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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Der Eintritt des Großherzogtums Baden in den Norddeutschen Bund

bestimmten Haltung einladen zu wollen; doch stelle er die Frage im Auftrage
seiner Regierung, sie werde wohl zugleich auch an die andern süddeutschen
Regierungen gestellt. Herr von Montgaseon betonte die Zurückhaltung und
Mäßigung, mit der die kaiserliche Regierung die Luxemburger Frage behandle,
die Anrufung der Entscheidung der Garantiemächtc von 1839 und die beab¬
sichtigte Unterordnung unter deren Ausspruch.

Auf die Behauptung, daß sich die drei angerufenen Großmächte gegen das
Besatzungsrecht Preußens in Luxemburg erklärt Hütten, konnte Frcydorf er¬
widern, daß sich seines Wissens die Großmächte auf eine Erörterung der
Rechtsfrage nicht eingelassen, sondern nur Wege der Vermittlung und des
Ausgleichs gesucht und vorgeschlagen hätten. Freydorf erklärte, vorläufig nur
seine persönliche Ansicht in der Sache aussprechen zu können; die Frage sei
bis jetzt nicht so nahe an die badische Regierung herangetreten, daß man für
nötig befunden hätte, sie eingehend zu beraten und eine bestimmte Stellung
einzunehmen.

Herr von Montgaseon wünschte in einigen Tagen, nachdem die Sache
im Staatsministerium vorgetragen sei, weitere Antwort einholen zu können.
Auf Freydorfs Erklärung, daß er einen solchen Vortrag nur auf schriftliche
Präzisierung und Mitteilung der Anfrage der kaiserlichen Negierung erstatten
würde, begnügte sich Herr von Montgaseon mit folgender persönlicher Antwort
Freydorfs: Es scheine ein Recht Deutschlands, nun der einzelnen deutschen
Staaten, an die Zugehörigkeit Luxemburgs, ebenso an ein Besatzungsrecht
Preußens in der Festung Luxemburg begründet.

Würde Preußen aus Anlaß der Luxemburger Frage in einen Krieg mit
Frankreich verwickelt, so würde Baden die Rechtsfrage eingehender zu prüfen,
sodann zu untersuchen haben, ob nicht Baden, als ein Stück von Deutschland,
schon an sich moralisch verpflichtet sei, für die Verteidigung der Zugehörigkeit
Luxemburgs einzutreten, ferner ob Baden nicht durch das Bündnis vom
17. August 1866 selbst vertragsmäßig und rechtlich gehalten sei, sich auf Seite
Preußens zu stellen. Übrigens stehe ja nun die Erhaltung des Friedens in
Aussicht; Baden müsse nach seiner geographischen und gegenwärtigen politischen
Lage wünschen, daß wenn dies für Preußen und Deutschland unter ehren¬
haften Bedingungen möglich sei, ein Ausgleich gefunden und der Krieg ver¬
hindert werde.

Auf Freydorfs Frage, was die kaiserliche Regierung gerade bei der jetzigen
friedlichen Wendung*) zu den gestellten Anfragen veranlasse, bemerkte Herr
von Montgaseon, daß die betreffende Depesche das Datum vom 27. April
trage und am 28. April in Karlsruhe eingetroffen sei.

Auf die Frage des Herrn von Montgaseon, ob die badische Regierung
bei ihrem Interesse an der Erhaltung des Friedens nicht in Berlin im Sinne
des Friedens wirken wolle, bemerkte Frehdorf, daß die Vermittlung von den
Großmächten in die Hand genommen worden sei, die nach bestehenden Macht-
Verhältnissen und bei ihrer bessern Information über die Lage der Angelegen-



*) Schon am 25. April hatte Bismarck den: österreichischen Vorschlage, Luxemburg bei
Holland zu lassen und eventuell die Festung zu räumen und zu schleifen, beigestimmt.
Der Eintritt des Großherzogtums Baden in den Norddeutschen Bund

bestimmten Haltung einladen zu wollen; doch stelle er die Frage im Auftrage
seiner Regierung, sie werde wohl zugleich auch an die andern süddeutschen
Regierungen gestellt. Herr von Montgaseon betonte die Zurückhaltung und
Mäßigung, mit der die kaiserliche Regierung die Luxemburger Frage behandle,
die Anrufung der Entscheidung der Garantiemächtc von 1839 und die beab¬
sichtigte Unterordnung unter deren Ausspruch.

Auf die Behauptung, daß sich die drei angerufenen Großmächte gegen das
Besatzungsrecht Preußens in Luxemburg erklärt Hütten, konnte Frcydorf er¬
widern, daß sich seines Wissens die Großmächte auf eine Erörterung der
Rechtsfrage nicht eingelassen, sondern nur Wege der Vermittlung und des
Ausgleichs gesucht und vorgeschlagen hätten. Freydorf erklärte, vorläufig nur
seine persönliche Ansicht in der Sache aussprechen zu können; die Frage sei
bis jetzt nicht so nahe an die badische Regierung herangetreten, daß man für
nötig befunden hätte, sie eingehend zu beraten und eine bestimmte Stellung
einzunehmen.

Herr von Montgaseon wünschte in einigen Tagen, nachdem die Sache
im Staatsministerium vorgetragen sei, weitere Antwort einholen zu können.
Auf Freydorfs Erklärung, daß er einen solchen Vortrag nur auf schriftliche
Präzisierung und Mitteilung der Anfrage der kaiserlichen Negierung erstatten
würde, begnügte sich Herr von Montgaseon mit folgender persönlicher Antwort
Freydorfs: Es scheine ein Recht Deutschlands, nun der einzelnen deutschen
Staaten, an die Zugehörigkeit Luxemburgs, ebenso an ein Besatzungsrecht
Preußens in der Festung Luxemburg begründet.

Würde Preußen aus Anlaß der Luxemburger Frage in einen Krieg mit
Frankreich verwickelt, so würde Baden die Rechtsfrage eingehender zu prüfen,
sodann zu untersuchen haben, ob nicht Baden, als ein Stück von Deutschland,
schon an sich moralisch verpflichtet sei, für die Verteidigung der Zugehörigkeit
Luxemburgs einzutreten, ferner ob Baden nicht durch das Bündnis vom
17. August 1866 selbst vertragsmäßig und rechtlich gehalten sei, sich auf Seite
Preußens zu stellen. Übrigens stehe ja nun die Erhaltung des Friedens in
Aussicht; Baden müsse nach seiner geographischen und gegenwärtigen politischen
Lage wünschen, daß wenn dies für Preußen und Deutschland unter ehren¬
haften Bedingungen möglich sei, ein Ausgleich gefunden und der Krieg ver¬
hindert werde.

Auf Freydorfs Frage, was die kaiserliche Regierung gerade bei der jetzigen
friedlichen Wendung*) zu den gestellten Anfragen veranlasse, bemerkte Herr
von Montgaseon, daß die betreffende Depesche das Datum vom 27. April
trage und am 28. April in Karlsruhe eingetroffen sei.

Auf die Frage des Herrn von Montgaseon, ob die badische Regierung
bei ihrem Interesse an der Erhaltung des Friedens nicht in Berlin im Sinne
des Friedens wirken wolle, bemerkte Frehdorf, daß die Vermittlung von den
Großmächten in die Hand genommen worden sei, die nach bestehenden Macht-
Verhältnissen und bei ihrer bessern Information über die Lage der Angelegen-



*) Schon am 25. April hatte Bismarck den: österreichischen Vorschlage, Luxemburg bei
Holland zu lassen und eventuell die Festung zu räumen und zu schleifen, beigestimmt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/72>, abgerufen am 15.01.2025.