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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Die Ausbildung der verwaltungsbeamten in Preußen

klären, er habe immer den stillen Wunsch gehabt, man möge der Verwaltung
ganz freie Wahl lassen unter den Juristen. Er würde, wenn es nach seinen
Wünschen ginge, jeden Verwaltungsbeamten die große juristische Prüfung
machen lassen und ihm dann freistellen, bei der Verwaltung einzutreten, aber
er würde erst probieren, ob sich der Beamte für die Verwaltung eigne. Die
Ausführung dieser Idee sei an dem Justizminister gescheitert.

Und der preußische Finanzminister, Freiherr von Rheinbaben, sagte am
30. April 1903 im Herrenhause: "Man kann meines Erachtens darüber, ob
es zweckmäßiger ist, das Schwergewicht auf die eine oder die andre Seite zu
legen, auf die juristische oder die administrative, durchaus zweifelhafter Ansicht
sein; ich habe selber dem Gedanken nachgehangen, die Verwaltungsbeamten alle
aus der Justiz hervorgehn zu lassen, sie bei der Verwaltung noch zwei Jahre
auf dem Gebiete der Staatswissenschaften ausbilden und ihre Kenntnisse dann
durch ein Kolloquium, oder wie man es nennen will, dokumentieren zu lassen.
Das wäre vielleicht das beste gewesen; dann hätte man eine geschlossene Aus¬
bildung bei der Justiz und auch eine wissenschaftliche Ausbildung auf staats¬
wissenschaftlichem Gebiete. Ich habe diesen Gedanken fallen lassen, weil diese
Regelung die ganze Ausbildungszeit verlängern und die Kosten für die Eltern
erhöhen würde, und weil sich große Schwierigkeiten ergeben würden, diejenigen
Assessoren, die ans der Justiz zunächst probeweise zur Verwaltung übernommen
worden sind, sich nicht gut einbürgern und die nötigen Kenntnisse auf dem
Gebiete der Staatswissenschaften sich nicht aneignen, mit einer I6?i3 votg. zur
Justiz zurückgehn zu lassen."

Damals wie jetzt ist also eine solche Regelung wesentlich an dem Wider¬
stande der Justizverwaltung gescheitert, denn die Verlängerung der Ausbildungs¬
zeit und die Erhöhung der Kosten würden doch nicht so bedeutend sein, daß
ihretwegen die Reform, wenn sie sonst als nützlich anerkannt wird, unterbleiben
müßte. Die Regierungsassessoren arbeiten jetzt zwei Jahre nach dem Examen
ohne Entschädigung, und zwar in der Regel bei einem Landratsamte. Wenn
die von der Justizverwaltung übernommnen Gerichtsassessoren gleich nach dem
Examen für ein oder anderthalb Jahre einem Landrat überwiesen werde"?
würden, so würden sie in dieser wichtigsten Instanz der preußischen Ver¬
waltungsorganisation im unmittelbaren Verkehr mit der Bevölkerung Gelegen¬
heit haben, praktische Erfahrung zu sammeln und zugleich theoretische Studien
zu machen. Auf der Grundlage einer abgeschlossenen Bildung und in dem
Bewußtsein, daß von der Bewährung in dieser Zeit die Übernahme in den
Verwaltungsdienst abhängt, würden sie von dieser Beschäftigung reichen Nutzen
haben, und die, die überhaupt Anlage für den Dienst der Verwaltung mit¬
bringen, würden voraussichtlich auch die Mängel überwinden, die ihnen etwa
von der formal-juristischen Ausbildung anhaften. Die Verwaltung aber würde
nicht nur den Vorteil haben, daß sie sich die für ihre Zwecke geeigneten Be¬
amten auswählen kann, sondern auch den, daß in ihr nur noch Beamte tütig
sind, die in der Lokalinstanz gearbeitet haben, während die Juristen in der
Verwaltung jetzt nnr den mehr bureaukratischen Dienst bei den Regierungen
kennen lernen.


Die Ausbildung der verwaltungsbeamten in Preußen

klären, er habe immer den stillen Wunsch gehabt, man möge der Verwaltung
ganz freie Wahl lassen unter den Juristen. Er würde, wenn es nach seinen
Wünschen ginge, jeden Verwaltungsbeamten die große juristische Prüfung
machen lassen und ihm dann freistellen, bei der Verwaltung einzutreten, aber
er würde erst probieren, ob sich der Beamte für die Verwaltung eigne. Die
Ausführung dieser Idee sei an dem Justizminister gescheitert.

Und der preußische Finanzminister, Freiherr von Rheinbaben, sagte am
30. April 1903 im Herrenhause: „Man kann meines Erachtens darüber, ob
es zweckmäßiger ist, das Schwergewicht auf die eine oder die andre Seite zu
legen, auf die juristische oder die administrative, durchaus zweifelhafter Ansicht
sein; ich habe selber dem Gedanken nachgehangen, die Verwaltungsbeamten alle
aus der Justiz hervorgehn zu lassen, sie bei der Verwaltung noch zwei Jahre
auf dem Gebiete der Staatswissenschaften ausbilden und ihre Kenntnisse dann
durch ein Kolloquium, oder wie man es nennen will, dokumentieren zu lassen.
Das wäre vielleicht das beste gewesen; dann hätte man eine geschlossene Aus¬
bildung bei der Justiz und auch eine wissenschaftliche Ausbildung auf staats¬
wissenschaftlichem Gebiete. Ich habe diesen Gedanken fallen lassen, weil diese
Regelung die ganze Ausbildungszeit verlängern und die Kosten für die Eltern
erhöhen würde, und weil sich große Schwierigkeiten ergeben würden, diejenigen
Assessoren, die ans der Justiz zunächst probeweise zur Verwaltung übernommen
worden sind, sich nicht gut einbürgern und die nötigen Kenntnisse auf dem
Gebiete der Staatswissenschaften sich nicht aneignen, mit einer I6?i3 votg. zur
Justiz zurückgehn zu lassen."

Damals wie jetzt ist also eine solche Regelung wesentlich an dem Wider¬
stande der Justizverwaltung gescheitert, denn die Verlängerung der Ausbildungs¬
zeit und die Erhöhung der Kosten würden doch nicht so bedeutend sein, daß
ihretwegen die Reform, wenn sie sonst als nützlich anerkannt wird, unterbleiben
müßte. Die Regierungsassessoren arbeiten jetzt zwei Jahre nach dem Examen
ohne Entschädigung, und zwar in der Regel bei einem Landratsamte. Wenn
die von der Justizverwaltung übernommnen Gerichtsassessoren gleich nach dem
Examen für ein oder anderthalb Jahre einem Landrat überwiesen werde»?
würden, so würden sie in dieser wichtigsten Instanz der preußischen Ver¬
waltungsorganisation im unmittelbaren Verkehr mit der Bevölkerung Gelegen¬
heit haben, praktische Erfahrung zu sammeln und zugleich theoretische Studien
zu machen. Auf der Grundlage einer abgeschlossenen Bildung und in dem
Bewußtsein, daß von der Bewährung in dieser Zeit die Übernahme in den
Verwaltungsdienst abhängt, würden sie von dieser Beschäftigung reichen Nutzen
haben, und die, die überhaupt Anlage für den Dienst der Verwaltung mit¬
bringen, würden voraussichtlich auch die Mängel überwinden, die ihnen etwa
von der formal-juristischen Ausbildung anhaften. Die Verwaltung aber würde
nicht nur den Vorteil haben, daß sie sich die für ihre Zwecke geeigneten Be¬
amten auswählen kann, sondern auch den, daß in ihr nur noch Beamte tütig
sind, die in der Lokalinstanz gearbeitet haben, während die Juristen in der
Verwaltung jetzt nnr den mehr bureaukratischen Dienst bei den Regierungen
kennen lernen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/682>, abgerufen am 23.07.2024.