht selten
waren und vielleicht kaum nach Hunderten zählten, so zählen sie jetzt nach vielen
Tausenden, und unter ihnen sind viele, deren Eltern ihnen nichts als einen klaren
Kopf, eine kräftige Hand und eine solide Erziehung mit auf den Lebensweg
geben konnten. Die fabelhaften Vermögen der amerikanischen Industriekönige
sind hinlänglich bekannt: Pierpont Morgan, beispielsweise, soll im Jahre 1902
bis zum Oktober 167 Millionen Mark „verdient" haben. So etwas war vor
dreißig Jahren nicht möglich. Ich selbst kenne eine ganze Reihe solcher typischer
Personen und will dem Leser einige meiner Freunde vorstellen.
Da ist zuerst einer, der Sohn eines Aachener Maschinenmeisters lind der
Bruder von elf Geschwistern, von denen noch heute einige hinter Nähmaschinen
Grenzboten II 1905 75
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