Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Afghanistan Die uns angewiesen, im ersten Stockwerk liegenden Stuben waren bis Der Führer unsrer Bedeckung machte uns den Vorschlag, in Data einen Am 2. Juli verließen wir Daka in Begleitung unsrer Schutzmannschaft Afghanistan Die uns angewiesen, im ersten Stockwerk liegenden Stuben waren bis Der Führer unsrer Bedeckung machte uns den Vorschlag, in Data einen Am 2. Juli verließen wir Daka in Begleitung unsrer Schutzmannschaft <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0589" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296968"/> <fw type="header" place="top"> Afghanistan</fw><lb/> <p xml:id="ID_2725"> Die uns angewiesen, im ersten Stockwerk liegenden Stuben waren bis<lb/> auf zwei aus Schilf gestochene Bettstellen vollständig leer. Hier will ich<lb/> einschalten, daß auch in Indien, die großen Gasthöfe ausgenommen, dem<lb/> Reisenden Bettwäsche und Bettzeug nicht zur Verfügung gestellt werden, weshalb<lb/> dort Arm und Reich auf Reisen diese Dinge mit sich führt. Mein Begleiter<lb/> und ich, mit dieser Eigentümlichkeit nicht vertraut, mußten schon in Peschawar<lb/> auf anständige Betten Verzicht leisten, doch konnte dies unsern Humor nicht<lb/> trüben, zumal da wir uns als ehemalige Soldaten über eine solche Unbe¬<lb/> quemlichkeit hinwegzusetzen vermochten. Einen Koch hatten wir in Peschawar<lb/> in Dienst genommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2726"> Der Führer unsrer Bedeckung machte uns den Vorschlag, in Data einen<lb/> Tag zu rasten. Wir gingen gern darauf ein. Als wir uns am 1. Juli früh¬<lb/> morgens zum Aufbruche rüsteten, schien die ganze Landschaft gleichsam in<lb/> Staub gehüllt, denn ein heftiger Wind hob ungeheure Massen Wüstenstaubs<lb/> empor und wehte sie über das Land, sodaß man kaum auf hundert Schritte<lb/> in der Runde deutlich sehen konnte. Der Kommandant erklärte, bei diesem<lb/> Wind und Staube sei an die Weiterreise nicht zu denken, und so blieben wir<lb/> noch einen Tag in dem unwirtlichen Daka, bis sich der Sturm in den Lüften<lb/> wiederum gelegt hatte. Daka liegt inmitten eines fast kreisrunden, von ganz<lb/> kahlen Bergen umschlossenen Tales, das der Kabnlfluß durchzieht. Wo der<lb/> Boden von dem Flusse bewässert wird, ist er mit freundlichem Grün bedeckt<lb/> und sehr fruchtbar; dieser Teil ist jedoch verhältnismäßig klein, alles übrige<lb/> Land ist eine öde Stein- und Sandwüste.</p><lb/> <p xml:id="ID_2727" next="#ID_2728"> Am 2. Juli verließen wir Daka in Begleitung unsrer Schutzmannschaft<lb/> und ihres Führers. Nach einer Stunde kamen wir an den Fuß eines<lb/> niedrigen Gebirges und ritten in eine enge Schlucht hinein, mein Begleiter und<lb/> ich an der Seite des Kommandanten. Dieser sandte einen unsrer Reiter voraus,<lb/> damit er erkunde, ob der Engpaß frei und sicher sei. Uns riet der Führer, in<lb/> der Mitte der Bedecknngsmannschaft zu reiten, und wir befolgten diesen Rat,<lb/> obgleich wir dessen Ursache nicht erkannten, ohne Zögern. Bald sahen wir zu<lb/> unsrer Linken auf einem hohen Felsen ein kleines Wächterhäuschen, vor dem<lb/> ein Mann stand. Von dort aus konnte er die Straße zu beiden Seiten des<lb/> Passes überschauen. Unter dem Felsen war ein Zelt aufgeschlagen, auf dessen<lb/> dunkelhäutige Bewohner der Adjutant unsers Befehlshabers zusprengte. um sich<lb/> von ihrer Gesinnung zu überzeugen. Die schwarzen Gesellen schienen fried¬<lb/> fertig zu sein, denn sie kamen dem Reiter mit einer Friedenspfeife (persisch<lb/> Dschilim) entgegen, aus der der Adjutant einige Züge machte. Durch diese<lb/> Förmlichkeit wurde die gegenseitige Friedensliebe bekundet. Mein Begleiter<lb/> und ich begriffen nun ohne weiteres, warum uns der Kommandant, bevor er<lb/> die Absicht der wilden Kerle erkannt, empfohlen hatte, in der Mitte unsrer<lb/> Bedeckung zu reiten. Nachdem wir durch den Engpaß gekommen waren, ritten<lb/> wir in einem Tale auf guter Straße eine starke Stunde fort, um sodann auf<lb/> einem kleinen Hügel neben der Straße im Schatten einiger Bäume zu rasten.<lb/> Aus einem in der Nähe liegenden großen Dorfe kamen die Vornehmsten der<lb/> Bewohner und begrüßten sowohl uns als den Befehlshaber. Als wir uns</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0589]
Afghanistan
Die uns angewiesen, im ersten Stockwerk liegenden Stuben waren bis
auf zwei aus Schilf gestochene Bettstellen vollständig leer. Hier will ich
einschalten, daß auch in Indien, die großen Gasthöfe ausgenommen, dem
Reisenden Bettwäsche und Bettzeug nicht zur Verfügung gestellt werden, weshalb
dort Arm und Reich auf Reisen diese Dinge mit sich führt. Mein Begleiter
und ich, mit dieser Eigentümlichkeit nicht vertraut, mußten schon in Peschawar
auf anständige Betten Verzicht leisten, doch konnte dies unsern Humor nicht
trüben, zumal da wir uns als ehemalige Soldaten über eine solche Unbe¬
quemlichkeit hinwegzusetzen vermochten. Einen Koch hatten wir in Peschawar
in Dienst genommen.
Der Führer unsrer Bedeckung machte uns den Vorschlag, in Data einen
Tag zu rasten. Wir gingen gern darauf ein. Als wir uns am 1. Juli früh¬
morgens zum Aufbruche rüsteten, schien die ganze Landschaft gleichsam in
Staub gehüllt, denn ein heftiger Wind hob ungeheure Massen Wüstenstaubs
empor und wehte sie über das Land, sodaß man kaum auf hundert Schritte
in der Runde deutlich sehen konnte. Der Kommandant erklärte, bei diesem
Wind und Staube sei an die Weiterreise nicht zu denken, und so blieben wir
noch einen Tag in dem unwirtlichen Daka, bis sich der Sturm in den Lüften
wiederum gelegt hatte. Daka liegt inmitten eines fast kreisrunden, von ganz
kahlen Bergen umschlossenen Tales, das der Kabnlfluß durchzieht. Wo der
Boden von dem Flusse bewässert wird, ist er mit freundlichem Grün bedeckt
und sehr fruchtbar; dieser Teil ist jedoch verhältnismäßig klein, alles übrige
Land ist eine öde Stein- und Sandwüste.
Am 2. Juli verließen wir Daka in Begleitung unsrer Schutzmannschaft
und ihres Führers. Nach einer Stunde kamen wir an den Fuß eines
niedrigen Gebirges und ritten in eine enge Schlucht hinein, mein Begleiter und
ich an der Seite des Kommandanten. Dieser sandte einen unsrer Reiter voraus,
damit er erkunde, ob der Engpaß frei und sicher sei. Uns riet der Führer, in
der Mitte der Bedecknngsmannschaft zu reiten, und wir befolgten diesen Rat,
obgleich wir dessen Ursache nicht erkannten, ohne Zögern. Bald sahen wir zu
unsrer Linken auf einem hohen Felsen ein kleines Wächterhäuschen, vor dem
ein Mann stand. Von dort aus konnte er die Straße zu beiden Seiten des
Passes überschauen. Unter dem Felsen war ein Zelt aufgeschlagen, auf dessen
dunkelhäutige Bewohner der Adjutant unsers Befehlshabers zusprengte. um sich
von ihrer Gesinnung zu überzeugen. Die schwarzen Gesellen schienen fried¬
fertig zu sein, denn sie kamen dem Reiter mit einer Friedenspfeife (persisch
Dschilim) entgegen, aus der der Adjutant einige Züge machte. Durch diese
Förmlichkeit wurde die gegenseitige Friedensliebe bekundet. Mein Begleiter
und ich begriffen nun ohne weiteres, warum uns der Kommandant, bevor er
die Absicht der wilden Kerle erkannt, empfohlen hatte, in der Mitte unsrer
Bedeckung zu reiten. Nachdem wir durch den Engpaß gekommen waren, ritten
wir in einem Tale auf guter Straße eine starke Stunde fort, um sodann auf
einem kleinen Hügel neben der Straße im Schatten einiger Bäume zu rasten.
Aus einem in der Nähe liegenden großen Dorfe kamen die Vornehmsten der
Bewohner und begrüßten sowohl uns als den Befehlshaber. Als wir uns
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |