Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Die moralischen Wochenschriften eine Klage, die uns UNI diese Zeit häufig begegnet. Der "Patriot" verlangt Auch der Müdchenerzichung wendet der "Patriot" seine besondre Fürsorge Auch der "Patriot" gibt ein Verzeichnis von Büchern, deren Kenntnis Die moralischen Wochenschriften eine Klage, die uns UNI diese Zeit häufig begegnet. Der „Patriot" verlangt Auch der Müdchenerzichung wendet der „Patriot" seine besondre Fürsorge Auch der „Patriot" gibt ein Verzeichnis von Büchern, deren Kenntnis <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0488" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296867"/> <fw type="header" place="top"> Die moralischen Wochenschriften</fw><lb/> <p xml:id="ID_2198" prev="#ID_2197"> eine Klage, die uns UNI diese Zeit häufig begegnet. Der „Patriot" verlangt<lb/> Staatsschulen oder wenigstens Staatsaufsicht darüber, daß die Kinder gut er¬<lb/> zogen werden und gediegnen Unterricht erhalten. Er verurteilt ferner, „daß<lb/> die Mutter ihre Kinder nicht selbst nähren, sondern Ammen überlassen."<lb/> Denen, die der Erziehung der Kinder gleichgiltig gegenüberstehn, ruft er zu:<lb/> „Lasset uur eure zarten Bäume unverwcchret und unverpfleget stehen; lasset<lb/> wilde Thiere, frevle Fäuste, Wind und Wetter daran wühlen, schneiden, brechen<lb/> und biegen, bis sie verwachsen sind und sehet zu, ob ihr ein tüchtiges Bau-<lb/> Holtz oder eine zierliche Allee werdet zu Wege bringen." Viele Hamburger<lb/> sorgten mehr für den Bauch, als für das Gemüt der Kinder, das sei keines<lb/> edeln Patrioten würdig. Nur indem mau die Kinder immer um sich habe und<lb/> sich mit ihnen beschäftige, könne man sie vor Bösem bewahren, ihre Fehler<lb/> bekämpfen und sie zu edeln, tüchtigen Menschen erziehn. Auch mit den Spielen<lb/> der Kinder beschäftigt sich die Wochenschrift. Sie empfiehlt für das reifere<lb/> Alter neben der Beschäftigung mit den schönen Künsten Pflege der Liebe zur<lb/> Natur, körperliche Übungen, Spaziergänge, Schwimmen. Bedeutungsvoll werden<lb/> ihre Auslassungen, wenn man bedenkt, zu welcher Zeit sie geschrieben wurden,<lb/> daß Gellert, Rousseau, Klopstock erst viel später diese Gedanken wieder auf¬<lb/> nahmen und empfahlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2199"> Auch der Müdchenerzichung wendet der „Patriot" seine besondre Fürsorge<lb/> zu. Er stellt die sehr richtige, auch jetzt noch vielfach geltende Bemerkung<lb/> auf, „daß wir uns durchgängig viel weniger Mühe geben unsere Töchter wohl<lb/> aufzubringen als unsere Söhne und zudem noch glauben, daß wir darin Recht<lb/> haben." Er beschäftigt sich vielfach mit Vorschlägen, wie dem abzuhelfen sei,<lb/> er plant die Errichtung einer Mädchenakademie und stellt für eine solche Gesetze<lb/> und Grundsätze auf. So denkt er schon um 1725 an eine Emanzipation des<lb/> weiblichen Geschlechts, die erst in unsrer Zeit bis zu einem gewissen Grade<lb/> verwirklicht worden ist, und widerlegt in ausführlicher Weise den Allsspruch<lb/> eines Franzosen, der da sagt: „Man könne mit Frauenzimmern nichts andres<lb/> als von Bagatellen reden."</p><lb/> <p xml:id="ID_2200" next="#ID_2201"> Auch der „Patriot" gibt ein Verzeichnis von Büchern, deren Kenntnis<lb/> er als wünschenswert für junge Mädchen und Frauen erachtet. Es unter¬<lb/> scheidet sich wesentlich von dem, dessen wir beim „Vernünftler" gedacht haben. Er<lb/> nennt zahlreiche Erbauungsbücher, darunter Scrivers Seelenschatz, Amts Bücher<lb/> vom wahren Christentum, Brockes Irdisches Vergnügen in Gott; unter den<lb/> Büchern zur Wissenschaft und Belehrung finden wir Hübners genealogische<lb/> Tabellen, Adelungs Hamburgische Chronika, Bödickers Grundsätze der Teutschen<lb/> Sprache, Ccmitzens Neben Stunden, die Durchlauchtigste Welt, Matthesons neu<lb/> eröffnetes Orchestre, Islömg-aus Französisch und deutsch usw. Neben den<lb/> genealogischen und speziell Hamburgischen Werken fallen uns noch in die<lb/> Augen: Scheuchzers kleine xliMvg, und Wolffeus Anfangs-Gründe der Mathe¬<lb/> matischen Wissenschaften. Es ist ein Zeichen der Zeit, daß sich die Frauen¬<lb/> welt mit naturwissenschaftliche» und mathematischen Werken zu beschäftigen<lb/> anfing. Eine weitere Abteilung der empfohlnen Bücher ist überschrieben:<lb/> „Zur Klugheit zu leben" und führt Bücher auf, wie I->es IZssais c>6 NcmtgMc!,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0488]
Die moralischen Wochenschriften
eine Klage, die uns UNI diese Zeit häufig begegnet. Der „Patriot" verlangt
Staatsschulen oder wenigstens Staatsaufsicht darüber, daß die Kinder gut er¬
zogen werden und gediegnen Unterricht erhalten. Er verurteilt ferner, „daß
die Mutter ihre Kinder nicht selbst nähren, sondern Ammen überlassen."
Denen, die der Erziehung der Kinder gleichgiltig gegenüberstehn, ruft er zu:
„Lasset uur eure zarten Bäume unverwcchret und unverpfleget stehen; lasset
wilde Thiere, frevle Fäuste, Wind und Wetter daran wühlen, schneiden, brechen
und biegen, bis sie verwachsen sind und sehet zu, ob ihr ein tüchtiges Bau-
Holtz oder eine zierliche Allee werdet zu Wege bringen." Viele Hamburger
sorgten mehr für den Bauch, als für das Gemüt der Kinder, das sei keines
edeln Patrioten würdig. Nur indem mau die Kinder immer um sich habe und
sich mit ihnen beschäftige, könne man sie vor Bösem bewahren, ihre Fehler
bekämpfen und sie zu edeln, tüchtigen Menschen erziehn. Auch mit den Spielen
der Kinder beschäftigt sich die Wochenschrift. Sie empfiehlt für das reifere
Alter neben der Beschäftigung mit den schönen Künsten Pflege der Liebe zur
Natur, körperliche Übungen, Spaziergänge, Schwimmen. Bedeutungsvoll werden
ihre Auslassungen, wenn man bedenkt, zu welcher Zeit sie geschrieben wurden,
daß Gellert, Rousseau, Klopstock erst viel später diese Gedanken wieder auf¬
nahmen und empfahlen.
Auch der Müdchenerzichung wendet der „Patriot" seine besondre Fürsorge
zu. Er stellt die sehr richtige, auch jetzt noch vielfach geltende Bemerkung
auf, „daß wir uns durchgängig viel weniger Mühe geben unsere Töchter wohl
aufzubringen als unsere Söhne und zudem noch glauben, daß wir darin Recht
haben." Er beschäftigt sich vielfach mit Vorschlägen, wie dem abzuhelfen sei,
er plant die Errichtung einer Mädchenakademie und stellt für eine solche Gesetze
und Grundsätze auf. So denkt er schon um 1725 an eine Emanzipation des
weiblichen Geschlechts, die erst in unsrer Zeit bis zu einem gewissen Grade
verwirklicht worden ist, und widerlegt in ausführlicher Weise den Allsspruch
eines Franzosen, der da sagt: „Man könne mit Frauenzimmern nichts andres
als von Bagatellen reden."
Auch der „Patriot" gibt ein Verzeichnis von Büchern, deren Kenntnis
er als wünschenswert für junge Mädchen und Frauen erachtet. Es unter¬
scheidet sich wesentlich von dem, dessen wir beim „Vernünftler" gedacht haben. Er
nennt zahlreiche Erbauungsbücher, darunter Scrivers Seelenschatz, Amts Bücher
vom wahren Christentum, Brockes Irdisches Vergnügen in Gott; unter den
Büchern zur Wissenschaft und Belehrung finden wir Hübners genealogische
Tabellen, Adelungs Hamburgische Chronika, Bödickers Grundsätze der Teutschen
Sprache, Ccmitzens Neben Stunden, die Durchlauchtigste Welt, Matthesons neu
eröffnetes Orchestre, Islömg-aus Französisch und deutsch usw. Neben den
genealogischen und speziell Hamburgischen Werken fallen uns noch in die
Augen: Scheuchzers kleine xliMvg, und Wolffeus Anfangs-Gründe der Mathe¬
matischen Wissenschaften. Es ist ein Zeichen der Zeit, daß sich die Frauen¬
welt mit naturwissenschaftliche» und mathematischen Werken zu beschäftigen
anfing. Eine weitere Abteilung der empfohlnen Bücher ist überschrieben:
„Zur Klugheit zu leben" und führt Bücher auf, wie I->es IZssais c>6 NcmtgMc!,
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