Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches seinen dortigen liebenswürdigen Landsleuten mit dem Fieber gruselig gemacht wird, Kundts Hoffnung für die Zukunft stützt sich auf die Überzeugung, daß der Dagegen seien die Aussichten in Afrika und in Südamerika gut. Der Ham¬ Der Export in die afrikanischen Faktoreien hat darum bloß den Zweck, die Ein¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches seinen dortigen liebenswürdigen Landsleuten mit dem Fieber gruselig gemacht wird, Kundts Hoffnung für die Zukunft stützt sich auf die Überzeugung, daß der Dagegen seien die Aussichten in Afrika und in Südamerika gut. Der Ham¬ Der Export in die afrikanischen Faktoreien hat darum bloß den Zweck, die Ein¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0233" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297365"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1066" prev="#ID_1065"> seinen dortigen liebenswürdigen Landsleuten mit dem Fieber gruselig gemacht wird,<lb/> und wie es der Musterreiter im brasilianischen Urwald treibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1067"> Kundts Hoffnung für die Zukunft stützt sich auf die Überzeugung, daß der<lb/> Weltmarkt keineswegs eine uuumschrcinkt herrschende und jeder planmäßigen Beein¬<lb/> flussung unzugängliche Macht sei. Die Trustbildung beweise das Gegenteil. Kapital¬<lb/> kräftige Unternehmerverbände vermöchten die Produktion von den Schwankungen<lb/> des Weltmarkts zu emanzipieren, dadurch sich feste Preise und ihren Arbeitern<lb/> stetige Beschäftigung zu sichern. Es frage sich nun, welche überseeische Länder den<lb/> sichersten und höchsten Gewinn versprachen. Von der Statistik dürfe mau sich<lb/> nicht blenden lassen. Freilich weise die für den Export in die zivilisiertesten<lb/> Länder die höchste» Zahlen nach, aber man müsse fragen, ob dabei auch ordentlich<lb/> verdient werde. Die Vereinigte» Staaten kauften uns, seitdem sie ihre eigne<lb/> Industrie haben, nur uoch solche Waren ab, und zwar zu schlechten Preisen, die<lb/> sie selbst nicht herstellen mögen, weil nicht viel daran zu verdienen ist. Vom<lb/> mohammedanischen Orient, den Kundt nicht ans eigner Anschauung kennt, verspricht<lb/> er sich nicht viel, weil das Land verwahrlost und nicht leicht wieder fruchtbar zu<lb/> macheu sei, weil der mohammedanische Fatalismus jedem Fortschritt im Wege stehe,<lb/> und weil in diesen exponierten Gegenden bei jeder Unternehmung zu viel Kraft<lb/> auf Politisch-diplomatische Verhandlungen verschwendet werden müsse. In China<lb/> nud Japan sei nichts zu holen. Die Hoffnung auf Ostasien sei ebenso unbegründet<lb/> wie die Furcht vor der gelben Gefahr. Die großen Städte dieser Länder seien<lb/> nichts als von einer blutarme», bedürfnislosen Bevölkerung bewohnte große Dörfer.<lb/> Im tropischen Asien könne zwar der einzelne deutsche Kaufmann gute Geschäfte<lb/> mache«, aber Gesellschaften, die dort Eisenbahnen bauen oder Pflanzungen anlegen<lb/> wollten, würden von den Indien beherrschenden Nationen: Engländern und<lb/> Holländern, nicht geduldet werden. Am wenigsten möge man in Australien von<lb/> uns wissen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1068"> Dagegen seien die Aussichten in Afrika und in Südamerika gut. Der Ham¬<lb/> burger Handel sei jetzt schon auf den Verkehr mit den Tropen beschränkt, weil die<lb/> deutscheu Fabrikanten mit ihren Abnehmern in den zivilisierten Ländern direkt<lb/> Verkehren, den Reedern bloß noch der Transport der bestellten Waren, und deu<lb/> Kaufleuten der Seestädte nnr noch das Geschäft mit solchen Gegenden bleibt, die<lb/> der binnenländische deutsche Fabrikant mit Korrespondenz und Reisenden nicht zu<lb/> erreichen vermag. Afrika nun kommt bloß für den Import in Betracht, und zwar<lb/> ist vorläufig Gummi der wichtigste Artikel, weil seine industrielle Verwendung<lb/> einen immer größer» Umfang annimmt. Selbstverständlich müssen die Import¬<lb/> erzeugnisse mit deutschen Jndnstriewaren bezahlt werden, aber an denen wird in<lb/> Afrika nichts verdient, weil die Neger nur ganz einfache und geringwertige Gegen¬<lb/> stände brauche» können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1069" next="#ID_1070"> Der Export in die afrikanischen Faktoreien hat darum bloß den Zweck, die Ein¬<lb/> fuhr von Tropenerze»g»lösen, zunächst von Gummi, zu ermögliche». Dagege» ver¬<lb/> spricht die Ausfuhr nach Südamerika sehr viel, dessen halbzivilisierte Bewohner<lb/> glänzende Großstädte und europäische Bedürfnisse habe», die sie mit eigner Arbeit<lb/> zu befriedige» zu faul sind. Hier sollte» die deutschen Fabrikanten eigne Waren¬<lb/> häuser und Läden einrichten. Sie könnten sich dadurch vollständig vom Weltmarkt<lb/> emanzipieren und bei gutem Verdienst jede Konkurrenz schlagen, weil die dortigen<lb/> Kaufleute mit geliehenen: Kapital arbeiten, das sie so hoch verzinsen müssen, daß<lb/> die Warenpreise dadurch auf das drei- bis fünffache der europäischen gesteigert<lb/> werden. Kundt hat diesen Vorschlag in einem (ebenfalls bei Franz Siemenroth er¬<lb/> schienenen) Buche über Brasilien ausführlicher entwickelt. Ein Monopol dort zu er¬<lb/> langen, wie es sich eine einzelne Hamburger Firma für Venezuela zu verschaffen<lb/> gewußt habe, sei gar nicht schwer. Der großartigen Kulturarbeit der Jesuiten in<lb/> Paraguay, deren Überreste noch nicht vollständig vertilgt seien, gedenkt er an<lb/> mehreren Stellen. Was den Import betrifft, so müsse der deutsche Kaufmann</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0233]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
seinen dortigen liebenswürdigen Landsleuten mit dem Fieber gruselig gemacht wird,
und wie es der Musterreiter im brasilianischen Urwald treibt.
Kundts Hoffnung für die Zukunft stützt sich auf die Überzeugung, daß der
Weltmarkt keineswegs eine uuumschrcinkt herrschende und jeder planmäßigen Beein¬
flussung unzugängliche Macht sei. Die Trustbildung beweise das Gegenteil. Kapital¬
kräftige Unternehmerverbände vermöchten die Produktion von den Schwankungen
des Weltmarkts zu emanzipieren, dadurch sich feste Preise und ihren Arbeitern
stetige Beschäftigung zu sichern. Es frage sich nun, welche überseeische Länder den
sichersten und höchsten Gewinn versprachen. Von der Statistik dürfe mau sich
nicht blenden lassen. Freilich weise die für den Export in die zivilisiertesten
Länder die höchste» Zahlen nach, aber man müsse fragen, ob dabei auch ordentlich
verdient werde. Die Vereinigte» Staaten kauften uns, seitdem sie ihre eigne
Industrie haben, nur uoch solche Waren ab, und zwar zu schlechten Preisen, die
sie selbst nicht herstellen mögen, weil nicht viel daran zu verdienen ist. Vom
mohammedanischen Orient, den Kundt nicht ans eigner Anschauung kennt, verspricht
er sich nicht viel, weil das Land verwahrlost und nicht leicht wieder fruchtbar zu
macheu sei, weil der mohammedanische Fatalismus jedem Fortschritt im Wege stehe,
und weil in diesen exponierten Gegenden bei jeder Unternehmung zu viel Kraft
auf Politisch-diplomatische Verhandlungen verschwendet werden müsse. In China
nud Japan sei nichts zu holen. Die Hoffnung auf Ostasien sei ebenso unbegründet
wie die Furcht vor der gelben Gefahr. Die großen Städte dieser Länder seien
nichts als von einer blutarme», bedürfnislosen Bevölkerung bewohnte große Dörfer.
Im tropischen Asien könne zwar der einzelne deutsche Kaufmann gute Geschäfte
mache«, aber Gesellschaften, die dort Eisenbahnen bauen oder Pflanzungen anlegen
wollten, würden von den Indien beherrschenden Nationen: Engländern und
Holländern, nicht geduldet werden. Am wenigsten möge man in Australien von
uns wissen.
Dagegen seien die Aussichten in Afrika und in Südamerika gut. Der Ham¬
burger Handel sei jetzt schon auf den Verkehr mit den Tropen beschränkt, weil die
deutscheu Fabrikanten mit ihren Abnehmern in den zivilisierten Ländern direkt
Verkehren, den Reedern bloß noch der Transport der bestellten Waren, und deu
Kaufleuten der Seestädte nnr noch das Geschäft mit solchen Gegenden bleibt, die
der binnenländische deutsche Fabrikant mit Korrespondenz und Reisenden nicht zu
erreichen vermag. Afrika nun kommt bloß für den Import in Betracht, und zwar
ist vorläufig Gummi der wichtigste Artikel, weil seine industrielle Verwendung
einen immer größer» Umfang annimmt. Selbstverständlich müssen die Import¬
erzeugnisse mit deutschen Jndnstriewaren bezahlt werden, aber an denen wird in
Afrika nichts verdient, weil die Neger nur ganz einfache und geringwertige Gegen¬
stände brauche» können.
Der Export in die afrikanischen Faktoreien hat darum bloß den Zweck, die Ein¬
fuhr von Tropenerze»g»lösen, zunächst von Gummi, zu ermögliche». Dagege» ver¬
spricht die Ausfuhr nach Südamerika sehr viel, dessen halbzivilisierte Bewohner
glänzende Großstädte und europäische Bedürfnisse habe», die sie mit eigner Arbeit
zu befriedige» zu faul sind. Hier sollte» die deutschen Fabrikanten eigne Waren¬
häuser und Läden einrichten. Sie könnten sich dadurch vollständig vom Weltmarkt
emanzipieren und bei gutem Verdienst jede Konkurrenz schlagen, weil die dortigen
Kaufleute mit geliehenen: Kapital arbeiten, das sie so hoch verzinsen müssen, daß
die Warenpreise dadurch auf das drei- bis fünffache der europäischen gesteigert
werden. Kundt hat diesen Vorschlag in einem (ebenfalls bei Franz Siemenroth er¬
schienenen) Buche über Brasilien ausführlicher entwickelt. Ein Monopol dort zu er¬
langen, wie es sich eine einzelne Hamburger Firma für Venezuela zu verschaffen
gewußt habe, sei gar nicht schwer. Der großartigen Kulturarbeit der Jesuiten in
Paraguay, deren Überreste noch nicht vollständig vertilgt seien, gedenkt er an
mehreren Stellen. Was den Import betrifft, so müsse der deutsche Kaufmann
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