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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Umnaßgebliches

seine Entstehung der Weltausstellung von Se. Louis, geht aber über den Zweck
einer Gelegenheitsschrift dem verarbeiteten Stoff und der Anlage nach so weit
hinaus, daß es einen dauernden Wert behaupten wird, weniger in seinen historischen
Teilen als in seiner Darstellung des gegenwärtigen Zustandes und dem reichen,
zuverlässigen statistischen Material. Gewisse Ungleichheiten waren bei der Menge
der jedenfalls sehr verschiedenartigen Mitarbeiter trotz der redigierenden Tätigkeit
des Herausgebers, W> Lexis in Göttingen, unvermeidlich, doch sind sie zum Teil
recht stark/ Auffallender- oder vielmehr bei der herrschenden Strömung nicht
auffallenderweise dränge" sich die technischen Hochschule" und die ihnen verwandten
Hochschulen für besondre Fachgebiete, obwohl sie alle junge Anstalten sind, so,
in den Vordergrund, daß der vierte Band der nllerstärkste geworden ist und im
Ganzen 838 Seiten umfaßt, während der erste Band über die Universitäten mit¬
samt den übrigen öffentlichen und privaten Anstalten für höhere Bildung (Akademien,
katholisch-theologische Lyceen und dergleichen) nnr 654 Seiten zahlt, und doch wird
niemand behaupten können, daß die technischen Unterrichtsanstalten im deutschen
Geistesleben much nur entfernt die Rolle gespielt haben wie die Universitäten, die
seit fünfeinhalb Jahrhunderte" die deutsche Wissenschaft getragen und den aller¬
größten Einfluß auf die Ratio" ausgeübt haben. Einen unverhältnismäßig kleine"
Raum nehmen dagegen die beiden Bande ein, die die höhern Lehranstalten (Gym¬
nasien, Realgymnasien, Realschulen) mit dem Mädchenschulwesen und das Volks¬
schulwesen mit dem Lehrerbildnngswescn behandeln; denn der zweite Band hat nur
426, der dritte wesentlich stärkere auch nur 570 Seiten. Und dabei ist das höhere
Schulwesen doch der allerälteste und vielgestaltigste Zweig des gauzeu Bildungs¬
wesens in Deutschland, und es bietet für die höchste" Bildungsstufen erst die Grund¬
lage. Auch die Darstellung der einzelnen Seiten in der Entwicklung der einzelnen
Anstaltsgnttungeu und die Behandlung der deutschen Staaten leidet an starken
Ungleichmäßigieiten. Die allgemeine historische Übersicht, die jeder Austaltsgattuug
Kornuszugehn pflegt, ist bei den Universitäten bei aller Kürze und Knappheit vor¬
trefflich, denn sie rührt von einem Meister. Friedrich Paulsen, her, der am Schlüsse
""es die nationale Bedeutung der Universitäten ebenso schön wie richtig hervor¬
hebt,*) und auch die geschichtliche" Übersichten über die einzelnen Universitäten von
sehr verschiednen Verfassern entsprechen ihrem Zwecke. Ebenso gibt Gertrud Banner
im zweiten Bande eine treffliche Darstellung von der Geschichte des Mädchenschul-
wesens vom Mittelalter an, P. von Gizycki im dritten Bande wenigstens eine ge¬
nügende Übersicht von der des deutschen Volksschulwesens. Dagegen fehlt im
zweiten Bande eine solche über die historische Ausbildung des höhern Schulwesens
vollständig; was an geschichtlichem Material beigebracht wird, ist in den einzelnen
Abteilungen zersplittert, ein bedauerlicher Mangel des sonst so verdienstvollen Werkes,
den die Kürze der Zeit nicht genügend begründen kann. Daß in einzelnen Partien
die preußischen Verhältnisse ganz in den Vordergrund gestellt werden, das hängt
mit dem Ausgangspunkte des ganzen weitschichtigen Unternehmens, und wie es
icheint, auch mit der Haltung der einzelnen Bundesregierungen ihm gegenüber zu¬
sammen; aber es entspricht nicht den Tatsachen, wenn im dritten Bande das preußische
Volksschulwesen auf sechzig, das des außerpreußischen Deutschlands auf -- zwei Seiten



^ ") Wir wollen nicht unterlassen, hier noch besonders auf das etwas ältere Werk Paniscus,
deutschen Universitäten und das Universitätsstudium iVerlin, A. Asser u. Co.
^U und S76 Seiten) aufmerksam zu machen. Pnulsen hat dabei die Uinversttaten des ge¬
stirnten deutschen Sprachgebiets im Auge. Er gibt im ersten Buch eine kurze Geschichte der
Universitäten, in der die Neuzeit überwiegt, und verbindet damit in scharf gezeichneten Zügen
°Me Geschichte der Wissenschaften, deren Pflege die Hauptaufgabe der deutschen Universitäten ist;
dann schildert er ihre gegenwärtige Verfassung und Stellung im öffentlichen Leben, Lehrer und
Unterricht, geht ferner auf die Studierenden (warum nicht Studenten?) und das akademische
Studium ein und schließt mit einem Kapitel über die einzelnen Fakultäten und ihre besondern
Aufgaben. Mit voller Sachkenntnis verbindet er bei aller Begeisterung für die Universitäten
und dein freudigen Glauben an ihre Zukunft ein unbestechliches, besonnenes Urteil, das sichvon jeder "enkomiastischen Darstellung" wie von jedem Abnrteilen gleichmäßig fernhält.
Maßgebliches und Umnaßgebliches

seine Entstehung der Weltausstellung von Se. Louis, geht aber über den Zweck
einer Gelegenheitsschrift dem verarbeiteten Stoff und der Anlage nach so weit
hinaus, daß es einen dauernden Wert behaupten wird, weniger in seinen historischen
Teilen als in seiner Darstellung des gegenwärtigen Zustandes und dem reichen,
zuverlässigen statistischen Material. Gewisse Ungleichheiten waren bei der Menge
der jedenfalls sehr verschiedenartigen Mitarbeiter trotz der redigierenden Tätigkeit
des Herausgebers, W> Lexis in Göttingen, unvermeidlich, doch sind sie zum Teil
recht stark/ Auffallender- oder vielmehr bei der herrschenden Strömung nicht
auffallenderweise dränge» sich die technischen Hochschule» und die ihnen verwandten
Hochschulen für besondre Fachgebiete, obwohl sie alle junge Anstalten sind, so,
in den Vordergrund, daß der vierte Band der nllerstärkste geworden ist und im
Ganzen 838 Seiten umfaßt, während der erste Band über die Universitäten mit¬
samt den übrigen öffentlichen und privaten Anstalten für höhere Bildung (Akademien,
katholisch-theologische Lyceen und dergleichen) nnr 654 Seiten zahlt, und doch wird
niemand behaupten können, daß die technischen Unterrichtsanstalten im deutschen
Geistesleben much nur entfernt die Rolle gespielt haben wie die Universitäten, die
seit fünfeinhalb Jahrhunderte» die deutsche Wissenschaft getragen und den aller¬
größten Einfluß auf die Ratio» ausgeübt haben. Einen unverhältnismäßig kleine»
Raum nehmen dagegen die beiden Bande ein, die die höhern Lehranstalten (Gym¬
nasien, Realgymnasien, Realschulen) mit dem Mädchenschulwesen und das Volks¬
schulwesen mit dem Lehrerbildnngswescn behandeln; denn der zweite Band hat nur
426, der dritte wesentlich stärkere auch nur 570 Seiten. Und dabei ist das höhere
Schulwesen doch der allerälteste und vielgestaltigste Zweig des gauzeu Bildungs¬
wesens in Deutschland, und es bietet für die höchste» Bildungsstufen erst die Grund¬
lage. Auch die Darstellung der einzelnen Seiten in der Entwicklung der einzelnen
Anstaltsgnttungeu und die Behandlung der deutschen Staaten leidet an starken
Ungleichmäßigieiten. Die allgemeine historische Übersicht, die jeder Austaltsgattuug
Kornuszugehn pflegt, ist bei den Universitäten bei aller Kürze und Knappheit vor¬
trefflich, denn sie rührt von einem Meister. Friedrich Paulsen, her, der am Schlüsse
""es die nationale Bedeutung der Universitäten ebenso schön wie richtig hervor¬
hebt,*) und auch die geschichtliche» Übersichten über die einzelnen Universitäten von
sehr verschiednen Verfassern entsprechen ihrem Zwecke. Ebenso gibt Gertrud Banner
im zweiten Bande eine treffliche Darstellung von der Geschichte des Mädchenschul-
wesens vom Mittelalter an, P. von Gizycki im dritten Bande wenigstens eine ge¬
nügende Übersicht von der des deutschen Volksschulwesens. Dagegen fehlt im
zweiten Bande eine solche über die historische Ausbildung des höhern Schulwesens
vollständig; was an geschichtlichem Material beigebracht wird, ist in den einzelnen
Abteilungen zersplittert, ein bedauerlicher Mangel des sonst so verdienstvollen Werkes,
den die Kürze der Zeit nicht genügend begründen kann. Daß in einzelnen Partien
die preußischen Verhältnisse ganz in den Vordergrund gestellt werden, das hängt
mit dem Ausgangspunkte des ganzen weitschichtigen Unternehmens, und wie es
icheint, auch mit der Haltung der einzelnen Bundesregierungen ihm gegenüber zu¬
sammen; aber es entspricht nicht den Tatsachen, wenn im dritten Bande das preußische
Volksschulwesen auf sechzig, das des außerpreußischen Deutschlands auf — zwei Seiten



^ ") Wir wollen nicht unterlassen, hier noch besonders auf das etwas ältere Werk Paniscus,
deutschen Universitäten und das Universitätsstudium iVerlin, A. Asser u. Co.
^U und S76 Seiten) aufmerksam zu machen. Pnulsen hat dabei die Uinversttaten des ge¬
stirnten deutschen Sprachgebiets im Auge. Er gibt im ersten Buch eine kurze Geschichte der
Universitäten, in der die Neuzeit überwiegt, und verbindet damit in scharf gezeichneten Zügen
°Me Geschichte der Wissenschaften, deren Pflege die Hauptaufgabe der deutschen Universitäten ist;
dann schildert er ihre gegenwärtige Verfassung und Stellung im öffentlichen Leben, Lehrer und
Unterricht, geht ferner auf die Studierenden (warum nicht Studenten?) und das akademische
Studium ein und schließt mit einem Kapitel über die einzelnen Fakultäten und ihre besondern
Aufgaben. Mit voller Sachkenntnis verbindet er bei aller Begeisterung für die Universitäten
und dein freudigen Glauben an ihre Zukunft ein unbestechliches, besonnenes Urteil, das sichvon jeder „enkomiastischen Darstellung" wie von jedem Abnrteilen gleichmäßig fernhält.
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[0403] Maßgebliches und Umnaßgebliches seine Entstehung der Weltausstellung von Se. Louis, geht aber über den Zweck einer Gelegenheitsschrift dem verarbeiteten Stoff und der Anlage nach so weit hinaus, daß es einen dauernden Wert behaupten wird, weniger in seinen historischen Teilen als in seiner Darstellung des gegenwärtigen Zustandes und dem reichen, zuverlässigen statistischen Material. Gewisse Ungleichheiten waren bei der Menge der jedenfalls sehr verschiedenartigen Mitarbeiter trotz der redigierenden Tätigkeit des Herausgebers, W> Lexis in Göttingen, unvermeidlich, doch sind sie zum Teil recht stark/ Auffallender- oder vielmehr bei der herrschenden Strömung nicht auffallenderweise dränge» sich die technischen Hochschule» und die ihnen verwandten Hochschulen für besondre Fachgebiete, obwohl sie alle junge Anstalten sind, so, in den Vordergrund, daß der vierte Band der nllerstärkste geworden ist und im Ganzen 838 Seiten umfaßt, während der erste Band über die Universitäten mit¬ samt den übrigen öffentlichen und privaten Anstalten für höhere Bildung (Akademien, katholisch-theologische Lyceen und dergleichen) nnr 654 Seiten zahlt, und doch wird niemand behaupten können, daß die technischen Unterrichtsanstalten im deutschen Geistesleben much nur entfernt die Rolle gespielt haben wie die Universitäten, die seit fünfeinhalb Jahrhunderte» die deutsche Wissenschaft getragen und den aller¬ größten Einfluß auf die Ratio» ausgeübt haben. Einen unverhältnismäßig kleine» Raum nehmen dagegen die beiden Bande ein, die die höhern Lehranstalten (Gym¬ nasien, Realgymnasien, Realschulen) mit dem Mädchenschulwesen und das Volks¬ schulwesen mit dem Lehrerbildnngswescn behandeln; denn der zweite Band hat nur 426, der dritte wesentlich stärkere auch nur 570 Seiten. Und dabei ist das höhere Schulwesen doch der allerälteste und vielgestaltigste Zweig des gauzeu Bildungs¬ wesens in Deutschland, und es bietet für die höchste» Bildungsstufen erst die Grund¬ lage. Auch die Darstellung der einzelnen Seiten in der Entwicklung der einzelnen Anstaltsgnttungeu und die Behandlung der deutschen Staaten leidet an starken Ungleichmäßigieiten. Die allgemeine historische Übersicht, die jeder Austaltsgattuug Kornuszugehn pflegt, ist bei den Universitäten bei aller Kürze und Knappheit vor¬ trefflich, denn sie rührt von einem Meister. Friedrich Paulsen, her, der am Schlüsse ""es die nationale Bedeutung der Universitäten ebenso schön wie richtig hervor¬ hebt,*) und auch die geschichtliche» Übersichten über die einzelnen Universitäten von sehr verschiednen Verfassern entsprechen ihrem Zwecke. Ebenso gibt Gertrud Banner im zweiten Bande eine treffliche Darstellung von der Geschichte des Mädchenschul- wesens vom Mittelalter an, P. von Gizycki im dritten Bande wenigstens eine ge¬ nügende Übersicht von der des deutschen Volksschulwesens. Dagegen fehlt im zweiten Bande eine solche über die historische Ausbildung des höhern Schulwesens vollständig; was an geschichtlichem Material beigebracht wird, ist in den einzelnen Abteilungen zersplittert, ein bedauerlicher Mangel des sonst so verdienstvollen Werkes, den die Kürze der Zeit nicht genügend begründen kann. Daß in einzelnen Partien die preußischen Verhältnisse ganz in den Vordergrund gestellt werden, das hängt mit dem Ausgangspunkte des ganzen weitschichtigen Unternehmens, und wie es icheint, auch mit der Haltung der einzelnen Bundesregierungen ihm gegenüber zu¬ sammen; aber es entspricht nicht den Tatsachen, wenn im dritten Bande das preußische Volksschulwesen auf sechzig, das des außerpreußischen Deutschlands auf — zwei Seiten ^ ") Wir wollen nicht unterlassen, hier noch besonders auf das etwas ältere Werk Paniscus, deutschen Universitäten und das Universitätsstudium iVerlin, A. Asser u. Co. ^U und S76 Seiten) aufmerksam zu machen. Pnulsen hat dabei die Uinversttaten des ge¬ stirnten deutschen Sprachgebiets im Auge. Er gibt im ersten Buch eine kurze Geschichte der Universitäten, in der die Neuzeit überwiegt, und verbindet damit in scharf gezeichneten Zügen °Me Geschichte der Wissenschaften, deren Pflege die Hauptaufgabe der deutschen Universitäten ist; dann schildert er ihre gegenwärtige Verfassung und Stellung im öffentlichen Leben, Lehrer und Unterricht, geht ferner auf die Studierenden (warum nicht Studenten?) und das akademische Studium ein und schließt mit einem Kapitel über die einzelnen Fakultäten und ihre besondern Aufgaben. Mit voller Sachkenntnis verbindet er bei aller Begeisterung für die Universitäten und dein freudigen Glauben an ihre Zukunft ein unbestechliches, besonnenes Urteil, das sichvon jeder „enkomiastischen Darstellung" wie von jedem Abnrteilen gleichmäßig fernhält.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/403>, abgerufen am 15.01.2025.