Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Elsaß - Lothringische Verfassungsfragen teilung des eroberten Besitzes an die einzelnen deutschen Staaten ausdrücklich Elsaß - Lothringische Verfassungsfragen teilung des eroberten Besitzes an die einzelnen deutschen Staaten ausdrücklich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297153"/> <fw type="header" place="top"> Elsaß - Lothringische Verfassungsfragen</fw><lb/> <p xml:id="ID_26" prev="#ID_25" next="#ID_27"> teilung des eroberten Besitzes an die einzelnen deutschen Staaten ausdrücklich<lb/> verzichtet. Es ist bekannt/'daß die Wünsche König Ludwigs des Zweiten von<lb/> Bayern sehr bestimmt ans eine Vergrößerung Bayerns hinausgingen. Man<lb/> hat aber sowohl dieses Extrem als das andre, die Schaffung eines neuen<lb/> souveränen Kleinstaats an der gefährlichsten Grenze des Reichs, vermeiden<lb/> wollen und hat darum dem mittlern Ausweg, der Errichtung des „Reichs¬<lb/> landes" als der besten Ausdrucksform des gemeinsamen Besitzes den Vorzug<lb/> gegeben. Jede Erweiterung der staatsrechtlichen Stellung des Landes in bezug<lb/> auf Gleichstellung mit den „übrigen" Bundesstaaten ist also eine Fälschung<lb/> des damaligen Grundgedankens und nähert sich Schritt für Schritt der Um¬<lb/> wandlung des Ncichslandes in einen neuen Kleiustant. Es würde dies der<lb/> gefährlichste Ausweg sein, den Deutschland überhaupt treffen könnte. Dem<lb/> Reichslande Elsaß-Lothringen können Konzessionen gemacht werden, die<lb/> einem selbständigen Kleinstaats Elsaß-Lothringen unbedingt versagt bleiben<lb/> müßten. Es wäre einer der verhängnisvollsten Fehler, ein Außerachtlassen<lb/> aller Lehre» der Geschichte, wollte mau nur um theoretischer Liebhabereien<lb/> oder persönlicher Lieblingswünsche willen ans Elsaß-Lothringen etwas andres<lb/> machen, als es heute ist. Was Hütte denn die Entsendung von Bevollmäch¬<lb/> tigten in den Bundesrat praktisch zu bedeuten? Der Statthalter und die<lb/> Verwaltung vou Elsaß-Lothringen sind seit einem Vierteljahrhundert vollständig<lb/> in der Lage, ihre Wünsche und Ansichten in den vorbereitenden Stadien der<lb/> Reichsgesetzgebung zur Geltung zu bringen. Die Rundschreiben des Reichs¬<lb/> kanzlers an die deutsche» Regierungen gelangen fast sämtlich oder doch in der<lb/> großen Mehrzahl auch an den Statthalter. Die Ernennung von Vundcsrats-<lb/> bevollmächtigten wäre also nichts weiter als eine Dckorationsfrage, die mit<lb/> der Verschiebung der gesamten staatsrechtlichen Grundlagen des Reichslandes<lb/> doch wohl zu teuer erkauft wäre. In der Kreuzzeitung wird bedauert, daß<lb/> der Reichskanzler der Sympathie „mit der Verfassungsbewegung" nicht in be¬<lb/> stimmterer Form Ausdruck gegeben habe. Wir glauben, daß Graf Bülow in<lb/> der Sympathiebezeuguug für eine unmögliche Sache, von der der Vriefschreiber<lb/> der Kreuzzeitung selbst sagt, „daß sie in ihren Zielen und vor allein in ihren<lb/> Mitteln und Wegen noch sehr unklar sei," so weit gegangen ist, als er bei<lb/> seiner Überzeugung von der Unausführbarkeit der Sache höflicherweise irgend<lb/> gehn konnte. Jede Veränderung der staatsrechtlichen Stellung des Reichs-<lb/> landes darf sich nur in der Richtung vollzieh». daß die Beziehungen des<lb/> Kaisers zum Lande befestigt werden, und daß der Kaiser die Staatsgewalt<lb/> dort nicht mehr im Namen des Reichs, sondern in dem Sinne ausübt, daß<lb/> Elsaß-Lothringen gewissermaßen eine Morgcngabe des Reichs an die Kaiser¬<lb/> krone, ein mit dieser unzertrennlich vcrbnndnes Reichslehen darstellt. Es wäre<lb/> das eine Verengerung der schon tatsächlich vorhandnen Personalunion mit<lb/> Preußen, und der im Lande künstlich erzeugte Wunsch, Bundesrat und<lb/> Reichstag bei der Landesgesetzgebung ausgeschlossen zu scheu, ließe sich einzig<lb/> auf diesem Wege vielleicht erfüllen. Nun teilt auch der Briefschreiber an die<lb/> Kreuzzeitung schon mit, daß sich mehrere durch die gleichzeitige Tagung des<lb/> ^andcsansschusscs in Straßburg festgehaltne Rcichstagsabgeordnete dahin</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
Elsaß - Lothringische Verfassungsfragen
teilung des eroberten Besitzes an die einzelnen deutschen Staaten ausdrücklich
verzichtet. Es ist bekannt/'daß die Wünsche König Ludwigs des Zweiten von
Bayern sehr bestimmt ans eine Vergrößerung Bayerns hinausgingen. Man
hat aber sowohl dieses Extrem als das andre, die Schaffung eines neuen
souveränen Kleinstaats an der gefährlichsten Grenze des Reichs, vermeiden
wollen und hat darum dem mittlern Ausweg, der Errichtung des „Reichs¬
landes" als der besten Ausdrucksform des gemeinsamen Besitzes den Vorzug
gegeben. Jede Erweiterung der staatsrechtlichen Stellung des Landes in bezug
auf Gleichstellung mit den „übrigen" Bundesstaaten ist also eine Fälschung
des damaligen Grundgedankens und nähert sich Schritt für Schritt der Um¬
wandlung des Ncichslandes in einen neuen Kleiustant. Es würde dies der
gefährlichste Ausweg sein, den Deutschland überhaupt treffen könnte. Dem
Reichslande Elsaß-Lothringen können Konzessionen gemacht werden, die
einem selbständigen Kleinstaats Elsaß-Lothringen unbedingt versagt bleiben
müßten. Es wäre einer der verhängnisvollsten Fehler, ein Außerachtlassen
aller Lehre» der Geschichte, wollte mau nur um theoretischer Liebhabereien
oder persönlicher Lieblingswünsche willen ans Elsaß-Lothringen etwas andres
machen, als es heute ist. Was Hütte denn die Entsendung von Bevollmäch¬
tigten in den Bundesrat praktisch zu bedeuten? Der Statthalter und die
Verwaltung vou Elsaß-Lothringen sind seit einem Vierteljahrhundert vollständig
in der Lage, ihre Wünsche und Ansichten in den vorbereitenden Stadien der
Reichsgesetzgebung zur Geltung zu bringen. Die Rundschreiben des Reichs¬
kanzlers an die deutsche» Regierungen gelangen fast sämtlich oder doch in der
großen Mehrzahl auch an den Statthalter. Die Ernennung von Vundcsrats-
bevollmächtigten wäre also nichts weiter als eine Dckorationsfrage, die mit
der Verschiebung der gesamten staatsrechtlichen Grundlagen des Reichslandes
doch wohl zu teuer erkauft wäre. In der Kreuzzeitung wird bedauert, daß
der Reichskanzler der Sympathie „mit der Verfassungsbewegung" nicht in be¬
stimmterer Form Ausdruck gegeben habe. Wir glauben, daß Graf Bülow in
der Sympathiebezeuguug für eine unmögliche Sache, von der der Vriefschreiber
der Kreuzzeitung selbst sagt, „daß sie in ihren Zielen und vor allein in ihren
Mitteln und Wegen noch sehr unklar sei," so weit gegangen ist, als er bei
seiner Überzeugung von der Unausführbarkeit der Sache höflicherweise irgend
gehn konnte. Jede Veränderung der staatsrechtlichen Stellung des Reichs-
landes darf sich nur in der Richtung vollzieh». daß die Beziehungen des
Kaisers zum Lande befestigt werden, und daß der Kaiser die Staatsgewalt
dort nicht mehr im Namen des Reichs, sondern in dem Sinne ausübt, daß
Elsaß-Lothringen gewissermaßen eine Morgcngabe des Reichs an die Kaiser¬
krone, ein mit dieser unzertrennlich vcrbnndnes Reichslehen darstellt. Es wäre
das eine Verengerung der schon tatsächlich vorhandnen Personalunion mit
Preußen, und der im Lande künstlich erzeugte Wunsch, Bundesrat und
Reichstag bei der Landesgesetzgebung ausgeschlossen zu scheu, ließe sich einzig
auf diesem Wege vielleicht erfüllen. Nun teilt auch der Briefschreiber an die
Kreuzzeitung schon mit, daß sich mehrere durch die gleichzeitige Tagung des
^andcsansschusscs in Straßburg festgehaltne Rcichstagsabgeordnete dahin
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