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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

englisch - japanischen Bündnisses bekannt wurde. Daß dieses Bündnis nur zu
kriegerischen, und zwar zu offensiven Zwecken geschlossen war, ergab sehr bald
sein Inhalt. Der Ausbruch des Krieges konnte demnach nur eine Frage der
Zeit oder der japanischen Bereitschaft sein. Um so bemerkenswerter ist es, daß
von japanischer Seite losgeschlagen wurde, ohne daß man den englischen Bundes¬
genossen vorher davon unterrichtet hätte. Als dann in diesem Frühjahr das Kriegs¬
feuer niederbrannte, lag die Entscheidung wiederum bet dem Rat der Alten in
Tokio, d. h. die Entscheidung über die Annahme oder die Ablehnung der Witteschen
Vorschläge. Auch damals gab es nur vier Mächte, die über die Situation wirklich
unterrichtet waren, das waren außer Rußland und Japan -- Deutschland und
Amerika; die beiden letzten dadurch, daß sie die eigentlichen Friedensmacher waren,
Kaiser Wilhelm noch viel mehr als Präsident Roosevelt, wenngleich von Deutsch¬
land aus nichts darüber bekannt geworden ist. Auch da war es wieder das Ver¬
bündete England, das von Japan sehr unzureichend unterrichtet worden war. An
demselben Tage, wo der Rat der Alten in Tokio den russischen Vorschlägen zu¬
gestimmt hatte, fragte König Eduard Abends aus Marienbad in London an, wie
die Dinge stünden, und erhielt die Antwort, die Situation sei unverändert kritisch,
eine Entschließung Japans sei noch nicht bekannt.

Gerade was die russisch-japanische Verwicklung anlangt, sind mithin die Unter¬
stellungen, die der deutschen Politik gemacht werden, daß sie "von den Ereignissen
überrascht worden sei," das nackte Gegenteil des wirklichen Tatbestandes. Nächst
den beiden kriegführenden Mächten war Deutschland die bestunterrichtete Macht beim
Ausbruch wie am Ende des Krieges. Man sollte jedoch auch nicht übersehen, daß
der Vorwurf der Überraschung in diesem Falle nicht nur die Diplomatie treffen
würde, sondern auch uusern Generalstab, der sich schwer an seiner Pflicht versündigt
hätte, wenn er den seit Jahr und Tag bekannte" Kriegsvorbereitungen zweier großer
Nationen nicht mit aller Aufmerksamkeit gefolgt wäre. Auch das ist in jeder
Hinsicht der Fall gewesen, und um so sonderbarer nehmen sich die Vorwürfe
gerade in Zeitungen aus, die ihr Publikum in militärischen Kreisen suchen und auch
ihrer ganzen Tendenz nach für die Armee einzutreten pflegen. Der Vorwurf, den
sie gegen die deutsche Diplomatie erheben, träfe den Generalstab und die militärischen
Berichterstatter zu allererst und erst nach ihnen die Diplomatie -- zum Glück aber
die eine so wenig wie die andern mit irgendwelcher Berechtigung.

Und um erst gar die marokkanische Angelegenheit! Als der russisch-japanische
Krieg ausbrach, hing die weitere Entwicklung der internationalen Lage wesentlich
davon ab, ob sich England einerseits an der Seite des Verbündeten Japans, Frankreich
an der Seite des Verbündeten Rußlands an dem Kriege beteiligen würde. Das
wäre ein Weltkrieg mit schwerer Schädigung der wirtschaftlichen Interessen aller
größern Nationen geworden. An einem solchen hatte weder England noch Frankreich
ein Interesse. England um so weniger, als ihm an einem friedlichen Abkommen
über Asien mit Rußland sehr viel mehr gelegen war. Man hatte darüber bis zum
Ausbruch des Krieges verhandelt. Rußland erklärte dann, daß es ungeachtet aller
prinzipiellen Geneigtheit mit dem Verbündeten Japans während des Krieges eine
solche Abmachung doch nicht treffen könne. Einige Schachzüge von der einen wie von
der andern Seite auf mittelasiatischen Gebiete hatten nur den Zweck, ein Zai-as?!
anzusagen; England bewies durch sein Verhalten bei der Doggerbankaffäre, daß es
einem Konflikt mit Rußland ausweichen wollte. Damit war für jeden einsichtigen
Staatsmann die Erkenntnis gegeben, daß Frankreich, vielleicht auch auf Wunsch
Rußlands, die Annäherung an England suchen werde wie England die Annäherung
an Frankreich, das zu einer solchen um so bereitwilliger sein mußte, als es fort¬
gesetzt bündnisbedürftig ist. Nach dem schweren Engagement des russischen Ver¬
bündeten war Frankreich entweder auf ein gutes Verhältnis zu Deutschland oder
auf eine Entente mit England angewiesen. Die Richtung der französischen Politik
war bald zu erkennen. Da Frankreich ein Einvernehmen mit Deutschland nicht nur


Maßgebliches und Unmaßgebliches

englisch - japanischen Bündnisses bekannt wurde. Daß dieses Bündnis nur zu
kriegerischen, und zwar zu offensiven Zwecken geschlossen war, ergab sehr bald
sein Inhalt. Der Ausbruch des Krieges konnte demnach nur eine Frage der
Zeit oder der japanischen Bereitschaft sein. Um so bemerkenswerter ist es, daß
von japanischer Seite losgeschlagen wurde, ohne daß man den englischen Bundes¬
genossen vorher davon unterrichtet hätte. Als dann in diesem Frühjahr das Kriegs¬
feuer niederbrannte, lag die Entscheidung wiederum bet dem Rat der Alten in
Tokio, d. h. die Entscheidung über die Annahme oder die Ablehnung der Witteschen
Vorschläge. Auch damals gab es nur vier Mächte, die über die Situation wirklich
unterrichtet waren, das waren außer Rußland und Japan — Deutschland und
Amerika; die beiden letzten dadurch, daß sie die eigentlichen Friedensmacher waren,
Kaiser Wilhelm noch viel mehr als Präsident Roosevelt, wenngleich von Deutsch¬
land aus nichts darüber bekannt geworden ist. Auch da war es wieder das Ver¬
bündete England, das von Japan sehr unzureichend unterrichtet worden war. An
demselben Tage, wo der Rat der Alten in Tokio den russischen Vorschlägen zu¬
gestimmt hatte, fragte König Eduard Abends aus Marienbad in London an, wie
die Dinge stünden, und erhielt die Antwort, die Situation sei unverändert kritisch,
eine Entschließung Japans sei noch nicht bekannt.

Gerade was die russisch-japanische Verwicklung anlangt, sind mithin die Unter¬
stellungen, die der deutschen Politik gemacht werden, daß sie „von den Ereignissen
überrascht worden sei," das nackte Gegenteil des wirklichen Tatbestandes. Nächst
den beiden kriegführenden Mächten war Deutschland die bestunterrichtete Macht beim
Ausbruch wie am Ende des Krieges. Man sollte jedoch auch nicht übersehen, daß
der Vorwurf der Überraschung in diesem Falle nicht nur die Diplomatie treffen
würde, sondern auch uusern Generalstab, der sich schwer an seiner Pflicht versündigt
hätte, wenn er den seit Jahr und Tag bekannte« Kriegsvorbereitungen zweier großer
Nationen nicht mit aller Aufmerksamkeit gefolgt wäre. Auch das ist in jeder
Hinsicht der Fall gewesen, und um so sonderbarer nehmen sich die Vorwürfe
gerade in Zeitungen aus, die ihr Publikum in militärischen Kreisen suchen und auch
ihrer ganzen Tendenz nach für die Armee einzutreten pflegen. Der Vorwurf, den
sie gegen die deutsche Diplomatie erheben, träfe den Generalstab und die militärischen
Berichterstatter zu allererst und erst nach ihnen die Diplomatie — zum Glück aber
die eine so wenig wie die andern mit irgendwelcher Berechtigung.

Und um erst gar die marokkanische Angelegenheit! Als der russisch-japanische
Krieg ausbrach, hing die weitere Entwicklung der internationalen Lage wesentlich
davon ab, ob sich England einerseits an der Seite des Verbündeten Japans, Frankreich
an der Seite des Verbündeten Rußlands an dem Kriege beteiligen würde. Das
wäre ein Weltkrieg mit schwerer Schädigung der wirtschaftlichen Interessen aller
größern Nationen geworden. An einem solchen hatte weder England noch Frankreich
ein Interesse. England um so weniger, als ihm an einem friedlichen Abkommen
über Asien mit Rußland sehr viel mehr gelegen war. Man hatte darüber bis zum
Ausbruch des Krieges verhandelt. Rußland erklärte dann, daß es ungeachtet aller
prinzipiellen Geneigtheit mit dem Verbündeten Japans während des Krieges eine
solche Abmachung doch nicht treffen könne. Einige Schachzüge von der einen wie von
der andern Seite auf mittelasiatischen Gebiete hatten nur den Zweck, ein Zai-as?!
anzusagen; England bewies durch sein Verhalten bei der Doggerbankaffäre, daß es
einem Konflikt mit Rußland ausweichen wollte. Damit war für jeden einsichtigen
Staatsmann die Erkenntnis gegeben, daß Frankreich, vielleicht auch auf Wunsch
Rußlands, die Annäherung an England suchen werde wie England die Annäherung
an Frankreich, das zu einer solchen um so bereitwilliger sein mußte, als es fort¬
gesetzt bündnisbedürftig ist. Nach dem schweren Engagement des russischen Ver¬
bündeten war Frankreich entweder auf ein gutes Verhältnis zu Deutschland oder
auf eine Entente mit England angewiesen. Die Richtung der französischen Politik
war bald zu erkennen. Da Frankreich ein Einvernehmen mit Deutschland nicht nur


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[0344] Maßgebliches und Unmaßgebliches englisch - japanischen Bündnisses bekannt wurde. Daß dieses Bündnis nur zu kriegerischen, und zwar zu offensiven Zwecken geschlossen war, ergab sehr bald sein Inhalt. Der Ausbruch des Krieges konnte demnach nur eine Frage der Zeit oder der japanischen Bereitschaft sein. Um so bemerkenswerter ist es, daß von japanischer Seite losgeschlagen wurde, ohne daß man den englischen Bundes¬ genossen vorher davon unterrichtet hätte. Als dann in diesem Frühjahr das Kriegs¬ feuer niederbrannte, lag die Entscheidung wiederum bet dem Rat der Alten in Tokio, d. h. die Entscheidung über die Annahme oder die Ablehnung der Witteschen Vorschläge. Auch damals gab es nur vier Mächte, die über die Situation wirklich unterrichtet waren, das waren außer Rußland und Japan — Deutschland und Amerika; die beiden letzten dadurch, daß sie die eigentlichen Friedensmacher waren, Kaiser Wilhelm noch viel mehr als Präsident Roosevelt, wenngleich von Deutsch¬ land aus nichts darüber bekannt geworden ist. Auch da war es wieder das Ver¬ bündete England, das von Japan sehr unzureichend unterrichtet worden war. An demselben Tage, wo der Rat der Alten in Tokio den russischen Vorschlägen zu¬ gestimmt hatte, fragte König Eduard Abends aus Marienbad in London an, wie die Dinge stünden, und erhielt die Antwort, die Situation sei unverändert kritisch, eine Entschließung Japans sei noch nicht bekannt. Gerade was die russisch-japanische Verwicklung anlangt, sind mithin die Unter¬ stellungen, die der deutschen Politik gemacht werden, daß sie „von den Ereignissen überrascht worden sei," das nackte Gegenteil des wirklichen Tatbestandes. Nächst den beiden kriegführenden Mächten war Deutschland die bestunterrichtete Macht beim Ausbruch wie am Ende des Krieges. Man sollte jedoch auch nicht übersehen, daß der Vorwurf der Überraschung in diesem Falle nicht nur die Diplomatie treffen würde, sondern auch uusern Generalstab, der sich schwer an seiner Pflicht versündigt hätte, wenn er den seit Jahr und Tag bekannte« Kriegsvorbereitungen zweier großer Nationen nicht mit aller Aufmerksamkeit gefolgt wäre. Auch das ist in jeder Hinsicht der Fall gewesen, und um so sonderbarer nehmen sich die Vorwürfe gerade in Zeitungen aus, die ihr Publikum in militärischen Kreisen suchen und auch ihrer ganzen Tendenz nach für die Armee einzutreten pflegen. Der Vorwurf, den sie gegen die deutsche Diplomatie erheben, träfe den Generalstab und die militärischen Berichterstatter zu allererst und erst nach ihnen die Diplomatie — zum Glück aber die eine so wenig wie die andern mit irgendwelcher Berechtigung. Und um erst gar die marokkanische Angelegenheit! Als der russisch-japanische Krieg ausbrach, hing die weitere Entwicklung der internationalen Lage wesentlich davon ab, ob sich England einerseits an der Seite des Verbündeten Japans, Frankreich an der Seite des Verbündeten Rußlands an dem Kriege beteiligen würde. Das wäre ein Weltkrieg mit schwerer Schädigung der wirtschaftlichen Interessen aller größern Nationen geworden. An einem solchen hatte weder England noch Frankreich ein Interesse. England um so weniger, als ihm an einem friedlichen Abkommen über Asien mit Rußland sehr viel mehr gelegen war. Man hatte darüber bis zum Ausbruch des Krieges verhandelt. Rußland erklärte dann, daß es ungeachtet aller prinzipiellen Geneigtheit mit dem Verbündeten Japans während des Krieges eine solche Abmachung doch nicht treffen könne. Einige Schachzüge von der einen wie von der andern Seite auf mittelasiatischen Gebiete hatten nur den Zweck, ein Zai-as?! anzusagen; England bewies durch sein Verhalten bei der Doggerbankaffäre, daß es einem Konflikt mit Rußland ausweichen wollte. Damit war für jeden einsichtigen Staatsmann die Erkenntnis gegeben, daß Frankreich, vielleicht auch auf Wunsch Rußlands, die Annäherung an England suchen werde wie England die Annäherung an Frankreich, das zu einer solchen um so bereitwilliger sein mußte, als es fort¬ gesetzt bündnisbedürftig ist. Nach dem schweren Engagement des russischen Ver¬ bündeten war Frankreich entweder auf ein gutes Verhältnis zu Deutschland oder auf eine Entente mit England angewiesen. Die Richtung der französischen Politik war bald zu erkennen. Da Frankreich ein Einvernehmen mit Deutschland nicht nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/344>, abgerufen am 15.01.2025.