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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Herrenmenschen

oder gehn wollte, so sah mich Groppoff höhnisch an und tippte wie zufällig auf
den Zwanziger an seiner Uhrkette, und ich war sein willfähriger Sklave, -- Es war
gegen Morgen nach einer durchspielten Nacht, da kam es zur Entscheidung. Beide
hatten viel getrunken, Groppoff war kalt geblieben, und Van Term war das Blut
in den Kopf gestiegen. Van Term hatte alles verspielt und forderte von Groppoff
Vorschuß. Aber Groppoff wollte ihm nichts mehr borgen. Van Term wurde
heftig, schmähte Groppoff und nannte ihn ein verdammtes Raubtier. Groppoff
griff als Antwort in die Tasche und legte eine Anzahl Schuldscheine auf den
Tisch, die Van Term ausgestellt hatte. Die Schuld belief sich auf eine grausam
hohe Summe. Was soll ich damit? schrie Van Term. Ehe ich das zahle, schieße
ich mir eine Kugel vor den Kopf. -- Sie sind nicht der Mann dazu, das zu
tun, antwortete Groppoff mit kaltem Hohne. Aber merken sie sich, diese Scheine
müssen bis morgen Mittag um zwölf eingelöst sein. -- Jetzt kam Van Term zu
sich und wurde leichenblaß. Herr Doktor, ich habe nie einen Menschen so um
Barmherzigkeit bitten sehen wie ihn. Aber Groppoff und barmherzig! Empfehlen
Sie mich Ihrer Frau Gemahlin, sagte er, und wenn er -- Van Term -- jetzt
als ein wortbrüchiger und ehrloser Mann vor ihr stünde, so wäre das seine Re¬
vanche. Sie wisse schon wofür. -- Herr Doktor, versteh" Sie die Größe der
Geduld Gottes, daß er über Groppoff nicht Schwefel und Feuer regnen läßt?

Sie sind seinesgleichen, sagte der Doktor, Sie haben dem Raubtier das Wild
zugetrieben. Er würde auch Sie mit Feuer und Schwert treffen.

Ich wills dulden ohne Klage, erwiderte Kondrot, das Haupt senkend, doch
würde ich mich freuen, wenn ihn das Gericht zuerst erreichte. -- Aber ich will
nicht richten. Herr Doktor, fallen Sie mir in die Rede, wenn ich es tun sollte.
Ich habe mit ihm gelogen, gestohlen und gemordet, er steht da wie ein Herr, den
nichts anficht, und mich erwürgt es. -- Wie die Sonne aufging, ging Van Term
davon, taumelnd wie im Traume. Eine Stunde später fanden sie ihn im Walde,
er hatte sich erschossen. Sie fragen, wo er die Pistole herbekommen hat? Ich
habe sie ihm in die Manteltasche gesteckt. Ich habe es getan aus Mitleid mit
dem Manne und aus Haß gegen Groppoff. Ich glaube, es ist nicht die schlechteste
Tat, die ich getan habe.

Und Frau Van Term wußte um den Handel? fragte Ramborn.

Frau Van Term hat nie etwas davon erfahren. -- Nun gab es ein paar
Jahre Ruhe. Dennoch lebte ich in steter Angst, daß mir der Boden unter den
Füßen einbrechen werde. Daß das letzte Wort noch nicht gesprochen sei, das wußte
ich, dazu kannte ich Groppoff zu gut. Seit Sie hier sind, haben wir wieder Krieg.

Aber mein Gott, rief Ramborn, was habe ich denn damit zu tun?

Sie? rief Kondrot. Er haßt Sie. An dem Tage, wo er hörte, Sie seien
in das preußische Schlößchen gezogen, schwur er, daß er Sie unter die Füße
treten werde. Ich bin zugegen gewesen, als er es tat. Er oder ich, rief er. Ich
dulde es nicht, daß mir jemand in den Weg tritt.

Der Doktor lachte. Dachte er vielleicht, ich wollte Frau Van Term heiraten?

Vielleicht. Jedenfalls standen Sie ihm im Wege. Den Mann hatte er zugrunde
gerichtet, jetzt wollte er die Frau mürbe machen. Er wollte die Hand auf ihr Gut
legen und eines Tags sprechen: Wähle, mich oder den Bettelstab. Er war nahe am
Ziele. Den Käufer für das Gut hatte er schon, die Frauen waren in Not, und
Heinemann tat alles, das Gut zu ruinieren. Wissen Sie, Herr Doktor, wer diesen
Menschen zum Inspektor ausgewählt und zu dem gemacht hat, was er ist? Wissen
Sie, wer den schändlichen Kontrakt ausgedacht hat? Wissen Sie, wer alle Briefe
liest, die auf der Post abgegeben werden?

Aber zum Henker, rief Ramborn, wie kann Madüe gegen seine Pflicht Briefe
öffnen?

Er hat ihn auch unter der Hand, sagte Kondrot, er hat sie alle unter der
Hand, den einen so und den andern so. Er hat sie alle zu Schuften gemacht.


Herrenmenschen

oder gehn wollte, so sah mich Groppoff höhnisch an und tippte wie zufällig auf
den Zwanziger an seiner Uhrkette, und ich war sein willfähriger Sklave, — Es war
gegen Morgen nach einer durchspielten Nacht, da kam es zur Entscheidung. Beide
hatten viel getrunken, Groppoff war kalt geblieben, und Van Term war das Blut
in den Kopf gestiegen. Van Term hatte alles verspielt und forderte von Groppoff
Vorschuß. Aber Groppoff wollte ihm nichts mehr borgen. Van Term wurde
heftig, schmähte Groppoff und nannte ihn ein verdammtes Raubtier. Groppoff
griff als Antwort in die Tasche und legte eine Anzahl Schuldscheine auf den
Tisch, die Van Term ausgestellt hatte. Die Schuld belief sich auf eine grausam
hohe Summe. Was soll ich damit? schrie Van Term. Ehe ich das zahle, schieße
ich mir eine Kugel vor den Kopf. — Sie sind nicht der Mann dazu, das zu
tun, antwortete Groppoff mit kaltem Hohne. Aber merken sie sich, diese Scheine
müssen bis morgen Mittag um zwölf eingelöst sein. — Jetzt kam Van Term zu
sich und wurde leichenblaß. Herr Doktor, ich habe nie einen Menschen so um
Barmherzigkeit bitten sehen wie ihn. Aber Groppoff und barmherzig! Empfehlen
Sie mich Ihrer Frau Gemahlin, sagte er, und wenn er — Van Term — jetzt
als ein wortbrüchiger und ehrloser Mann vor ihr stünde, so wäre das seine Re¬
vanche. Sie wisse schon wofür. — Herr Doktor, versteh» Sie die Größe der
Geduld Gottes, daß er über Groppoff nicht Schwefel und Feuer regnen läßt?

Sie sind seinesgleichen, sagte der Doktor, Sie haben dem Raubtier das Wild
zugetrieben. Er würde auch Sie mit Feuer und Schwert treffen.

Ich wills dulden ohne Klage, erwiderte Kondrot, das Haupt senkend, doch
würde ich mich freuen, wenn ihn das Gericht zuerst erreichte. — Aber ich will
nicht richten. Herr Doktor, fallen Sie mir in die Rede, wenn ich es tun sollte.
Ich habe mit ihm gelogen, gestohlen und gemordet, er steht da wie ein Herr, den
nichts anficht, und mich erwürgt es. — Wie die Sonne aufging, ging Van Term
davon, taumelnd wie im Traume. Eine Stunde später fanden sie ihn im Walde,
er hatte sich erschossen. Sie fragen, wo er die Pistole herbekommen hat? Ich
habe sie ihm in die Manteltasche gesteckt. Ich habe es getan aus Mitleid mit
dem Manne und aus Haß gegen Groppoff. Ich glaube, es ist nicht die schlechteste
Tat, die ich getan habe.

Und Frau Van Term wußte um den Handel? fragte Ramborn.

Frau Van Term hat nie etwas davon erfahren. — Nun gab es ein paar
Jahre Ruhe. Dennoch lebte ich in steter Angst, daß mir der Boden unter den
Füßen einbrechen werde. Daß das letzte Wort noch nicht gesprochen sei, das wußte
ich, dazu kannte ich Groppoff zu gut. Seit Sie hier sind, haben wir wieder Krieg.

Aber mein Gott, rief Ramborn, was habe ich denn damit zu tun?

Sie? rief Kondrot. Er haßt Sie. An dem Tage, wo er hörte, Sie seien
in das preußische Schlößchen gezogen, schwur er, daß er Sie unter die Füße
treten werde. Ich bin zugegen gewesen, als er es tat. Er oder ich, rief er. Ich
dulde es nicht, daß mir jemand in den Weg tritt.

Der Doktor lachte. Dachte er vielleicht, ich wollte Frau Van Term heiraten?

Vielleicht. Jedenfalls standen Sie ihm im Wege. Den Mann hatte er zugrunde
gerichtet, jetzt wollte er die Frau mürbe machen. Er wollte die Hand auf ihr Gut
legen und eines Tags sprechen: Wähle, mich oder den Bettelstab. Er war nahe am
Ziele. Den Käufer für das Gut hatte er schon, die Frauen waren in Not, und
Heinemann tat alles, das Gut zu ruinieren. Wissen Sie, Herr Doktor, wer diesen
Menschen zum Inspektor ausgewählt und zu dem gemacht hat, was er ist? Wissen
Sie, wer den schändlichen Kontrakt ausgedacht hat? Wissen Sie, wer alle Briefe
liest, die auf der Post abgegeben werden?

Aber zum Henker, rief Ramborn, wie kann Madüe gegen seine Pflicht Briefe
öffnen?

Er hat ihn auch unter der Hand, sagte Kondrot, er hat sie alle unter der
Hand, den einen so und den andern so. Er hat sie alle zu Schuften gemacht.


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[0386] Herrenmenschen oder gehn wollte, so sah mich Groppoff höhnisch an und tippte wie zufällig auf den Zwanziger an seiner Uhrkette, und ich war sein willfähriger Sklave, — Es war gegen Morgen nach einer durchspielten Nacht, da kam es zur Entscheidung. Beide hatten viel getrunken, Groppoff war kalt geblieben, und Van Term war das Blut in den Kopf gestiegen. Van Term hatte alles verspielt und forderte von Groppoff Vorschuß. Aber Groppoff wollte ihm nichts mehr borgen. Van Term wurde heftig, schmähte Groppoff und nannte ihn ein verdammtes Raubtier. Groppoff griff als Antwort in die Tasche und legte eine Anzahl Schuldscheine auf den Tisch, die Van Term ausgestellt hatte. Die Schuld belief sich auf eine grausam hohe Summe. Was soll ich damit? schrie Van Term. Ehe ich das zahle, schieße ich mir eine Kugel vor den Kopf. — Sie sind nicht der Mann dazu, das zu tun, antwortete Groppoff mit kaltem Hohne. Aber merken sie sich, diese Scheine müssen bis morgen Mittag um zwölf eingelöst sein. — Jetzt kam Van Term zu sich und wurde leichenblaß. Herr Doktor, ich habe nie einen Menschen so um Barmherzigkeit bitten sehen wie ihn. Aber Groppoff und barmherzig! Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin, sagte er, und wenn er — Van Term — jetzt als ein wortbrüchiger und ehrloser Mann vor ihr stünde, so wäre das seine Re¬ vanche. Sie wisse schon wofür. — Herr Doktor, versteh» Sie die Größe der Geduld Gottes, daß er über Groppoff nicht Schwefel und Feuer regnen läßt? Sie sind seinesgleichen, sagte der Doktor, Sie haben dem Raubtier das Wild zugetrieben. Er würde auch Sie mit Feuer und Schwert treffen. Ich wills dulden ohne Klage, erwiderte Kondrot, das Haupt senkend, doch würde ich mich freuen, wenn ihn das Gericht zuerst erreichte. — Aber ich will nicht richten. Herr Doktor, fallen Sie mir in die Rede, wenn ich es tun sollte. Ich habe mit ihm gelogen, gestohlen und gemordet, er steht da wie ein Herr, den nichts anficht, und mich erwürgt es. — Wie die Sonne aufging, ging Van Term davon, taumelnd wie im Traume. Eine Stunde später fanden sie ihn im Walde, er hatte sich erschossen. Sie fragen, wo er die Pistole herbekommen hat? Ich habe sie ihm in die Manteltasche gesteckt. Ich habe es getan aus Mitleid mit dem Manne und aus Haß gegen Groppoff. Ich glaube, es ist nicht die schlechteste Tat, die ich getan habe. Und Frau Van Term wußte um den Handel? fragte Ramborn. Frau Van Term hat nie etwas davon erfahren. — Nun gab es ein paar Jahre Ruhe. Dennoch lebte ich in steter Angst, daß mir der Boden unter den Füßen einbrechen werde. Daß das letzte Wort noch nicht gesprochen sei, das wußte ich, dazu kannte ich Groppoff zu gut. Seit Sie hier sind, haben wir wieder Krieg. Aber mein Gott, rief Ramborn, was habe ich denn damit zu tun? Sie? rief Kondrot. Er haßt Sie. An dem Tage, wo er hörte, Sie seien in das preußische Schlößchen gezogen, schwur er, daß er Sie unter die Füße treten werde. Ich bin zugegen gewesen, als er es tat. Er oder ich, rief er. Ich dulde es nicht, daß mir jemand in den Weg tritt. Der Doktor lachte. Dachte er vielleicht, ich wollte Frau Van Term heiraten? Vielleicht. Jedenfalls standen Sie ihm im Wege. Den Mann hatte er zugrunde gerichtet, jetzt wollte er die Frau mürbe machen. Er wollte die Hand auf ihr Gut legen und eines Tags sprechen: Wähle, mich oder den Bettelstab. Er war nahe am Ziele. Den Käufer für das Gut hatte er schon, die Frauen waren in Not, und Heinemann tat alles, das Gut zu ruinieren. Wissen Sie, Herr Doktor, wer diesen Menschen zum Inspektor ausgewählt und zu dem gemacht hat, was er ist? Wissen Sie, wer den schändlichen Kontrakt ausgedacht hat? Wissen Sie, wer alle Briefe liest, die auf der Post abgegeben werden? Aber zum Henker, rief Ramborn, wie kann Madüe gegen seine Pflicht Briefe öffnen? Er hat ihn auch unter der Hand, sagte Kondrot, er hat sie alle unter der Hand, den einen so und den andern so. Er hat sie alle zu Schuften gemacht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/386>, abgerufen am 05.02.2025.