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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

fischen Interesse arbeitende Mailänder vorrisrs äolla. 8ora, Deutschland unlauterer
Annexionsabsichten in China beschuldigen, bringt der Pariser rsmps vom 21. Mai
über "die französische Ausbreitung in China" (I'ExMnsion kran^iss on VIüus) einen
drei lange Spalten umfassenden Artikel, worin das Verlangen nach der Tonkin
benachbarten chinesischen Provinz Se tschuen mit aller Deutlichkeit ausgesprochen
wird. Der französische Hafen von Haiphong sei dieser Provinz bedeutend näher
als alle andre Häfen in den chinesischen Meeren, und es bedürfe nur einer Ver¬
längerung der französischen Bahn von Milman, um die Kolonie Tonkin zum Aus¬
fuhrhafen jener Provinz zu machen. I/exxrmsion kiÄNyaisg par Iss seolss wird,
wie der Artikel weiter ausführt, dadurch betrieben, daß in Tschar-Tschou, der Haupt¬
stadt der Provinz Se tschuen, eine französische medizinische Schule errichtet werden soll,
für die bei dem Wiederzusammentritt der Kammer ein Kredit von 165000 Franken
erbeten werden wird. Man denke sich den Lärm in der fremden Presse, wenn der
Reichskanzler beim Reichstag einen Kredit von 165000 Mark verlangte, um in
der Provinz Shantnng eine deutsche medizinische Fakultät zu errichten! Wir haben
kein Interesse, Frankreich an der sxMnsiou tVimeMso zu hindern, aber man wäre
in Paris kaum berechtigt, sich zu wundern, wenn die deutschen Blätter über dieses
tatsächlich vorhandne und amtlich geförderte Ausbreitungsbedürfuis nur
annähernd den Lärm machten, den die Franzosen, Engländer usw. wegen der phan¬
tastischen deutschen Absichten auf Haitschon erhoben haben!

In der deutschen Presse macht die Krisis im Flottenverein, die zweite seit
seinem kurzen Bestehn, ein begreifliches Aufsehen. Wer die Sache objektiv be¬
trachtet, muß sich sagen, daß ein solcher Ausgang früher oder später unvermeidlich
War, sobald der Flottenverein, von seinem ursprünglichen Zweck abweichend: den
Flottengedanken im deutschen Volke zu beleben und zu fördern -- dazu überging,
Flvttenprogramme zu entwerfen und deren Jnnehaltnng von der Regierung in
einem für die leitenden Staatsmänner nicht selten verletzenden Tone zu fordern.
Dem Reichsmarineamt kann es ja nur erwünscht sein, daß sich in der Nation
eine von den Behörden unabhängige treibende Kraft des Flottengedankens annimmt
und ihn mit großer Energie auch über die jeweiligen amtlichen Linien hinaus ver¬
tritt. Das kaun sowohl dem Auslande als anch dem eignen Parlament gegenüber
recht nützlich sein. Es übt einen starken Druck auf die öffentliche Meinung,
auch auf den Reichstag aus, und doch können der Reichskanzler und der Staats¬
sekretär der Marine vor dem Reichstage jederzeit mit gutem Gewissen erklärein
"Ich danke Gott, daß ich nicht bin wie von diesen Einer." Aber es ist doch
selbstverständlich, daß die Leitung des Flvttenvereins nicht auf eigne Faust eine
drohende und herausfordernde Politik machen, oder der Negierung eine solche in
beleidigenden Tone vorschreiben, den Reichskanzler im Falle der Nichtbefolgung
für schlapp erklären darf usw. Gerade in Anbetracht der Förderung, die der
Verein fast von allen deutscheu Fürsten und Regierungen erfahren hat, war für die
Leitung ein besonders taktvolles Verhalten geboten. Die beiden ausgeschiedneu
Generale haben das Talleyrcmdsche Wort: ^v-tut tont, pas lrox av nicht ge¬
nügend beherzigt. Die Leitung der Marine -- wenigstens die jetzige, die sich
unzweifelhaft großes Verdienst um die Entwicklung der deutschen Seemacht er¬
worben, ihr feste und große Ziele gegeben und dann diese zu erreichen verstanden
hat -- muß doch besser wissen, was die Marine braucht, und wie sie es er¬
langen kann, auch technisch erlangen kann, als zwei Generale außer Dienst, die
sich um die Flotte und deren Bedürfnisse doch erst in den letzten Jahren habe"
kümmern können. Der Flottenverein soll Träger des Flottengedankens sein,
seine ideale große Werbekraft in das Land hinaustragen, aber es ist nicht seine
Aufgabe. Zahl und Art der Schiffe, ihre Größe, Geschwindigkeit, artilleristische
Leistungsfähigkeit usw. den Marinebehörden vorzuschreiben. Auch diese Tätigkeit
könnte bis zu einem gewissen Grade noch ertragen werden, zumal da ihr doch ein
anerkennenswerter hoher Patriotismus zugrunde liegt, nicht aber ein Übergreifen
in dem Sinne, daß wegen der Nichtbefolgung der von der Leitung des Flotten-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

fischen Interesse arbeitende Mailänder vorrisrs äolla. 8ora, Deutschland unlauterer
Annexionsabsichten in China beschuldigen, bringt der Pariser rsmps vom 21. Mai
über „die französische Ausbreitung in China" (I'ExMnsion kran^iss on VIüus) einen
drei lange Spalten umfassenden Artikel, worin das Verlangen nach der Tonkin
benachbarten chinesischen Provinz Se tschuen mit aller Deutlichkeit ausgesprochen
wird. Der französische Hafen von Haiphong sei dieser Provinz bedeutend näher
als alle andre Häfen in den chinesischen Meeren, und es bedürfe nur einer Ver¬
längerung der französischen Bahn von Milman, um die Kolonie Tonkin zum Aus¬
fuhrhafen jener Provinz zu machen. I/exxrmsion kiÄNyaisg par Iss seolss wird,
wie der Artikel weiter ausführt, dadurch betrieben, daß in Tschar-Tschou, der Haupt¬
stadt der Provinz Se tschuen, eine französische medizinische Schule errichtet werden soll,
für die bei dem Wiederzusammentritt der Kammer ein Kredit von 165000 Franken
erbeten werden wird. Man denke sich den Lärm in der fremden Presse, wenn der
Reichskanzler beim Reichstag einen Kredit von 165000 Mark verlangte, um in
der Provinz Shantnng eine deutsche medizinische Fakultät zu errichten! Wir haben
kein Interesse, Frankreich an der sxMnsiou tVimeMso zu hindern, aber man wäre
in Paris kaum berechtigt, sich zu wundern, wenn die deutschen Blätter über dieses
tatsächlich vorhandne und amtlich geförderte Ausbreitungsbedürfuis nur
annähernd den Lärm machten, den die Franzosen, Engländer usw. wegen der phan¬
tastischen deutschen Absichten auf Haitschon erhoben haben!

In der deutschen Presse macht die Krisis im Flottenverein, die zweite seit
seinem kurzen Bestehn, ein begreifliches Aufsehen. Wer die Sache objektiv be¬
trachtet, muß sich sagen, daß ein solcher Ausgang früher oder später unvermeidlich
War, sobald der Flottenverein, von seinem ursprünglichen Zweck abweichend: den
Flottengedanken im deutschen Volke zu beleben und zu fördern — dazu überging,
Flvttenprogramme zu entwerfen und deren Jnnehaltnng von der Regierung in
einem für die leitenden Staatsmänner nicht selten verletzenden Tone zu fordern.
Dem Reichsmarineamt kann es ja nur erwünscht sein, daß sich in der Nation
eine von den Behörden unabhängige treibende Kraft des Flottengedankens annimmt
und ihn mit großer Energie auch über die jeweiligen amtlichen Linien hinaus ver¬
tritt. Das kaun sowohl dem Auslande als anch dem eignen Parlament gegenüber
recht nützlich sein. Es übt einen starken Druck auf die öffentliche Meinung,
auch auf den Reichstag aus, und doch können der Reichskanzler und der Staats¬
sekretär der Marine vor dem Reichstage jederzeit mit gutem Gewissen erklärein
„Ich danke Gott, daß ich nicht bin wie von diesen Einer." Aber es ist doch
selbstverständlich, daß die Leitung des Flvttenvereins nicht auf eigne Faust eine
drohende und herausfordernde Politik machen, oder der Negierung eine solche in
beleidigenden Tone vorschreiben, den Reichskanzler im Falle der Nichtbefolgung
für schlapp erklären darf usw. Gerade in Anbetracht der Förderung, die der
Verein fast von allen deutscheu Fürsten und Regierungen erfahren hat, war für die
Leitung ein besonders taktvolles Verhalten geboten. Die beiden ausgeschiedneu
Generale haben das Talleyrcmdsche Wort: ^v-tut tont, pas lrox av nicht ge¬
nügend beherzigt. Die Leitung der Marine — wenigstens die jetzige, die sich
unzweifelhaft großes Verdienst um die Entwicklung der deutschen Seemacht er¬
worben, ihr feste und große Ziele gegeben und dann diese zu erreichen verstanden
hat — muß doch besser wissen, was die Marine braucht, und wie sie es er¬
langen kann, auch technisch erlangen kann, als zwei Generale außer Dienst, die
sich um die Flotte und deren Bedürfnisse doch erst in den letzten Jahren habe»
kümmern können. Der Flottenverein soll Träger des Flottengedankens sein,
seine ideale große Werbekraft in das Land hinaustragen, aber es ist nicht seine
Aufgabe. Zahl und Art der Schiffe, ihre Größe, Geschwindigkeit, artilleristische
Leistungsfähigkeit usw. den Marinebehörden vorzuschreiben. Auch diese Tätigkeit
könnte bis zu einem gewissen Grade noch ertragen werden, zumal da ihr doch ein
anerkennenswerter hoher Patriotismus zugrunde liegt, nicht aber ein Übergreifen
in dem Sinne, daß wegen der Nichtbefolgung der von der Leitung des Flotten-


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[0456] Maßgebliches und Unmaßgebliches fischen Interesse arbeitende Mailänder vorrisrs äolla. 8ora, Deutschland unlauterer Annexionsabsichten in China beschuldigen, bringt der Pariser rsmps vom 21. Mai über „die französische Ausbreitung in China" (I'ExMnsion kran^iss on VIüus) einen drei lange Spalten umfassenden Artikel, worin das Verlangen nach der Tonkin benachbarten chinesischen Provinz Se tschuen mit aller Deutlichkeit ausgesprochen wird. Der französische Hafen von Haiphong sei dieser Provinz bedeutend näher als alle andre Häfen in den chinesischen Meeren, und es bedürfe nur einer Ver¬ längerung der französischen Bahn von Milman, um die Kolonie Tonkin zum Aus¬ fuhrhafen jener Provinz zu machen. I/exxrmsion kiÄNyaisg par Iss seolss wird, wie der Artikel weiter ausführt, dadurch betrieben, daß in Tschar-Tschou, der Haupt¬ stadt der Provinz Se tschuen, eine französische medizinische Schule errichtet werden soll, für die bei dem Wiederzusammentritt der Kammer ein Kredit von 165000 Franken erbeten werden wird. Man denke sich den Lärm in der fremden Presse, wenn der Reichskanzler beim Reichstag einen Kredit von 165000 Mark verlangte, um in der Provinz Shantnng eine deutsche medizinische Fakultät zu errichten! Wir haben kein Interesse, Frankreich an der sxMnsiou tVimeMso zu hindern, aber man wäre in Paris kaum berechtigt, sich zu wundern, wenn die deutschen Blätter über dieses tatsächlich vorhandne und amtlich geförderte Ausbreitungsbedürfuis nur annähernd den Lärm machten, den die Franzosen, Engländer usw. wegen der phan¬ tastischen deutschen Absichten auf Haitschon erhoben haben! In der deutschen Presse macht die Krisis im Flottenverein, die zweite seit seinem kurzen Bestehn, ein begreifliches Aufsehen. Wer die Sache objektiv be¬ trachtet, muß sich sagen, daß ein solcher Ausgang früher oder später unvermeidlich War, sobald der Flottenverein, von seinem ursprünglichen Zweck abweichend: den Flottengedanken im deutschen Volke zu beleben und zu fördern — dazu überging, Flvttenprogramme zu entwerfen und deren Jnnehaltnng von der Regierung in einem für die leitenden Staatsmänner nicht selten verletzenden Tone zu fordern. Dem Reichsmarineamt kann es ja nur erwünscht sein, daß sich in der Nation eine von den Behörden unabhängige treibende Kraft des Flottengedankens annimmt und ihn mit großer Energie auch über die jeweiligen amtlichen Linien hinaus ver¬ tritt. Das kaun sowohl dem Auslande als anch dem eignen Parlament gegenüber recht nützlich sein. Es übt einen starken Druck auf die öffentliche Meinung, auch auf den Reichstag aus, und doch können der Reichskanzler und der Staats¬ sekretär der Marine vor dem Reichstage jederzeit mit gutem Gewissen erklärein „Ich danke Gott, daß ich nicht bin wie von diesen Einer." Aber es ist doch selbstverständlich, daß die Leitung des Flvttenvereins nicht auf eigne Faust eine drohende und herausfordernde Politik machen, oder der Negierung eine solche in beleidigenden Tone vorschreiben, den Reichskanzler im Falle der Nichtbefolgung für schlapp erklären darf usw. Gerade in Anbetracht der Förderung, die der Verein fast von allen deutscheu Fürsten und Regierungen erfahren hat, war für die Leitung ein besonders taktvolles Verhalten geboten. Die beiden ausgeschiedneu Generale haben das Talleyrcmdsche Wort: ^v-tut tont, pas lrox av nicht ge¬ nügend beherzigt. Die Leitung der Marine — wenigstens die jetzige, die sich unzweifelhaft großes Verdienst um die Entwicklung der deutschen Seemacht er¬ worben, ihr feste und große Ziele gegeben und dann diese zu erreichen verstanden hat — muß doch besser wissen, was die Marine braucht, und wie sie es er¬ langen kann, auch technisch erlangen kann, als zwei Generale außer Dienst, die sich um die Flotte und deren Bedürfnisse doch erst in den letzten Jahren habe» kümmern können. Der Flottenverein soll Träger des Flottengedankens sein, seine ideale große Werbekraft in das Land hinaustragen, aber es ist nicht seine Aufgabe. Zahl und Art der Schiffe, ihre Größe, Geschwindigkeit, artilleristische Leistungsfähigkeit usw. den Marinebehörden vorzuschreiben. Auch diese Tätigkeit könnte bis zu einem gewissen Grade noch ertragen werden, zumal da ihr doch ein anerkennenswerter hoher Patriotismus zugrunde liegt, nicht aber ein Übergreifen in dem Sinne, daß wegen der Nichtbefolgung der von der Leitung des Flotten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/456>, abgerufen am 05.02.2025.