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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

ihn mit einem Siebe, durch dessen Maschen er von seinen Pflegeeltern weiter mit
Nahrung versorgt wurde. Als er groß genug our, den Kampf ums Dasein auf
eigne Rechnung zu führen, brachten wir ihn zu einem Gastwirt in der Nachbar¬
schaft, der ein großer Tierfreund our, und erhielten von diesem als Honorar ein
paar Glas Bier, einige Zigarren und eine Selterswasserflasche voll "Harten"
(Nordhäuser).

An den freien Sonntagnachmittagen besuchte ich wie gewöhnlich meine Ver¬
wandten in Leisnig und warf bei dieser Gelegenheit zuweilen auch einen Blick in
die benachbarte Herberge der "Schüttelläppchen" (Weber) und der "Fettläppchen"
(Tuchmacher). Dort traf ich einmal einen Kunden, der, noch immer ganz erregt,
erzählte, er habe bei einem "Kaffer" ein Abenteuer mit einem "Keiluff" (Hund)
zu bestehn gehabt, der ihm die "Weilchen" (Hosen) und den "Wallmisch" (Rock)
zerrissen habe.

Im September verließ ich die Schanzenmühle und "tigerte" nach Döbeln,
wo ich einen Stellenvermittler für Müller und Bäcker aufsuche" wollte. Unter¬
wegs traf ich einen "Schwager," der acht Tage vorher die Schanzenmühle ver¬
lassen hatte. Ich hatte mir nämlich vorgenommen, auf meinen fernern Wanderungen
"auf fremden Tappen zu gehn," d. h. nicht nur bei den Meistern des Bäckcr-
gewerbes, sondern auch bei den Müllern, deren Zuuftbrnuche ich ja in der letzten
Zeit kennen gelernt hatte, vorzusprechen. Zu der "Zunft" der Müller gehört es,
daß man bei dem Einwandern in die Mühle den "Sterz" durch die zweite und
dritte Stufe der Holztreppe steckt und den Berliner daneben legt. Von dieser
Kenntnis machte ich nun Gebrauch, und so wollte es der Zufall, daß ich in einer
Mühle mit meinem Kollegen zusammenstieß. In Döbeln bekam ich eine Stelle
bei einem Bäcker in der Nachbarschaft angewiesen, wo ich die Woche fünf Mark Lohn
und leidliche Kost erhielt, mit dem Meister aber, der ein unangenehmer Patron
war, viel Scherereien hatte. Als ich vierzehn Tage dort our, wunderten sich die
Leute, daß ich es in der Stellung so lange aushielt.

Ruch vier Wochen wanderte ich über Rochlitz, Rossen, Oschatz, Würzen und
Brandes nach Tauchn. Nachdem ich dort auf der etwas abseits von der Stadt
liegenden Penne meinen Berliner abgegeben hatte, ging ich zum "Talfeu" in die
Stadt, nahm dabei auch gleich die am Wege liegenden "Winden" (Häuser) mit, in
deren einem ich ein vorzügliches Mittagessen, bestehend aus Sauerbraten und rohen
Klößen, erhielt. Als ich gesättigt das Haus verließ, kam mir ein "Bntz" (Schutz¬
mann) entgegen, der die unverkennbare Absicht hatte, sich mit meiner Person näher
zu beschäftigen; da ich vou Rechts wegen in dem Hanse nichts zu suchen hatte,
Ware ich sicherlich "verschütt gegnugen" (verhnftet worden). Ich machte deshnlb
schleunigst Kehrt und ging zur Penne zurück, wo ich mich um einem geheimen Ort
versteckte. Der Bntz tun mir unes, ging in die Fremdenstube, fleppte die dort
sitzenden Kunden und frngte, ob nicht noch einer in der Penne sei. Die Kunden
erwiderten, der Fehlende sei kurz vorher nach der Stadt gegangen. Mit dieser
Auskunft mußte sich der Butz zufriedengebe", er wartete aber noch eine Weile im
Hofe und ging dünn, mis sich nichts Verdächtiges zeigte, weg. Als die Luft wieder
rein our, begab ich mich zum zweitenmnl much der Stube, ohne diesesmnl mit dem
Auge des Gesetzes zusnmmenznstvßen. Abends, mis wir in der Fremdeustube saßen
und unsre Leiblieder "schnllerten," erhielten wir wiederum Besuch von dem Ge-
fürchteten, der diesesmnl in Gesellschaft eines Kollegen kam und alle Versnmmelten
steppte. Ich güb ihm meine Fleppe mit der unschuldigsten Miene vou der Welt
und wunderte mich felbst dnrüber, daß er mich nicht erkannte, obwohl mein Winter-
überzieher und meine Wintermütze, die er sich doch gemerkt haben mußte, an der
Wnnd hingen.

Von Tnuchn wanderte ich zunächst nach Vvlkmarsdorf auf die Penne. Dort
our die Fremdeustube trotz dem Winterwetter nicht geheizt, wir schnfften ein wenig
Holz herbei und heizten den Kanonenofeu, sahen uns aber vergebens nach weiteren


Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

ihn mit einem Siebe, durch dessen Maschen er von seinen Pflegeeltern weiter mit
Nahrung versorgt wurde. Als er groß genug our, den Kampf ums Dasein auf
eigne Rechnung zu führen, brachten wir ihn zu einem Gastwirt in der Nachbar¬
schaft, der ein großer Tierfreund our, und erhielten von diesem als Honorar ein
paar Glas Bier, einige Zigarren und eine Selterswasserflasche voll „Harten"
(Nordhäuser).

An den freien Sonntagnachmittagen besuchte ich wie gewöhnlich meine Ver¬
wandten in Leisnig und warf bei dieser Gelegenheit zuweilen auch einen Blick in
die benachbarte Herberge der „Schüttelläppchen" (Weber) und der „Fettläppchen"
(Tuchmacher). Dort traf ich einmal einen Kunden, der, noch immer ganz erregt,
erzählte, er habe bei einem „Kaffer" ein Abenteuer mit einem „Keiluff" (Hund)
zu bestehn gehabt, der ihm die „Weilchen" (Hosen) und den „Wallmisch" (Rock)
zerrissen habe.

Im September verließ ich die Schanzenmühle und „tigerte" nach Döbeln,
wo ich einen Stellenvermittler für Müller und Bäcker aufsuche« wollte. Unter¬
wegs traf ich einen „Schwager," der acht Tage vorher die Schanzenmühle ver¬
lassen hatte. Ich hatte mir nämlich vorgenommen, auf meinen fernern Wanderungen
„auf fremden Tappen zu gehn," d. h. nicht nur bei den Meistern des Bäckcr-
gewerbes, sondern auch bei den Müllern, deren Zuuftbrnuche ich ja in der letzten
Zeit kennen gelernt hatte, vorzusprechen. Zu der „Zunft" der Müller gehört es,
daß man bei dem Einwandern in die Mühle den „Sterz" durch die zweite und
dritte Stufe der Holztreppe steckt und den Berliner daneben legt. Von dieser
Kenntnis machte ich nun Gebrauch, und so wollte es der Zufall, daß ich in einer
Mühle mit meinem Kollegen zusammenstieß. In Döbeln bekam ich eine Stelle
bei einem Bäcker in der Nachbarschaft angewiesen, wo ich die Woche fünf Mark Lohn
und leidliche Kost erhielt, mit dem Meister aber, der ein unangenehmer Patron
war, viel Scherereien hatte. Als ich vierzehn Tage dort our, wunderten sich die
Leute, daß ich es in der Stellung so lange aushielt.

Ruch vier Wochen wanderte ich über Rochlitz, Rossen, Oschatz, Würzen und
Brandes nach Tauchn. Nachdem ich dort auf der etwas abseits von der Stadt
liegenden Penne meinen Berliner abgegeben hatte, ging ich zum „Talfeu" in die
Stadt, nahm dabei auch gleich die am Wege liegenden „Winden" (Häuser) mit, in
deren einem ich ein vorzügliches Mittagessen, bestehend aus Sauerbraten und rohen
Klößen, erhielt. Als ich gesättigt das Haus verließ, kam mir ein „Bntz" (Schutz¬
mann) entgegen, der die unverkennbare Absicht hatte, sich mit meiner Person näher
zu beschäftigen; da ich vou Rechts wegen in dem Hanse nichts zu suchen hatte,
Ware ich sicherlich „verschütt gegnugen" (verhnftet worden). Ich machte deshnlb
schleunigst Kehrt und ging zur Penne zurück, wo ich mich um einem geheimen Ort
versteckte. Der Bntz tun mir unes, ging in die Fremdenstube, fleppte die dort
sitzenden Kunden und frngte, ob nicht noch einer in der Penne sei. Die Kunden
erwiderten, der Fehlende sei kurz vorher nach der Stadt gegangen. Mit dieser
Auskunft mußte sich der Butz zufriedengebe», er wartete aber noch eine Weile im
Hofe und ging dünn, mis sich nichts Verdächtiges zeigte, weg. Als die Luft wieder
rein our, begab ich mich zum zweitenmnl much der Stube, ohne diesesmnl mit dem
Auge des Gesetzes zusnmmenznstvßen. Abends, mis wir in der Fremdeustube saßen
und unsre Leiblieder „schnllerten," erhielten wir wiederum Besuch von dem Ge-
fürchteten, der diesesmnl in Gesellschaft eines Kollegen kam und alle Versnmmelten
steppte. Ich güb ihm meine Fleppe mit der unschuldigsten Miene vou der Welt
und wunderte mich felbst dnrüber, daß er mich nicht erkannte, obwohl mein Winter-
überzieher und meine Wintermütze, die er sich doch gemerkt haben mußte, an der
Wnnd hingen.

Von Tnuchn wanderte ich zunächst nach Vvlkmarsdorf auf die Penne. Dort
our die Fremdeustube trotz dem Winterwetter nicht geheizt, wir schnfften ein wenig
Holz herbei und heizten den Kanonenofeu, sahen uns aber vergebens nach weiteren


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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/555>, abgerufen am 05.02.2025.