Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Der Verfassungskonflikt in Ungarn ^ITEMMWi. M Daß eine solche Politik, die kleinen Volksstämmen angemessen ist, zeit¬ Grenzboten lV 1905 LS
Der Verfassungskonflikt in Ungarn ^ITEMMWi. M Daß eine solche Politik, die kleinen Volksstämmen angemessen ist, zeit¬ Grenzboten lV 1905 LS
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[Abbildung]
Der Verfassungskonflikt in Ungarn
^ITEMMWi. M
bW
ez^A)>le große Verschiedenheit der Völkerstämme Österreichs ist von
jeher ein Nachteil für das umfangreiche Ländergebiet der Habs¬
burgischen Monarchie gewesen, das sonst zu den schönsten Europas
gehört. Man weiß aus der Geschichte, welche Schwierigkeiten
!die Dynastie gehabt hat, namentlich Ungarn und Böhmen unter
ihrer Herrschaft zu behalten, und die Nachwehen davon machen sich noch in
unsern Tagen der Großmachtpolitik bemerklich. Seit dem Jahre 1526 — nach
der Schlacht von Mohacs — ist Ungarn nach und uach als Nebeuland zu
Osterreich gekommen, die politischen Köpfe des Landes fanden damals für
ratsam, einen Anschluß an die westlichen Nachbarmächte zu suchen und damit
der Gefahr zu entgehn, von den Türken vernichtet zu werden. Die Türken¬
gefahr, die übrigens nicht allein den Magyaren drohte, besteht seit mehr als
zwei Jahrhunderten nicht mehr, dafür aber sind die wenigen Millionen der
Ungarn der Möglichkeit ausgesetzt, von den zahlreichen Slawen ringsum auf¬
gesogen zu werden. Die Notwendigkeit, Anlehnung zu suchen, bestand dem¬
nach für die Magyaren weiter, und die Überzeugung davon hat bis in die
neuste Zeit die Mehrzahl ihrer politischen Führer beherrscht. Sie wollen
Magyaren bleiben und in Ungarn herrschen, aber sie wollen auch Bundes¬
genossen der Deutschen sein, vor denen sie weniger nationale Furcht hatten
als vor den Slawen, und mit ihnen gegen diesen gemeinsamen Feind kämpfen.
Das war in neuerer Zeit auch noch der Standpunkt Death und Julius Au-
drassys, denen ein gutes Einvernehmen mit Wien und mit Berlin als erste
politische Voraussetzung galt.
Daß eine solche Politik, die kleinen Volksstämmen angemessen ist, zeit¬
weilig eine gewisse nationale Nachgiebigkeit fordert, liegt auf der Hand, und
es versteht sich auf der andern Seite von selbst, daß nationale Heißsporne
damit häufig nicht einverstanden sind. Wer die letzten vier Jahrhunderte der
ungarischen Geschichte überschaut, erkennt ohne weiteres, daß beide Strömungen,
die politisch kluge und die nationalradikale, immer nebeneinander bestanden
haben. War die politisch praktische Richtung im Lande maßgebend, so herrschte
Ruhe und Frieden, gewann die radikale Stimmung die Oberhand, dann gab
es Unruhen und Aufstände gegen die österreichische Regierung. Ein halbes
Grenzboten lV 1905 LS
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