Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Elsaß - Lothringische verfassnngsfragen über den Professor Geffcken, de" zu empfangen der Kronprinz ihm empfohlen Es geht aus diesen Zeilen hervor, daß Bismarck im Jahre 1876 die Die Straßburger Statthalterschaft ist somit tatsächlich aus dem Gedanken Elsaß - Lothringische verfassnngsfragen über den Professor Geffcken, de» zu empfangen der Kronprinz ihm empfohlen Es geht aus diesen Zeilen hervor, daß Bismarck im Jahre 1876 die Die Straßburger Statthalterschaft ist somit tatsächlich aus dem Gedanken <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0016" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297148"/> <fw type="header" place="top"> Elsaß - Lothringische verfassnngsfragen</fw><lb/> <p xml:id="ID_16" prev="#ID_15"> über den Professor Geffcken, de» zu empfangen der Kronprinz ihm empfohlen<lb/> hatte. Bismarcks Antwort an den Prinzen vom 8. Januar 1876 ist in dem<lb/> Briefwechsel Band II der Anlagen zu den „Gedanken und Erinnerungen" ver¬<lb/> öffentlicht worden, worin es Seite 478 heißt: „Über sein Buch (»Staat und<lb/> Kirche«) kann ich ziemlich unbefangen urteilen, denn ich habe den speziellen<lb/> Inhalt der Maigesetze, den ich damit nicht tadeln will, nicht zu verantworten.<lb/> Ich war damals an den Arbeiten des preußischen Ministeriums nicht beteiligt<lb/> und namentlich weder Kultusminister noch Ministerpräsident. Um so unpar¬<lb/> teiischer kann ich konstatieren, daß in den mir bekannten Kreisen der Fach¬<lb/> männer Dr. Gesfckens Buch als eine seichte Kompilation bezeichnet wird, wie<lb/> seine Kritik der Falkscheu Gesetze jedenfalls von dreister Anmaßung, aber nicht<lb/> von sachlicher Prüfung Zeugnis gibt. Ich habe Herrn Geffcken ans seinen<lb/> Wunsch zur Professur in Straßburg vorgeschlagen, in dem guten Glauben,<lb/> daß es ihm um wissenschaftliche Tätigkeit ehrlich zu tun sei, und daß sein<lb/> augustenburgischer und hanseatischer Partikularismus durch die Herstellung des<lb/> Reichs versöhnt sein werde. Ich habe mit Bedauern gehört, daß ich mich<lb/> darin geirrt habe, und daß er selbst an einem so wunden Punkt wie im Elsaß<lb/> die Reichsinteresscu befeindet."</p><lb/> <p xml:id="ID_17"> Es geht aus diesen Zeilen hervor, daß Bismarck im Jahre 1876 die<lb/> elsässischen Angelegenheiten noch als einen wunden Punkt ansah. Wenn er<lb/> trotzdem und ungeachtet der Neigungen des Kronprinzen, die in diesem Schrift¬<lb/> wechsel hervorgetreten waren, bereit war, die Hand zu dessen Statthalter¬<lb/> schaft im Elsaß zu bieten, so sind für ihn jedenfalls andre Gründe entscheidend<lb/> gewesen, namentlich die, dem Kronprinzen Gelegenheit zu einer wirklichen<lb/> Regierungstätigkeit als Vorbereitung auf die großen Pflichten seiner Zukunft<lb/> zu bieten. Bei den häufigen Spannungen zwischen dem Kronprinzen und<lb/> seinem Vater war das in Berlin nicht möglich, so lebhaft sich auch das Inter¬<lb/> esse des hohen Herrn an der Politik und an der innern und der äußern Ent¬<lb/> wicklung des Reichs — wenigstens in Einzelfragen — bekundete. Es geht<lb/> das u. a. daraus hervor, daß er niemals unterließ, nach seinen Reisen in<lb/> Deutschland, in Italien usw. dem Reichskanzler eine Niederschrift seiner<lb/> politischen Reiseeindrücke zuzustellen. Im Frühjahr 1878 war die Frage des<lb/> „Kronprinzenlcmdcs," eine Bezeichnung, die vou Straßburg aus lanciert worden<lb/> war — Bismarck gebrauchte den Ausdruck „die deutsche Dauphinee" —, so<lb/> weit gediehen, daß der Kronprinz vor seiner Abreise nach England dem<lb/> Reichskanzler schriftlich die formelle Erklärung abgeben konnte, „daß falls die<lb/> Entschließung Seiner Majestät für meine Berufung zu der in Frage stehenden<lb/> Stellung ausfallen sollte, ich mit Freuden bereit sein würde, einem an mich<lb/> ergehenden Rufe zu folgen."</p><lb/> <p xml:id="ID_18" next="#ID_19"> Die Straßburger Statthalterschaft ist somit tatsächlich aus dem Gedanken<lb/> hervorgegangen, daß es sich dabei im wesentlichen um einen für den Kron¬<lb/> prinzen zu schaffenden Wirkungskreis handle. Daß Bismarck der Statthalteridee<lb/> näher getreten sein würde, wenn er hätte voraussehen können, daß der Kron¬<lb/> prinz diesen Posten nicht erhalten sollte, ist mehr als zweifelhaft. Äußerungen<lb/> von ihm zu elsässischen Abgeordneten, von denen Schneegans berichtet, sprechen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0016]
Elsaß - Lothringische verfassnngsfragen
über den Professor Geffcken, de» zu empfangen der Kronprinz ihm empfohlen
hatte. Bismarcks Antwort an den Prinzen vom 8. Januar 1876 ist in dem
Briefwechsel Band II der Anlagen zu den „Gedanken und Erinnerungen" ver¬
öffentlicht worden, worin es Seite 478 heißt: „Über sein Buch (»Staat und
Kirche«) kann ich ziemlich unbefangen urteilen, denn ich habe den speziellen
Inhalt der Maigesetze, den ich damit nicht tadeln will, nicht zu verantworten.
Ich war damals an den Arbeiten des preußischen Ministeriums nicht beteiligt
und namentlich weder Kultusminister noch Ministerpräsident. Um so unpar¬
teiischer kann ich konstatieren, daß in den mir bekannten Kreisen der Fach¬
männer Dr. Gesfckens Buch als eine seichte Kompilation bezeichnet wird, wie
seine Kritik der Falkscheu Gesetze jedenfalls von dreister Anmaßung, aber nicht
von sachlicher Prüfung Zeugnis gibt. Ich habe Herrn Geffcken ans seinen
Wunsch zur Professur in Straßburg vorgeschlagen, in dem guten Glauben,
daß es ihm um wissenschaftliche Tätigkeit ehrlich zu tun sei, und daß sein
augustenburgischer und hanseatischer Partikularismus durch die Herstellung des
Reichs versöhnt sein werde. Ich habe mit Bedauern gehört, daß ich mich
darin geirrt habe, und daß er selbst an einem so wunden Punkt wie im Elsaß
die Reichsinteresscu befeindet."
Es geht aus diesen Zeilen hervor, daß Bismarck im Jahre 1876 die
elsässischen Angelegenheiten noch als einen wunden Punkt ansah. Wenn er
trotzdem und ungeachtet der Neigungen des Kronprinzen, die in diesem Schrift¬
wechsel hervorgetreten waren, bereit war, die Hand zu dessen Statthalter¬
schaft im Elsaß zu bieten, so sind für ihn jedenfalls andre Gründe entscheidend
gewesen, namentlich die, dem Kronprinzen Gelegenheit zu einer wirklichen
Regierungstätigkeit als Vorbereitung auf die großen Pflichten seiner Zukunft
zu bieten. Bei den häufigen Spannungen zwischen dem Kronprinzen und
seinem Vater war das in Berlin nicht möglich, so lebhaft sich auch das Inter¬
esse des hohen Herrn an der Politik und an der innern und der äußern Ent¬
wicklung des Reichs — wenigstens in Einzelfragen — bekundete. Es geht
das u. a. daraus hervor, daß er niemals unterließ, nach seinen Reisen in
Deutschland, in Italien usw. dem Reichskanzler eine Niederschrift seiner
politischen Reiseeindrücke zuzustellen. Im Frühjahr 1878 war die Frage des
„Kronprinzenlcmdcs," eine Bezeichnung, die vou Straßburg aus lanciert worden
war — Bismarck gebrauchte den Ausdruck „die deutsche Dauphinee" —, so
weit gediehen, daß der Kronprinz vor seiner Abreise nach England dem
Reichskanzler schriftlich die formelle Erklärung abgeben konnte, „daß falls die
Entschließung Seiner Majestät für meine Berufung zu der in Frage stehenden
Stellung ausfallen sollte, ich mit Freuden bereit sein würde, einem an mich
ergehenden Rufe zu folgen."
Die Straßburger Statthalterschaft ist somit tatsächlich aus dem Gedanken
hervorgegangen, daß es sich dabei im wesentlichen um einen für den Kron¬
prinzen zu schaffenden Wirkungskreis handle. Daß Bismarck der Statthalteridee
näher getreten sein würde, wenn er hätte voraussehen können, daß der Kron¬
prinz diesen Posten nicht erhalten sollte, ist mehr als zweifelhaft. Äußerungen
von ihm zu elsässischen Abgeordneten, von denen Schneegans berichtet, sprechen
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