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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Sprüchen, "weil sie die allgemein verbreitete Anschauung umstößt, Rußland sei ein
besondres, verzaubertes Reich des Orients, das auf einer mystischen Grundlage des
slawischen Geistes ruhend, eben deshalb gänzlich außerhalb des Kreises europäischer
Ideen und europäischer Geschichte steht. Der Verfasser glaubt deutlich nachgewiesen
zu haben, daß selbst das Rußland der offiziellen Gesetzgebung ein europäisches Land
ist, welches dieselben Phasen politischer Entwicklung erlebt, die das Abendland
durchgemacht hat, und zu denselben Staatsformen gelangen muß, zu denen man
dort gelaugte." Er zeigt nun freilich in seiner sehr interessanten, mit reichlichen
Zitaten ausgestatteten Abhandlung, daß die russischen Selbstherrscher, Staatsmänner
und Staatsrechtlehrer dieselbe Auffassung von der Natur des Absolutismus, den
Aufgaben und Pflichten des Monarchen und der Untertanen haben, wie sie Hobbes
und Botin, Bossuet und Hugo Grotius, Ludwig der Vierzehnte und Friedrich der
Zweite gehabt haben, aber damit ist für die Zukunft Rußlands noch gar nichts be¬
wiesen, und wäre auch noch nichts bewiesen, wenn hente der Zar seinem Volke die
preußische oder gar die französische Verfassung gäbe. Man mag den Unterschied der
Rasse" und der Völker mystisch oder biologisch erklärbar nennen, vorhanden ist er
doch nnn einmal, und darauf, auf die Menschen, die nnter einer Verfassung leben,
kommt alles an, nicht auf das Stück Papier, und nicht auf die Theorien der Ge¬
lehrten. Friedrich der Große hatte für die absolute Regierung seines Staates ehrliche,
gewissenhafte und uneigennützige Beamte, der russische Zar hat solche nicht, wenigstens
"icht in genügender Anzahl. Der im sechzehnten Jahrhundert beginnende europäische
Absolutismus fand die Früchte der tausendjährigen Kulturarbeit des Mittelalters vor,
die ihm Grundlage und Ausstattung für seine Staatsbauten lieferten, der russische hat
nichts dergleichen. Wo sind die russischen Stadtstaaten, die gleich den italienischen,
den niederländischen, den deutschen ein reiches politisches Leben entfaltet, alle Gewerbe
und den Welthandel entwickelt, Künste und Wissenschaften gepflegt hätten? Und
wie steht es mit dem Ackerbau, der die unentbehrliche Grundlage des gesunden
Staates und die Wurzel aller höhern Kultur ist? Die Germanen sind überall
gleich nach ihrer Niederlassung im römischen Gebiet tüchtige Landwirte geworden,
"ud der Absolutismus übernahm in ganz Mittel- und Westeuropa wvhlangebcmte
Länder. Reußner wird vielleicht erwidern, die Germanen hätten eben an den
Römern gute Vorbilder und Lehrmeister gehabt. Aber an solchen fehlt es doch
""es den Russen wahrhaftig nicht. Sie haben deutsche Bauern in Südrußland
und deutsche Gutspächter in Russisch-Polen gehabt, und bei den heutigen Verkehrs-
perhältnissen wäre es für die wohlhabenden Russen ein leichtes, die deutsche, die
dänische, die englische Landwirtschaft gründlich kennen zu lernen und den rationellen
Betrieb bei sich einzuführen. Die Germanen haben von den Römern die Land¬
wirtschaft und alle Handwerke gelernt und sich um die schone Literatur des deka¬
denten Römer- und Griechentums nicht im mindesten gekümmert. Die heutigen
Russen verhungern auf dem fruchtbarsten Weizenboden der Welt und bilden ihren
^eist nu den philosophischen Grübeleien und den perversen Phantasiegebilden der
dekadenten Franzosen, Skandinavier und Deutschen.

Das zweite sehen wir wieder recht deutlich an den Schriften A. L. Wolynskis,
der ein Vertreter der andern Richtung ist, die da hofft, daß die vermeintlich noch
unerschöpfte Kraft der vermeintlich unverdorbnen russischen Volksseele die Menschheit
erneuern werde. Von andern Aposteln des Altrussentums unterscheidet sich dieser
änderbare Schwärmer dadurch, daß er den "faulen Westen" nicht verachtet, viel¬
mehr in der Dekadenz, die Rußland mit dem Westen vereine, die Keime einer
großen und schönen Zukunft sieht. Welche ungeheuerliche Verirrung! Die Deka-
^"ten sind gänzlich unfruchtbare Treibt)nusblüten an Ablegern von einem über¬
kultivierten Stamme; wirtschaftliche, politische und gesunde geistige Früchte bringt nur
^ Philiströse Tüchtigkeit. Von allen den liebenswürdigen und genialen Schwere-
untern, die uns Wolynski vorführt, wird keiner sein Vaterland retten. Zwei Er¬
eignisse des Mannes, beide von Josef Metrik übersetzt und 1905 bei Rütten und


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Sprüchen, „weil sie die allgemein verbreitete Anschauung umstößt, Rußland sei ein
besondres, verzaubertes Reich des Orients, das auf einer mystischen Grundlage des
slawischen Geistes ruhend, eben deshalb gänzlich außerhalb des Kreises europäischer
Ideen und europäischer Geschichte steht. Der Verfasser glaubt deutlich nachgewiesen
zu haben, daß selbst das Rußland der offiziellen Gesetzgebung ein europäisches Land
ist, welches dieselben Phasen politischer Entwicklung erlebt, die das Abendland
durchgemacht hat, und zu denselben Staatsformen gelangen muß, zu denen man
dort gelaugte." Er zeigt nun freilich in seiner sehr interessanten, mit reichlichen
Zitaten ausgestatteten Abhandlung, daß die russischen Selbstherrscher, Staatsmänner
und Staatsrechtlehrer dieselbe Auffassung von der Natur des Absolutismus, den
Aufgaben und Pflichten des Monarchen und der Untertanen haben, wie sie Hobbes
und Botin, Bossuet und Hugo Grotius, Ludwig der Vierzehnte und Friedrich der
Zweite gehabt haben, aber damit ist für die Zukunft Rußlands noch gar nichts be¬
wiesen, und wäre auch noch nichts bewiesen, wenn hente der Zar seinem Volke die
preußische oder gar die französische Verfassung gäbe. Man mag den Unterschied der
Rasse» und der Völker mystisch oder biologisch erklärbar nennen, vorhanden ist er
doch nnn einmal, und darauf, auf die Menschen, die nnter einer Verfassung leben,
kommt alles an, nicht auf das Stück Papier, und nicht auf die Theorien der Ge¬
lehrten. Friedrich der Große hatte für die absolute Regierung seines Staates ehrliche,
gewissenhafte und uneigennützige Beamte, der russische Zar hat solche nicht, wenigstens
»icht in genügender Anzahl. Der im sechzehnten Jahrhundert beginnende europäische
Absolutismus fand die Früchte der tausendjährigen Kulturarbeit des Mittelalters vor,
die ihm Grundlage und Ausstattung für seine Staatsbauten lieferten, der russische hat
nichts dergleichen. Wo sind die russischen Stadtstaaten, die gleich den italienischen,
den niederländischen, den deutschen ein reiches politisches Leben entfaltet, alle Gewerbe
und den Welthandel entwickelt, Künste und Wissenschaften gepflegt hätten? Und
wie steht es mit dem Ackerbau, der die unentbehrliche Grundlage des gesunden
Staates und die Wurzel aller höhern Kultur ist? Die Germanen sind überall
gleich nach ihrer Niederlassung im römischen Gebiet tüchtige Landwirte geworden,
»ud der Absolutismus übernahm in ganz Mittel- und Westeuropa wvhlangebcmte
Länder. Reußner wird vielleicht erwidern, die Germanen hätten eben an den
Römern gute Vorbilder und Lehrmeister gehabt. Aber an solchen fehlt es doch
"»es den Russen wahrhaftig nicht. Sie haben deutsche Bauern in Südrußland
und deutsche Gutspächter in Russisch-Polen gehabt, und bei den heutigen Verkehrs-
perhältnissen wäre es für die wohlhabenden Russen ein leichtes, die deutsche, die
dänische, die englische Landwirtschaft gründlich kennen zu lernen und den rationellen
Betrieb bei sich einzuführen. Die Germanen haben von den Römern die Land¬
wirtschaft und alle Handwerke gelernt und sich um die schone Literatur des deka¬
denten Römer- und Griechentums nicht im mindesten gekümmert. Die heutigen
Russen verhungern auf dem fruchtbarsten Weizenboden der Welt und bilden ihren
^eist nu den philosophischen Grübeleien und den perversen Phantasiegebilden der
dekadenten Franzosen, Skandinavier und Deutschen.

Das zweite sehen wir wieder recht deutlich an den Schriften A. L. Wolynskis,
der ein Vertreter der andern Richtung ist, die da hofft, daß die vermeintlich noch
unerschöpfte Kraft der vermeintlich unverdorbnen russischen Volksseele die Menschheit
erneuern werde. Von andern Aposteln des Altrussentums unterscheidet sich dieser
änderbare Schwärmer dadurch, daß er den „faulen Westen" nicht verachtet, viel¬
mehr in der Dekadenz, die Rußland mit dem Westen vereine, die Keime einer
großen und schönen Zukunft sieht. Welche ungeheuerliche Verirrung! Die Deka-
^"ten sind gänzlich unfruchtbare Treibt)nusblüten an Ablegern von einem über¬
kultivierten Stamme; wirtschaftliche, politische und gesunde geistige Früchte bringt nur
^ Philiströse Tüchtigkeit. Von allen den liebenswürdigen und genialen Schwere-
untern, die uns Wolynski vorführt, wird keiner sein Vaterland retten. Zwei Er¬
eignisse des Mannes, beide von Josef Metrik übersetzt und 1905 bei Rütten und


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[0177] Maßgebliches und Unmaßgebliches Sprüchen, „weil sie die allgemein verbreitete Anschauung umstößt, Rußland sei ein besondres, verzaubertes Reich des Orients, das auf einer mystischen Grundlage des slawischen Geistes ruhend, eben deshalb gänzlich außerhalb des Kreises europäischer Ideen und europäischer Geschichte steht. Der Verfasser glaubt deutlich nachgewiesen zu haben, daß selbst das Rußland der offiziellen Gesetzgebung ein europäisches Land ist, welches dieselben Phasen politischer Entwicklung erlebt, die das Abendland durchgemacht hat, und zu denselben Staatsformen gelangen muß, zu denen man dort gelaugte." Er zeigt nun freilich in seiner sehr interessanten, mit reichlichen Zitaten ausgestatteten Abhandlung, daß die russischen Selbstherrscher, Staatsmänner und Staatsrechtlehrer dieselbe Auffassung von der Natur des Absolutismus, den Aufgaben und Pflichten des Monarchen und der Untertanen haben, wie sie Hobbes und Botin, Bossuet und Hugo Grotius, Ludwig der Vierzehnte und Friedrich der Zweite gehabt haben, aber damit ist für die Zukunft Rußlands noch gar nichts be¬ wiesen, und wäre auch noch nichts bewiesen, wenn hente der Zar seinem Volke die preußische oder gar die französische Verfassung gäbe. Man mag den Unterschied der Rasse» und der Völker mystisch oder biologisch erklärbar nennen, vorhanden ist er doch nnn einmal, und darauf, auf die Menschen, die nnter einer Verfassung leben, kommt alles an, nicht auf das Stück Papier, und nicht auf die Theorien der Ge¬ lehrten. Friedrich der Große hatte für die absolute Regierung seines Staates ehrliche, gewissenhafte und uneigennützige Beamte, der russische Zar hat solche nicht, wenigstens »icht in genügender Anzahl. Der im sechzehnten Jahrhundert beginnende europäische Absolutismus fand die Früchte der tausendjährigen Kulturarbeit des Mittelalters vor, die ihm Grundlage und Ausstattung für seine Staatsbauten lieferten, der russische hat nichts dergleichen. Wo sind die russischen Stadtstaaten, die gleich den italienischen, den niederländischen, den deutschen ein reiches politisches Leben entfaltet, alle Gewerbe und den Welthandel entwickelt, Künste und Wissenschaften gepflegt hätten? Und wie steht es mit dem Ackerbau, der die unentbehrliche Grundlage des gesunden Staates und die Wurzel aller höhern Kultur ist? Die Germanen sind überall gleich nach ihrer Niederlassung im römischen Gebiet tüchtige Landwirte geworden, »ud der Absolutismus übernahm in ganz Mittel- und Westeuropa wvhlangebcmte Länder. Reußner wird vielleicht erwidern, die Germanen hätten eben an den Römern gute Vorbilder und Lehrmeister gehabt. Aber an solchen fehlt es doch "»es den Russen wahrhaftig nicht. Sie haben deutsche Bauern in Südrußland und deutsche Gutspächter in Russisch-Polen gehabt, und bei den heutigen Verkehrs- perhältnissen wäre es für die wohlhabenden Russen ein leichtes, die deutsche, die dänische, die englische Landwirtschaft gründlich kennen zu lernen und den rationellen Betrieb bei sich einzuführen. Die Germanen haben von den Römern die Land¬ wirtschaft und alle Handwerke gelernt und sich um die schone Literatur des deka¬ denten Römer- und Griechentums nicht im mindesten gekümmert. Die heutigen Russen verhungern auf dem fruchtbarsten Weizenboden der Welt und bilden ihren ^eist nu den philosophischen Grübeleien und den perversen Phantasiegebilden der dekadenten Franzosen, Skandinavier und Deutschen. Das zweite sehen wir wieder recht deutlich an den Schriften A. L. Wolynskis, der ein Vertreter der andern Richtung ist, die da hofft, daß die vermeintlich noch unerschöpfte Kraft der vermeintlich unverdorbnen russischen Volksseele die Menschheit erneuern werde. Von andern Aposteln des Altrussentums unterscheidet sich dieser änderbare Schwärmer dadurch, daß er den „faulen Westen" nicht verachtet, viel¬ mehr in der Dekadenz, die Rußland mit dem Westen vereine, die Keime einer großen und schönen Zukunft sieht. Welche ungeheuerliche Verirrung! Die Deka- ^"ten sind gänzlich unfruchtbare Treibt)nusblüten an Ablegern von einem über¬ kultivierten Stamme; wirtschaftliche, politische und gesunde geistige Früchte bringt nur ^ Philiströse Tüchtigkeit. Von allen den liebenswürdigen und genialen Schwere- untern, die uns Wolynski vorführt, wird keiner sein Vaterland retten. Zwei Er¬ eignisse des Mannes, beide von Josef Metrik übersetzt und 1905 bei Rütten und

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