Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die Ästhetik als Norm der Menschenrvürdigung So mögen mir denn die freundlichen Leserinnen -- denn sie geht die Be¬ Bekannt ist ferner, mit wie zarten, aber auch mit wie satten Farben die Ja, in der althebräischen Literatur wird die Schönheit einigemal auch Die Ästhetik als Norm der Menschenrvürdigung So mögen mir denn die freundlichen Leserinnen — denn sie geht die Be¬ Bekannt ist ferner, mit wie zarten, aber auch mit wie satten Farben die Ja, in der althebräischen Literatur wird die Schönheit einigemal auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0547" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296558"/> <fw type="header" place="top"> Die Ästhetik als Norm der Menschenrvürdigung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2820"> So mögen mir denn die freundlichen Leserinnen — denn sie geht die Be¬<lb/> handlung des erwähnten Themas zunächst an — und Leser zuerst in die alt-<lb/> hebräische Literatur folgen und mir erlauben, ihnen die Frage vorzulegen: Wer<lb/> kennt die ersten Frauennnmcn, die uns nach Eva, der „Lebensspenderin," im<lb/> althebräischen Schrifttum begegnen? Nun, die sind Ada „Schmuck" oder „(strah¬<lb/> lender) Morgen," Zilla „Schatten, Schattenspenderin" und Naama „Anmut<lb/> oder Lieblichkeit/' Aber die körperliche Grazie ist als Vorzug von Frauen in<lb/> dieser Literatur oft noch deutlicher hervorgehoben. Denn daß sie „schön" ge¬<lb/> wesen sind, findet der hebräische Geschichtschreiber schon bei den Patriarchen¬<lb/> frauen erwähnenswert. So wird es von Sara (1. Mos, 12, it) und so ist es<lb/> von Rebekka gemeldet (24, 16). „Lea hatte ein blödes Gesicht, d. h. sie ent¬<lb/> behrte des feurigen Auges; Rahel aber war schön an Form und schön an<lb/> Aussehen (d. h. an Gesichtsbildung und Gesichtsausdruck)" lesen wir in 29, 17.<lb/> Der Schwiegervater Simsons rühmt seine jüngere Tochter diesem mit den<lb/> Worten: „Die ist schöner, als sie," nämlich als die ältere (Richt. 15, 2).<lb/> Ebenso wird die Schönheit noch bei Abigail (1. Sam. 25, 3), bei Urias Weib<lb/> Bathseba (2. Sam. 11, 2), bei einer Schwester und einer Tochter Absalons,<lb/> die beide den Namen Thcnuar „Palme" trugen (2. Sam. 13, 1; 14, 27), bei<lb/> der bekannten Abisag von Sunem (1. Kön. 1, 3), bei Esther (2, 7) und bei<lb/> den Töchtern Hiobs (42, 15) betont. Mit dein Hungertode „der schönen Jung¬<lb/> frauen" droht auch einmal ein Prophet (Amos 8, 13), wie „Schönheit" mit<lb/> „Jungfrau" parallel geht in Sach. 9, 17, und „Brandmal — der kriegs-<lb/> gefangnen Sklavin — statt Schönheit" den gefallsüchtigen Jernsalemerinnen<lb/> auch von Jesaja (3, 24) in Aussicht gestellt wird. Deal „Schönheit" verleiht<lb/> auch einer Kriegsgefangnen einen besondern Wert (5. Mos. 21, 11).</p><lb/> <p xml:id="ID_2821"> Bekannt ist ferner, mit wie zarten, aber auch mit wie satten Farben die<lb/> weibliche Schönheit im Hohenliede gezeichnet wird. Jene finden wir natürlich<lb/> auf Snlamiths Palette. Sie drückt das Bewußtsein ihrer Grazie nur mit den<lb/> Worten „Ich bin eine Blume zu Saron (richtiger nach dem Asshrischen: eine<lb/> ».Herbstzeitlose« in der Saronebene) und eine Lilie im Tal" aus (2, 1). Dem<lb/> Munde des entzückten Liebhabers entströmen Äußerungen, wie die folgenden:<lb/> „Siehe, meine Freundin, du bist schön: deine Augen sind wie Taubenaugen<lb/> zwischen deinen Zöpfen" (4, 1); oder „Wer ist es, die hervorbricht wie die<lb/> Morgenröte, schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne?" (6, 10); oder<lb/> „Deine Höhe gleicht der der Palme" (7, 8).</p><lb/> <p xml:id="ID_2822" next="#ID_2823"> Ja, in der althebräischen Literatur wird die Schönheit einigemal auch<lb/> in der Charakteristik von Männern erwähnt. So wird Joseph als „schön an<lb/> Gestalt und schön von Aussehen," also Gesichtsbildung, beschrieben (1. Mos.<lb/> 39, g). Die Schönheit Davids wird zweimal betont: „er war rötlich (s-amori,<lb/> d-h. hatte einen lebhaften, blutdurchströmten Teint), hatte schöne Augen und<lb/> war trefflich vo,i Aussehen überhaupt" (1. Sam. 16, 12; 17, 42. Übrigens<lb/> das erwähnte Wort ^wcmi „rötlich" bezieht sich nach aller Wahrscheinlichkeit<lb/> nicht auf die Farbe der Haare Davids, wie ein Assyriolog neuerdings unter<lb/> Kombination von David mit dem Lichtgott Marduk gemeint hat. Denn Davids<lb/> Gemahlin, die frühere Prinzessin Michal, hat die Haare ihres durch List ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0547]
Die Ästhetik als Norm der Menschenrvürdigung
So mögen mir denn die freundlichen Leserinnen — denn sie geht die Be¬
handlung des erwähnten Themas zunächst an — und Leser zuerst in die alt-
hebräische Literatur folgen und mir erlauben, ihnen die Frage vorzulegen: Wer
kennt die ersten Frauennnmcn, die uns nach Eva, der „Lebensspenderin," im
althebräischen Schrifttum begegnen? Nun, die sind Ada „Schmuck" oder „(strah¬
lender) Morgen," Zilla „Schatten, Schattenspenderin" und Naama „Anmut
oder Lieblichkeit/' Aber die körperliche Grazie ist als Vorzug von Frauen in
dieser Literatur oft noch deutlicher hervorgehoben. Denn daß sie „schön" ge¬
wesen sind, findet der hebräische Geschichtschreiber schon bei den Patriarchen¬
frauen erwähnenswert. So wird es von Sara (1. Mos, 12, it) und so ist es
von Rebekka gemeldet (24, 16). „Lea hatte ein blödes Gesicht, d. h. sie ent¬
behrte des feurigen Auges; Rahel aber war schön an Form und schön an
Aussehen (d. h. an Gesichtsbildung und Gesichtsausdruck)" lesen wir in 29, 17.
Der Schwiegervater Simsons rühmt seine jüngere Tochter diesem mit den
Worten: „Die ist schöner, als sie," nämlich als die ältere (Richt. 15, 2).
Ebenso wird die Schönheit noch bei Abigail (1. Sam. 25, 3), bei Urias Weib
Bathseba (2. Sam. 11, 2), bei einer Schwester und einer Tochter Absalons,
die beide den Namen Thcnuar „Palme" trugen (2. Sam. 13, 1; 14, 27), bei
der bekannten Abisag von Sunem (1. Kön. 1, 3), bei Esther (2, 7) und bei
den Töchtern Hiobs (42, 15) betont. Mit dein Hungertode „der schönen Jung¬
frauen" droht auch einmal ein Prophet (Amos 8, 13), wie „Schönheit" mit
„Jungfrau" parallel geht in Sach. 9, 17, und „Brandmal — der kriegs-
gefangnen Sklavin — statt Schönheit" den gefallsüchtigen Jernsalemerinnen
auch von Jesaja (3, 24) in Aussicht gestellt wird. Deal „Schönheit" verleiht
auch einer Kriegsgefangnen einen besondern Wert (5. Mos. 21, 11).
Bekannt ist ferner, mit wie zarten, aber auch mit wie satten Farben die
weibliche Schönheit im Hohenliede gezeichnet wird. Jene finden wir natürlich
auf Snlamiths Palette. Sie drückt das Bewußtsein ihrer Grazie nur mit den
Worten „Ich bin eine Blume zu Saron (richtiger nach dem Asshrischen: eine
».Herbstzeitlose« in der Saronebene) und eine Lilie im Tal" aus (2, 1). Dem
Munde des entzückten Liebhabers entströmen Äußerungen, wie die folgenden:
„Siehe, meine Freundin, du bist schön: deine Augen sind wie Taubenaugen
zwischen deinen Zöpfen" (4, 1); oder „Wer ist es, die hervorbricht wie die
Morgenröte, schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne?" (6, 10); oder
„Deine Höhe gleicht der der Palme" (7, 8).
Ja, in der althebräischen Literatur wird die Schönheit einigemal auch
in der Charakteristik von Männern erwähnt. So wird Joseph als „schön an
Gestalt und schön von Aussehen," also Gesichtsbildung, beschrieben (1. Mos.
39, g). Die Schönheit Davids wird zweimal betont: „er war rötlich (s-amori,
d-h. hatte einen lebhaften, blutdurchströmten Teint), hatte schöne Augen und
war trefflich vo,i Aussehen überhaupt" (1. Sam. 16, 12; 17, 42. Übrigens
das erwähnte Wort ^wcmi „rötlich" bezieht sich nach aller Wahrscheinlichkeit
nicht auf die Farbe der Haare Davids, wie ein Assyriolog neuerdings unter
Kombination von David mit dem Lichtgott Marduk gemeint hat. Denn Davids
Gemahlin, die frühere Prinzessin Michal, hat die Haare ihres durch List ge-
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