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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Der fromme Maler

genug hast zu einem ruhige" Alter, dann falls schön ivcrden. Daun steht dir die
Wahl frei, wo du deine Ruhejnhrc zubringen willst. Bei einem der Brüder? In
einer freundlichen Stube im Oberstock, mit dem Blick ins Grüne? Und so recht ini
Familicnschvß? Sie reihte Bild nu Bild, heiter spielend, wie ein Kind mit einer
Perlenschnur, und er besah die Bilder, und es wurde ihm warm dabei. Aber
dann sagte er- Nein, daS nicht. Ich passe nicht nnter die ander". Hier und da
ein paar Tage, ja. Aber dann muß ich wieder allein sein. Ich kann nicht dafür.
Ich bin doch anders als sie.

Da hatte sie schon ein Stübchen i" Bereitschaft, draußen vor der Stadt, dort,
Wo die letzten, einzelnen Häuser steh", am Fuße des steilen Anstiegs, der in Wald
und Heide führt. Das gibt ein Lebe", sagte sie. Wie ein Freiherr hast dus dann.
Nein, dann bist dn einer. Das möchtest d" wohl "och ni"c Weile sei"? Das
sollst du auch.

Er mußte el" paarmal schlanken. DaS stand alles so greifbar deutlich vor
ihm. Und da"" lachte er behaglich.

Also -- immer voran. Das konnten ihm die Genosse" freilich nicht ansehen,
was für ein sei"er, behaglicher Rentner für die Zukunft in ihm steckte. Er trug
seine Kleider bis zur Unmöglichkeit aus. N"d die Stiefel, Flinte" a" Flinte". Was
tat das? Nur immer gespart. Das sollte ihm später alles hereinkommen. Später,
ja, da wollte er sich auch einmal die Kammer heize" lasse". Das tat er jetzt nicht.
Er schlenkerte mit den Armen, um warm z" werde", wen" ih" fror, und legte fich
Abends bald zu Bett.

Das war un" bisher alles schon glatt gegangen. Die Sparsumme wuchs a",
es war eine wahre Freude. Er wußte kaum, daß er anfing, die Gedanken daran
mit sich herumzutragen, wo er ging und stand. Er war auch jetzt nicht mehr so
kräftig, es wollte nicht mehr so recht mit der Arbeit gehn. Er mußte wohl in
ein paar Jahren Feierabend machen. Da sann er, ob es nicht ein bißchen schneller
gehn könne mit dem Ansammeln. Um diese Zeit trug er etwas in den Wald hinein,
das dort nicht hingehörte, das nicht sonntäglich war und nicht frei. Wie konnte
er noch mehr sparen? Gab es nichts, womit er sich einen außergewöhnlichen Ver¬
dienst verschaffen konnte? Das bewegte seine Gedcnike", während rings um ihn die
Bäume rauschten, und die gelben Blätter niederfielen im spätherbstliche" Nordvst-
wi"d. Während ri"gs um ihn her die Natur verschwendete, da ja ein neuer
Frühling alles neu ausschmücken mußte, sann er, wie er ihr Pfennige abstehlen
to""e, ihr, die ih" königlich empfangen hatte jahraus jahrein. Das war so: Der
Blumenmichel war jüngst gestorben, ein halb verwilderter Wcildmcnsch, der nur
aufgetaucht war, das Gesicht von einem großen Bart verdeckt, den riesigen Stroh¬
hut tief in den Kopf gezogen, wenn er an den Bahnhöfen der Residenz seine
Wnldstränße zum Verkauf angeboten hatte. Man hatte nur wenig von ihm ge¬
wußt; er war eine Sehenswürdigkeit gewesen, die man den ankommenden Fremden
gezeigt hatte. Aber Gottlob Maier hatte ihn verschiedentlich getroffen, im Dickicht,
auf den Waldwiesen oder am Rande der Sümpfe, wo irgend merkwürdige Blumen
aufzufinden waren. Das Sträußebinden, das hatte er von ihm gelernt. Vom
erste" Veilchen an, von den rötlichen Vuschanemviicn an, bis zum rot und braun
gefärbten Herbstlaub, bis zu den glänzenden Zweigen der Stechpalme mit den roten
Beeren; viles hatte sich, lieblich und anmutig, zum Strauße gefügt, was draußen
an grünen und farbigen Trieben erwuchs. Aber es war seitdem immer das Ge¬
schenk des Waldes an ein Kind des Hanfes gewesen, was er davon getragen hatte.
Er hatte es ja nicht nötig gehabt, Gewinn daraus zu ziehn, er hatte die duftigen
Gaben als ein Stück Sonntag mit in seinen Werktag hinein genommen. Das
wurde nun anders. Nun nahm er den Werktag mit in sein grünes, hcrbstbunt
ausgeschmücktes Sonntagshaus. Deu Werktag und den Erlverbsinn. Dus wurde
seine Schuld. Das trieb ihn aus dem Paradies, wo er bisher jeden siebenten Tag
gelebt hatte.


Der fromme Maler

genug hast zu einem ruhige» Alter, dann falls schön ivcrden. Daun steht dir die
Wahl frei, wo du deine Ruhejnhrc zubringen willst. Bei einem der Brüder? In
einer freundlichen Stube im Oberstock, mit dem Blick ins Grüne? Und so recht ini
Familicnschvß? Sie reihte Bild nu Bild, heiter spielend, wie ein Kind mit einer
Perlenschnur, und er besah die Bilder, und es wurde ihm warm dabei. Aber
dann sagte er- Nein, daS nicht. Ich passe nicht nnter die ander». Hier und da
ein paar Tage, ja. Aber dann muß ich wieder allein sein. Ich kann nicht dafür.
Ich bin doch anders als sie.

Da hatte sie schon ein Stübchen i» Bereitschaft, draußen vor der Stadt, dort,
Wo die letzten, einzelnen Häuser steh», am Fuße des steilen Anstiegs, der in Wald
und Heide führt. Das gibt ein Lebe», sagte sie. Wie ein Freiherr hast dus dann.
Nein, dann bist dn einer. Das möchtest d» wohl »och ni»c Weile sei»? Das
sollst du auch.

Er mußte el» paarmal schlanken. DaS stand alles so greifbar deutlich vor
ihm. Und da»» lachte er behaglich.

Also — immer voran. Das konnten ihm die Genosse» freilich nicht ansehen,
was für ein sei»er, behaglicher Rentner für die Zukunft in ihm steckte. Er trug
seine Kleider bis zur Unmöglichkeit aus. N»d die Stiefel, Flinte» a» Flinte». Was
tat das? Nur immer gespart. Das sollte ihm später alles hereinkommen. Später,
ja, da wollte er sich auch einmal die Kammer heize» lasse». Das tat er jetzt nicht.
Er schlenkerte mit den Armen, um warm z» werde», wen» ih» fror, und legte fich
Abends bald zu Bett.

Das war un» bisher alles schon glatt gegangen. Die Sparsumme wuchs a»,
es war eine wahre Freude. Er wußte kaum, daß er anfing, die Gedanken daran
mit sich herumzutragen, wo er ging und stand. Er war auch jetzt nicht mehr so
kräftig, es wollte nicht mehr so recht mit der Arbeit gehn. Er mußte wohl in
ein paar Jahren Feierabend machen. Da sann er, ob es nicht ein bißchen schneller
gehn könne mit dem Ansammeln. Um diese Zeit trug er etwas in den Wald hinein,
das dort nicht hingehörte, das nicht sonntäglich war und nicht frei. Wie konnte
er noch mehr sparen? Gab es nichts, womit er sich einen außergewöhnlichen Ver¬
dienst verschaffen konnte? Das bewegte seine Gedcnike», während rings um ihn die
Bäume rauschten, und die gelben Blätter niederfielen im spätherbstliche» Nordvst-
wi»d. Während ri»gs um ihn her die Natur verschwendete, da ja ein neuer
Frühling alles neu ausschmücken mußte, sann er, wie er ihr Pfennige abstehlen
to»»e, ihr, die ih» königlich empfangen hatte jahraus jahrein. Das war so: Der
Blumenmichel war jüngst gestorben, ein halb verwilderter Wcildmcnsch, der nur
aufgetaucht war, das Gesicht von einem großen Bart verdeckt, den riesigen Stroh¬
hut tief in den Kopf gezogen, wenn er an den Bahnhöfen der Residenz seine
Wnldstränße zum Verkauf angeboten hatte. Man hatte nur wenig von ihm ge¬
wußt; er war eine Sehenswürdigkeit gewesen, die man den ankommenden Fremden
gezeigt hatte. Aber Gottlob Maier hatte ihn verschiedentlich getroffen, im Dickicht,
auf den Waldwiesen oder am Rande der Sümpfe, wo irgend merkwürdige Blumen
aufzufinden waren. Das Sträußebinden, das hatte er von ihm gelernt. Vom
erste» Veilchen an, von den rötlichen Vuschanemviicn an, bis zum rot und braun
gefärbten Herbstlaub, bis zu den glänzenden Zweigen der Stechpalme mit den roten
Beeren; viles hatte sich, lieblich und anmutig, zum Strauße gefügt, was draußen
an grünen und farbigen Trieben erwuchs. Aber es war seitdem immer das Ge¬
schenk des Waldes an ein Kind des Hanfes gewesen, was er davon getragen hatte.
Er hatte es ja nicht nötig gehabt, Gewinn daraus zu ziehn, er hatte die duftigen
Gaben als ein Stück Sonntag mit in seinen Werktag hinein genommen. Das
wurde nun anders. Nun nahm er den Werktag mit in sein grünes, hcrbstbunt
ausgeschmücktes Sonntagshaus. Deu Werktag und den Erlverbsinn. Dus wurde
seine Schuld. Das trieb ihn aus dem Paradies, wo er bisher jeden siebenten Tag
gelebt hatte.


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[0764] Der fromme Maler genug hast zu einem ruhige» Alter, dann falls schön ivcrden. Daun steht dir die Wahl frei, wo du deine Ruhejnhrc zubringen willst. Bei einem der Brüder? In einer freundlichen Stube im Oberstock, mit dem Blick ins Grüne? Und so recht ini Familicnschvß? Sie reihte Bild nu Bild, heiter spielend, wie ein Kind mit einer Perlenschnur, und er besah die Bilder, und es wurde ihm warm dabei. Aber dann sagte er- Nein, daS nicht. Ich passe nicht nnter die ander». Hier und da ein paar Tage, ja. Aber dann muß ich wieder allein sein. Ich kann nicht dafür. Ich bin doch anders als sie. Da hatte sie schon ein Stübchen i» Bereitschaft, draußen vor der Stadt, dort, Wo die letzten, einzelnen Häuser steh», am Fuße des steilen Anstiegs, der in Wald und Heide führt. Das gibt ein Lebe», sagte sie. Wie ein Freiherr hast dus dann. Nein, dann bist dn einer. Das möchtest d» wohl »och ni»c Weile sei»? Das sollst du auch. Er mußte el» paarmal schlanken. DaS stand alles so greifbar deutlich vor ihm. Und da»» lachte er behaglich. Also — immer voran. Das konnten ihm die Genosse» freilich nicht ansehen, was für ein sei»er, behaglicher Rentner für die Zukunft in ihm steckte. Er trug seine Kleider bis zur Unmöglichkeit aus. N»d die Stiefel, Flinte» a» Flinte». Was tat das? Nur immer gespart. Das sollte ihm später alles hereinkommen. Später, ja, da wollte er sich auch einmal die Kammer heize» lasse». Das tat er jetzt nicht. Er schlenkerte mit den Armen, um warm z» werde», wen» ih» fror, und legte fich Abends bald zu Bett. Das war un» bisher alles schon glatt gegangen. Die Sparsumme wuchs a», es war eine wahre Freude. Er wußte kaum, daß er anfing, die Gedanken daran mit sich herumzutragen, wo er ging und stand. Er war auch jetzt nicht mehr so kräftig, es wollte nicht mehr so recht mit der Arbeit gehn. Er mußte wohl in ein paar Jahren Feierabend machen. Da sann er, ob es nicht ein bißchen schneller gehn könne mit dem Ansammeln. Um diese Zeit trug er etwas in den Wald hinein, das dort nicht hingehörte, das nicht sonntäglich war und nicht frei. Wie konnte er noch mehr sparen? Gab es nichts, womit er sich einen außergewöhnlichen Ver¬ dienst verschaffen konnte? Das bewegte seine Gedcnike», während rings um ihn die Bäume rauschten, und die gelben Blätter niederfielen im spätherbstliche» Nordvst- wi»d. Während ri»gs um ihn her die Natur verschwendete, da ja ein neuer Frühling alles neu ausschmücken mußte, sann er, wie er ihr Pfennige abstehlen to»»e, ihr, die ih» königlich empfangen hatte jahraus jahrein. Das war so: Der Blumenmichel war jüngst gestorben, ein halb verwilderter Wcildmcnsch, der nur aufgetaucht war, das Gesicht von einem großen Bart verdeckt, den riesigen Stroh¬ hut tief in den Kopf gezogen, wenn er an den Bahnhöfen der Residenz seine Wnldstränße zum Verkauf angeboten hatte. Man hatte nur wenig von ihm ge¬ wußt; er war eine Sehenswürdigkeit gewesen, die man den ankommenden Fremden gezeigt hatte. Aber Gottlob Maier hatte ihn verschiedentlich getroffen, im Dickicht, auf den Waldwiesen oder am Rande der Sümpfe, wo irgend merkwürdige Blumen aufzufinden waren. Das Sträußebinden, das hatte er von ihm gelernt. Vom erste» Veilchen an, von den rötlichen Vuschanemviicn an, bis zum rot und braun gefärbten Herbstlaub, bis zu den glänzenden Zweigen der Stechpalme mit den roten Beeren; viles hatte sich, lieblich und anmutig, zum Strauße gefügt, was draußen an grünen und farbigen Trieben erwuchs. Aber es war seitdem immer das Ge¬ schenk des Waldes an ein Kind des Hanfes gewesen, was er davon getragen hatte. Er hatte es ja nicht nötig gehabt, Gewinn daraus zu ziehn, er hatte die duftigen Gaben als ein Stück Sonntag mit in seinen Werktag hinein genommen. Das wurde nun anders. Nun nahm er den Werktag mit in sein grünes, hcrbstbunt ausgeschmücktes Sonntagshaus. Deu Werktag und den Erlverbsinn. Dus wurde seine Schuld. Das trieb ihn aus dem Paradies, wo er bisher jeden siebenten Tag gelebt hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/764>, abgerufen am 23.07.2024.