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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

in der Remise wenigstens einigermaßen erträglich machten. Ganz besonders litten
die Affen unter der Kälte.

Mit dem Beginn der bessern Jahreszeit gab es für uns sehr viel Arbeit.
Unsre Bude wurde um sechs Meter verlängert, und wir mußten von früh bis spät
zimmern und anstreichen. Auch der Packwagen wurde umgebaut, sodaß während
des Transports die Heufresser darin untergebracht werden konnten. Endlich wurden
zwei neue Packwagen angeschafft. Nach dieser Vorbereitung gingen wir daran,
unser Winterquartier zu verlassen, räumten die Remise aus, schafften unter großen
Schwierigkeiten die Wagen nach dem Metzgertor und bauten dort unsre Bude
wieder auf. Die Musiker kamen aus ihrer Heimat zurück und gaben noch an
demselben Abend in einer Wirtschaft ein Konzert, wozu fich die Prinzipalin, der
Direktor und sämtliche Angestellte einstellten, und wo wir einige vergnügte Stunden
verbrachten. Am nächsten Tage, dem Sonnabend vor Ostern, wurde eine Probe
veranstaltet, der mir einige Zeitungsreporter beiwohnten. Zuerst spielten die Musiker
die bei den Dressurnummern gebräuchlichen Stücke, ohne daß die Tiere dabei
arbeiteten, dann wurden die Dressnrnummern mit Musik geprobt, und es stellte sich
dabei heraus, daß die Tiere trotz ihren vier Monate langen Ferien nichts verlernt
hatten. Wir waren alle froh, wieder hinauszukommen, am meisten wohl unsre
Prinzipalin, der das Winterquartier etwa 20000 Mark gekostet hatte.

Inzwischen hatte sich meine Position gefestigt, mein Gehalt war erhöht worden,
und als wir in Neudorf nach Saarbrücken verluden, erhielt ich den Auftrag, den
Elefanten, dessen Transport mit der Bahn neunzig Mark gekostet haben würde,
zu Fuß nach Saarbrücken zu bringen. In der Nacht vor der Abreise schlief ich
bei dem Elefanten in der Remise auf Stroh, ließ mich Morgens um vier Uhr
wecken und ging mit meinem Schntzbefohlnen sowie den beiden Ulmer Doggen
durch das Steintor auf Schiltigheim zu. Als ich dort anlangte, war es gerade
Zeit zum ersten Frühstück. Ich versorgte den Elefanten mit Hen, Brot und Wasser
und trank selbst auf einer Bank im Freien den Kaffee. Dann ging es weiter;
überall, wo ich mit dem Tier erschien, entstand ein großer Auflauf, und das brachte
mich mif den Gedanken, die Künste des Elefanten geschäftlich auszunutzen. Wenn
sich ein genügend großes Publikum um uns versammelt hatte, hielt ich eine kleine
Ansprache und hob besonders hervor, daß der Elefant imstande sei, mit seinem
Rüssel Münzen -- sogar die kleinen Zwanzigpfennigstücke, die damals noch kur¬
sierten -- vom Boden aufzuheben. Die Leute kamen dieser Aufforderung bereit¬
willig nach, und der Elefant steckte die Münzen ebenso bereitwillig in meine Tasche.
Als es Abend wurde, sagte ich mir, daß ich mich jetzt nach einem Nachtquartier
umsehen müsse. In dem Orte, wo ich mich gerade befand, waren drei Gasthäuser;
in den beiden ersten wies man mich, sobald man den Elefanten sah, mit der Aus¬
flucht ab, man habe alles besetzt. Ebenso wollte man in dem dritten Gasthofe mit
mir verfahren, aber es gelang mir, den Wirt unter dem Hinweis auf meine
Müdigkeit und auf die Gutmütigkeit des Tieres zu bewegen, mir ein Nachtquartier
im Stalle anzuweisen. Am andern Morgen um vier Uhr wanderte ich weiter und
verfehlte nie, den mir mit Pferden entgegenkommenden aus weiter Entfernung zu¬
zurufen, sie möchten absteigen und die Pferde am Kopfe halten. Da die Leute das
niemals taten, wurden die Pferde regelmäßig, sobald sie sich dem Elefanten näherten,
scheu, und ich horte noch in weiter Ferne das Fluchen der Fuhrleute und der
Kutscher. Auch einer alten Frau, die eine mit einer Kuh bespannte Mistfuhre be¬
gleitete, gab ich den guten Rat, sich an den Kopf der Kuh zu stellen, aber auch
sie schlug diesen Rat in den Wind und mußte um sehen, wie die Kuh wild wurde
und die Mistfuhre in den Chausseegraben warf. Ich hätte der alten Frau gern
geholfen, kounte den Elefanten aber nicht verlassen und mußte meines Wegs weiter
oiehn. Unterwegs setzte ich die Vorstellungen mit dem Tiere fort und hatte mich in
einem größern Ort schon an fünf Stellen produziert, als gerade in dem Augen¬
blicke, wo ich mir vor einer Wirtschaft am Ausgange des Dorfes ein Glas Bier


Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

in der Remise wenigstens einigermaßen erträglich machten. Ganz besonders litten
die Affen unter der Kälte.

Mit dem Beginn der bessern Jahreszeit gab es für uns sehr viel Arbeit.
Unsre Bude wurde um sechs Meter verlängert, und wir mußten von früh bis spät
zimmern und anstreichen. Auch der Packwagen wurde umgebaut, sodaß während
des Transports die Heufresser darin untergebracht werden konnten. Endlich wurden
zwei neue Packwagen angeschafft. Nach dieser Vorbereitung gingen wir daran,
unser Winterquartier zu verlassen, räumten die Remise aus, schafften unter großen
Schwierigkeiten die Wagen nach dem Metzgertor und bauten dort unsre Bude
wieder auf. Die Musiker kamen aus ihrer Heimat zurück und gaben noch an
demselben Abend in einer Wirtschaft ein Konzert, wozu fich die Prinzipalin, der
Direktor und sämtliche Angestellte einstellten, und wo wir einige vergnügte Stunden
verbrachten. Am nächsten Tage, dem Sonnabend vor Ostern, wurde eine Probe
veranstaltet, der mir einige Zeitungsreporter beiwohnten. Zuerst spielten die Musiker
die bei den Dressurnummern gebräuchlichen Stücke, ohne daß die Tiere dabei
arbeiteten, dann wurden die Dressnrnummern mit Musik geprobt, und es stellte sich
dabei heraus, daß die Tiere trotz ihren vier Monate langen Ferien nichts verlernt
hatten. Wir waren alle froh, wieder hinauszukommen, am meisten wohl unsre
Prinzipalin, der das Winterquartier etwa 20000 Mark gekostet hatte.

Inzwischen hatte sich meine Position gefestigt, mein Gehalt war erhöht worden,
und als wir in Neudorf nach Saarbrücken verluden, erhielt ich den Auftrag, den
Elefanten, dessen Transport mit der Bahn neunzig Mark gekostet haben würde,
zu Fuß nach Saarbrücken zu bringen. In der Nacht vor der Abreise schlief ich
bei dem Elefanten in der Remise auf Stroh, ließ mich Morgens um vier Uhr
wecken und ging mit meinem Schntzbefohlnen sowie den beiden Ulmer Doggen
durch das Steintor auf Schiltigheim zu. Als ich dort anlangte, war es gerade
Zeit zum ersten Frühstück. Ich versorgte den Elefanten mit Hen, Brot und Wasser
und trank selbst auf einer Bank im Freien den Kaffee. Dann ging es weiter;
überall, wo ich mit dem Tier erschien, entstand ein großer Auflauf, und das brachte
mich mif den Gedanken, die Künste des Elefanten geschäftlich auszunutzen. Wenn
sich ein genügend großes Publikum um uns versammelt hatte, hielt ich eine kleine
Ansprache und hob besonders hervor, daß der Elefant imstande sei, mit seinem
Rüssel Münzen — sogar die kleinen Zwanzigpfennigstücke, die damals noch kur¬
sierten — vom Boden aufzuheben. Die Leute kamen dieser Aufforderung bereit¬
willig nach, und der Elefant steckte die Münzen ebenso bereitwillig in meine Tasche.
Als es Abend wurde, sagte ich mir, daß ich mich jetzt nach einem Nachtquartier
umsehen müsse. In dem Orte, wo ich mich gerade befand, waren drei Gasthäuser;
in den beiden ersten wies man mich, sobald man den Elefanten sah, mit der Aus¬
flucht ab, man habe alles besetzt. Ebenso wollte man in dem dritten Gasthofe mit
mir verfahren, aber es gelang mir, den Wirt unter dem Hinweis auf meine
Müdigkeit und auf die Gutmütigkeit des Tieres zu bewegen, mir ein Nachtquartier
im Stalle anzuweisen. Am andern Morgen um vier Uhr wanderte ich weiter und
verfehlte nie, den mir mit Pferden entgegenkommenden aus weiter Entfernung zu¬
zurufen, sie möchten absteigen und die Pferde am Kopfe halten. Da die Leute das
niemals taten, wurden die Pferde regelmäßig, sobald sie sich dem Elefanten näherten,
scheu, und ich horte noch in weiter Ferne das Fluchen der Fuhrleute und der
Kutscher. Auch einer alten Frau, die eine mit einer Kuh bespannte Mistfuhre be¬
gleitete, gab ich den guten Rat, sich an den Kopf der Kuh zu stellen, aber auch
sie schlug diesen Rat in den Wind und mußte um sehen, wie die Kuh wild wurde
und die Mistfuhre in den Chausseegraben warf. Ich hätte der alten Frau gern
geholfen, kounte den Elefanten aber nicht verlassen und mußte meines Wegs weiter
oiehn. Unterwegs setzte ich die Vorstellungen mit dem Tiere fort und hatte mich in
einem größern Ort schon an fünf Stellen produziert, als gerade in dem Augen¬
blicke, wo ich mir vor einer Wirtschaft am Ausgange des Dorfes ein Glas Bier


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[0095] Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren in der Remise wenigstens einigermaßen erträglich machten. Ganz besonders litten die Affen unter der Kälte. Mit dem Beginn der bessern Jahreszeit gab es für uns sehr viel Arbeit. Unsre Bude wurde um sechs Meter verlängert, und wir mußten von früh bis spät zimmern und anstreichen. Auch der Packwagen wurde umgebaut, sodaß während des Transports die Heufresser darin untergebracht werden konnten. Endlich wurden zwei neue Packwagen angeschafft. Nach dieser Vorbereitung gingen wir daran, unser Winterquartier zu verlassen, räumten die Remise aus, schafften unter großen Schwierigkeiten die Wagen nach dem Metzgertor und bauten dort unsre Bude wieder auf. Die Musiker kamen aus ihrer Heimat zurück und gaben noch an demselben Abend in einer Wirtschaft ein Konzert, wozu fich die Prinzipalin, der Direktor und sämtliche Angestellte einstellten, und wo wir einige vergnügte Stunden verbrachten. Am nächsten Tage, dem Sonnabend vor Ostern, wurde eine Probe veranstaltet, der mir einige Zeitungsreporter beiwohnten. Zuerst spielten die Musiker die bei den Dressurnummern gebräuchlichen Stücke, ohne daß die Tiere dabei arbeiteten, dann wurden die Dressnrnummern mit Musik geprobt, und es stellte sich dabei heraus, daß die Tiere trotz ihren vier Monate langen Ferien nichts verlernt hatten. Wir waren alle froh, wieder hinauszukommen, am meisten wohl unsre Prinzipalin, der das Winterquartier etwa 20000 Mark gekostet hatte. Inzwischen hatte sich meine Position gefestigt, mein Gehalt war erhöht worden, und als wir in Neudorf nach Saarbrücken verluden, erhielt ich den Auftrag, den Elefanten, dessen Transport mit der Bahn neunzig Mark gekostet haben würde, zu Fuß nach Saarbrücken zu bringen. In der Nacht vor der Abreise schlief ich bei dem Elefanten in der Remise auf Stroh, ließ mich Morgens um vier Uhr wecken und ging mit meinem Schntzbefohlnen sowie den beiden Ulmer Doggen durch das Steintor auf Schiltigheim zu. Als ich dort anlangte, war es gerade Zeit zum ersten Frühstück. Ich versorgte den Elefanten mit Hen, Brot und Wasser und trank selbst auf einer Bank im Freien den Kaffee. Dann ging es weiter; überall, wo ich mit dem Tier erschien, entstand ein großer Auflauf, und das brachte mich mif den Gedanken, die Künste des Elefanten geschäftlich auszunutzen. Wenn sich ein genügend großes Publikum um uns versammelt hatte, hielt ich eine kleine Ansprache und hob besonders hervor, daß der Elefant imstande sei, mit seinem Rüssel Münzen — sogar die kleinen Zwanzigpfennigstücke, die damals noch kur¬ sierten — vom Boden aufzuheben. Die Leute kamen dieser Aufforderung bereit¬ willig nach, und der Elefant steckte die Münzen ebenso bereitwillig in meine Tasche. Als es Abend wurde, sagte ich mir, daß ich mich jetzt nach einem Nachtquartier umsehen müsse. In dem Orte, wo ich mich gerade befand, waren drei Gasthäuser; in den beiden ersten wies man mich, sobald man den Elefanten sah, mit der Aus¬ flucht ab, man habe alles besetzt. Ebenso wollte man in dem dritten Gasthofe mit mir verfahren, aber es gelang mir, den Wirt unter dem Hinweis auf meine Müdigkeit und auf die Gutmütigkeit des Tieres zu bewegen, mir ein Nachtquartier im Stalle anzuweisen. Am andern Morgen um vier Uhr wanderte ich weiter und verfehlte nie, den mir mit Pferden entgegenkommenden aus weiter Entfernung zu¬ zurufen, sie möchten absteigen und die Pferde am Kopfe halten. Da die Leute das niemals taten, wurden die Pferde regelmäßig, sobald sie sich dem Elefanten näherten, scheu, und ich horte noch in weiter Ferne das Fluchen der Fuhrleute und der Kutscher. Auch einer alten Frau, die eine mit einer Kuh bespannte Mistfuhre be¬ gleitete, gab ich den guten Rat, sich an den Kopf der Kuh zu stellen, aber auch sie schlug diesen Rat in den Wind und mußte um sehen, wie die Kuh wild wurde und die Mistfuhre in den Chausseegraben warf. Ich hätte der alten Frau gern geholfen, kounte den Elefanten aber nicht verlassen und mußte meines Wegs weiter oiehn. Unterwegs setzte ich die Vorstellungen mit dem Tiere fort und hatte mich in einem größern Ort schon an fünf Stellen produziert, als gerade in dem Augen¬ blicke, wo ich mir vor einer Wirtschaft am Ausgange des Dorfes ein Glas Bier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/95>, abgerufen am 15.01.2025.