Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Im Lande des llondors hoch in einsamer, stolzer Majestät ragt der Berg zum Himmel wie ein Wahr¬ Inzwischen treffen nach und nach kleine Dampfer von Valdivia ein. Sie Die Sonne hatte unterdessen ihren Zenit überschritten. Als wir nach einigen Unser pustendes kleines Dampfboot begegnet unterwegs mehreren andern Grenzboten IV 190S 50
Im Lande des llondors hoch in einsamer, stolzer Majestät ragt der Berg zum Himmel wie ein Wahr¬ Inzwischen treffen nach und nach kleine Dampfer von Valdivia ein. Sie Die Sonne hatte unterdessen ihren Zenit überschritten. Als wir nach einigen Unser pustendes kleines Dampfboot begegnet unterwegs mehreren andern Grenzboten IV 190S 50
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Im Lande des llondors
hoch in einsamer, stolzer Majestät ragt der Berg zum Himmel wie ein Wahr¬
zeichen dieses Landstrichs.
Inzwischen treffen nach und nach kleine Dampfer von Valdivia ein. Sie
bringen eine Menge von Passagieren zur Begrüßung und Abholung einer Reihe
meiner Schisfsgenvssen. Ein reges Leben entwickelt sich an Bord, und in dem
kleinen Volksgewirr ist Deutsch die Hauptsprache. Aber meine werten Chilenen
deutscher Herkunft scheinen in ihrer neuen Heimat die Gemächlichkeit der herr¬
schenden Nasse angenommen zu haben; es läuft alles auf die Geduldsprobe
hinaus, und warten, warten heißt es eben immer wieder, bis mein Wunsch, nach
Valdivia abfahren zu dürfen, endlich erfüllt wird. Darüber sind Stunden ver¬
flossen — aber x-aeieiuziiz,! Doch als ich die Gcduldprüfung glücklich bestanden
hatte und in dem kleinen Dampfer über die Bucht fuhr, war aller Unmut ver¬
flogen, und ich ließ die Annehmlichkeit dieser kleinen Wasserreise voll auf mich
einwirken.
Die Sonne hatte unterdessen ihren Zenit überschritten. Als wir nach einigen
- Zickzacklinien zwischen den Sandbänken in den Fluß, einen stattlichen, breiten
Strom, einfuhren, warfen die steilen, mit Myrtazeen und andern immergrünen
Bäumen dichtbewachsnen Ufer schon leichte Schatten auf das Wasser. In dem
Maße, wie wir vorwärtsrücken, werden die Ufer niedriger und machen wellen¬
förmigem Lande Platz. Auch der Wald verschwindet, und wenn ich vorher
geglaubt hatte, in einem solchen bis Valdivia gelangen zu können, so wurde
ich sehr enttäuscht. Wie muß sich diese Gegend durch AbHolzung verändert
haben! Denn alle frühern Berichte sprechen von der Dichtigkeit und Undurch¬
dringlichkeit der Wälder am Tequel-Tequel oder Calle-Calle, wie der Name
des Stromes bei Valdivia nach einer in Menge an ihm blühenden schönen,
Weißen Jridee lautet. Später allerdings begriff ich dieses Verschwinden der
Waldungen, als man mir erzählte, wie für die in Valdivia betriebnen Industrie¬
zweige nur Holz als Heizmaterial für Dampfkessel, Schmelzen und dergleichen
verwandt werde. Ganze Wälder werden dadurch jährlich verbrannt — und
dabei gibt es in dem nahen Lota Kohlen! Diese Art der Ausrottung wird
sich über kurz oder lang bitter rächen. Schon jetzt zeigen sich die ersten Folgen:
gewaltige Überschwemmungen, die zeitweise bedenkliche Störungen in den Be¬
trieben Valdivias hervorrufen. Dazu werden daun die sich langsam aber sicher
vollziehenden klimatischen Verschlechterungen kommen, da kein Mensch an die
Wiederaufforstung des Abgehauenen, wenn auch nur im bescheidensten Maße,
denkt, und die Ausrottungen ruhig weiter betrieben werden.
Unser pustendes kleines Dampfboot begegnet unterwegs mehreren andern
Booten. Eines interessierte mich besonders, weil es einige Ureinwohner des
Landes, Indios, Araucanos, trug. Die dunkelfarbigen Menschen mit den
glänzend schwarzen Haaren ruderten ernst und schweigsam vorbei, ohne die
geringste Notiz von uns zu nehmen. Da und dort am Ufer zeigt sich eine
elende Hütte, ein sogenannter Ramado; dann taucht nach etwa anderthalb-
stündiger Fahrt am linken Ufer des Calle-Calle Valdivia auf. Am primitiven
Holzquai, Muelle, legt unser Schiff an, und wir betreten nun eine chilenische
Stadt, in der das Deutschtum die führende Rolle hat. Aber ich bekenne auf-
Grenzboten IV 190S 50
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