Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Schulhaß Und Hecresschen gar noch eine größere gewesen sein würde, müßte erst noch erbracht werden. ^chulhaß und Heeresscheu von Ludwig Renner in Eingange des fränkischen Gymnasiums, dessen lange Kloster- Über den düstersten Fichtenwald breitet die Luft einen blauen Schleier, Trotzdem schaue ich oft auf meine Schulzeit zurück. Dann werden alle Grenzboten II 190ü "9
Schulhaß Und Hecresschen gar noch eine größere gewesen sein würde, müßte erst noch erbracht werden. ^chulhaß und Heeresscheu von Ludwig Renner in Eingange des fränkischen Gymnasiums, dessen lange Kloster- Über den düstersten Fichtenwald breitet die Luft einen blauen Schleier, Trotzdem schaue ich oft auf meine Schulzeit zurück. Dann werden alle Grenzboten II 190ü »9
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Schulhaß Und Hecresschen
gar noch eine größere gewesen sein würde, müßte erst noch erbracht werden.
Ist dem Sachsen unter solchen Umständen noch etwas zu wünschen, so ist es
nur das eine, daß er, der sich sonst ans allen Gebieten als ein MLws xro-
xoÄtitzuö tenax, vir bewährt hat, für die Zukunft, gestützt auf seine mannig¬
fachen Vorzüge, mehr Gewicht auf die Ausbildung vaterländischen Empfindens
wie des Gefühls für vaterländische Würde legt und sich dadurch nach außen
wie nach innen die Achtung und die Anerkennung sichert, die ihm nicht
überall willig gewährt wird, auf die er aber in hohem Maße Anspruch er¬
heben kann. ^„„„„__„
^chulhaß und Heeresscheu
von Ludwig Renner
in Eingange des fränkischen Gymnasiums, dessen lange Kloster-
gnnge ich mit dem Eifer des Sextaners, dein Phlegma des
Tertianers und der Würde des Primaners durchmessen habe,
standen zwei hohe Nußbäume. Oft sah ich als Volksschüler zu,
wie sich in ihrem Schatten, den nur der alte Pedell zu schätze»
wußte, Sextaner und Quintaner, die damals Respektspersonen für mich waren,
ihrer Würde vergessend um die gefallnen Früchte balgten, wenn sich nach den
Spätsommerferien die Schüler wieder aus dem Lande der Franken zusammen¬
gefunden hatten. Die schönen Burne fielen vor meiner Gymnasialzeit, nur
mein ältrer Bruder hat noch in ihrem Schatten gespielt. Aber ich dachte als
Lateiner oft an sie, sie sind mir lieb geworden, als sie längst gefallen waren,
und heute grünen und rauschen sie mir in der Erinnerung als das Sinnbild
einer Poesie der Schule, die schon meiner Schulzeit fremd war, der Schule der
Gegenwart aber noch ferner liegt als der Schule meiner Jugend.
Über den düstersten Fichtenwald breitet die Luft einen blauen Schleier,
während man von ihm wegwandert. Warum liegt für viele Menschen die
Schule dunkel, mißfarben in der Ferne der Jugendzeit, so oft sie von ihrem
Wege zurückschauen? Besser, als mir lieb ist, weiß ich, was diese Meuscheu
empfinden. Auf meine Jngend haben die Schulhäuser schwere Schatten ge¬
worfen, sodaß der Sonnenschein, der über jeder, auch über einer armen Jugend
biegen soll, bis auf wenige unverwüstliche Fleckchen in den tiefsten, heimlichsten
Winkeln des Vaterhauses erstarb.
Trotzdem schaue ich oft auf meine Schulzeit zurück. Dann werden alle
Gefühle und Stimmungen wieder wach, die das Herz des Kindes und des
Ämglings bewegt haben. Ans den Schmerzen des xl'irruiws omnium, der
Um seinen Platz besorgt war, und ans der Unrnhe des Primaners, der vou
häuslichen Sorgen in der Pflege einer künstlerischen Anlage aufatmen wollte,
aber durch Schnlsorgen immer wieder zu der Beschäftigung mit Unterrichts¬
fächern, für die er nicht begabt war, gezwungen wurde, schöpfe ich seit vierzehn
fahren in pädagogischen Fragen Rat. Dadurch bin ich vielleicht nicht vor
irrender Milde, sicher aber vor verbitternder Härte bewahrt worden.
Grenzboten II 190ü »9
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