Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.Vie Ausbildung der verwaltungsbecunten in Preußen sie stellt, nicht mehr genügen zu können. Aber nicht nur in der Verwaltungs¬ "Genau erwogen ist es auch nicht bloß die Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Ob der künftige Verwaltungsbeamte in neun oder gar in sechs Monaten Wenn sich aber diese von Professor Löning ausgesprochene Befürchtung Vie Ausbildung der verwaltungsbecunten in Preußen sie stellt, nicht mehr genügen zu können. Aber nicht nur in der Verwaltungs¬ „Genau erwogen ist es auch nicht bloß die Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Ob der künftige Verwaltungsbeamte in neun oder gar in sechs Monaten Wenn sich aber diese von Professor Löning ausgesprochene Befürchtung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0619" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295838"/> <fw type="header" place="top"> Vie Ausbildung der verwaltungsbecunten in Preußen</fw><lb/> <p xml:id="ID_3134" prev="#ID_3133"> sie stellt, nicht mehr genügen zu können. Aber nicht nur in der Verwaltungs¬<lb/> gerichtsbarkeit, nicht nur auf den von dem Abgeordneten Schmitz genannten<lb/> Gebieten, sondern auf allen Gebieten des öffentlichen Rechts bedarf der Ver-<lb/> waltungsbeamte juristischer Kenntnisse. Man denke nur an die Beaufsichtigung<lb/> der Kommunalverwaltung und der Polizei, an das besonders im Osten der<lb/> Monarchie so schwierige Schulrecht, an die Steuerveranlagung. Freiherr Karl<lb/> von Lemayer hat in seinem dem Verein für Sozialpolitik erstatteten Referate<lb/> über die Ausbildung zum höhern Verwaltungsdienst in Österreich in. a. O.<lb/> S. 40) dieser Auffassung in so ausgezeichneter Weise Ausdruck gegeben, daß es<lb/> erlaubt sei, seine Worte hier wiederzugeben:</p><lb/> <p xml:id="ID_3135"> „Genau erwogen ist es auch nicht bloß die Verwaltungsgerichtsbarkeit, um<lb/> die es sich hierbei handelt. Diese erscheint doch nur als ein einzelner Aus¬<lb/> druck, als besondre Emanation einer Wandlung unsrer ganzen Stnatsauffassuug,<lb/> vermöge deren in der politischen Aktion das Moment der Legalität immer ge¬<lb/> wichtiger hervortritt. In unserm heutigen Staatsideale, dein Rechtsstaats, dein<lb/> Verfassungsstaat erscheint das ganze System der Staatsgewalten als ein ge¬<lb/> setzlich geordnetes, die staatliche Funktion dnrch ein ineinandergreifendes Gefttge<lb/> von rechtlichen Normen und Formen bestimmt, das Verhältnis des Einzelnen<lb/> zur Gesamtheit nach Art eines Rechtsverhältnisse gestaltet. Alle formellen<lb/> Momente der administrativen Tätigkeit: Zuständigkeit, Verfahren, Exekution usw.<lb/> haben dadurch nicht allein in dem eigentlichen Bezirke der Verwaltungsrecht-<lb/> sprechnng, sondern für die ganze öffentliche Wirksamkeit eine früher ungeahnte<lb/> Bedeutung erlangt: der im öffentlichen Auftrage Handelnde muß an jeder<lb/> Stelle ssiner Tätigkeit vor allem der vollständigen Legalität seines Vorgehns<lb/> versichert sein."</p><lb/> <p xml:id="ID_3136"> Ob der künftige Verwaltungsbeamte in neun oder gar in sechs Monaten<lb/> beim Amtsgerichte so viel lernen würde, daß er diesen Ansprüchen genügt, kann<lb/> doch wohl zweifelhaft sein. Es könnte die Gefahr eintreten, daß Professor<lb/> Löning Recht behält, der im Herrenhause sagte: „Er wird zwar etwas lernen,<lb/> zum Beispiel die äußern Formen, aber in den Kern der Jurisprudenz ^ in die<lb/> juristische Behandlung der schwierigen Verhältnisse des Lebens wird er un¬<lb/> möglich eindringen können. So wird er nach Ablauf der vier Jahre, ohne<lb/> das wichtigste gelernt zu haben, ohne gelernt zu haben, wissenschaftlich zu<lb/> arbeiten, zum Assessorexamen gelangen."</p><lb/> <p xml:id="ID_3137" next="#ID_3138"> Wenn sich aber diese von Professor Löning ausgesprochene Befürchtung<lb/> verwirklichen sollte, so würde die Folge nicht nur die sein, daß der Dienst<lb/> Schaden leidet, und daß die alten Klagen über die ungenügende Ausbildung der<lb/> Verwaltungsbeamten in verstärktem Maße ertönen, sondern es würde mit<lb/> Sicherheit auch die weitere Folge eintreten, daß diese Beamten in die zweite<lb/> Reihe zurücktreten müssen, daß die Juristen in der Verwaltung ihnen vorge¬<lb/> zogen werden. Man kann, wie ich glaube, schon jetzt beobachten, daß im Ver¬<lb/> waltungsdienst aller Instanzen die Beamten bevorzugt werden, die administrativ<lb/> und juristisch zugleich geschult sind, und die Neigung, Juristen vorzuziehn, die<lb/> im Verwaltungsdienste Gelegenheit gehabt haben, sich auch auf administrativen<lb/> Gebiet auszubilden und zu bewähren, würde in demselben Maße wachsen, wie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0619]
Vie Ausbildung der verwaltungsbecunten in Preußen
sie stellt, nicht mehr genügen zu können. Aber nicht nur in der Verwaltungs¬
gerichtsbarkeit, nicht nur auf den von dem Abgeordneten Schmitz genannten
Gebieten, sondern auf allen Gebieten des öffentlichen Rechts bedarf der Ver-
waltungsbeamte juristischer Kenntnisse. Man denke nur an die Beaufsichtigung
der Kommunalverwaltung und der Polizei, an das besonders im Osten der
Monarchie so schwierige Schulrecht, an die Steuerveranlagung. Freiherr Karl
von Lemayer hat in seinem dem Verein für Sozialpolitik erstatteten Referate
über die Ausbildung zum höhern Verwaltungsdienst in Österreich in. a. O.
S. 40) dieser Auffassung in so ausgezeichneter Weise Ausdruck gegeben, daß es
erlaubt sei, seine Worte hier wiederzugeben:
„Genau erwogen ist es auch nicht bloß die Verwaltungsgerichtsbarkeit, um
die es sich hierbei handelt. Diese erscheint doch nur als ein einzelner Aus¬
druck, als besondre Emanation einer Wandlung unsrer ganzen Stnatsauffassuug,
vermöge deren in der politischen Aktion das Moment der Legalität immer ge¬
wichtiger hervortritt. In unserm heutigen Staatsideale, dein Rechtsstaats, dein
Verfassungsstaat erscheint das ganze System der Staatsgewalten als ein ge¬
setzlich geordnetes, die staatliche Funktion dnrch ein ineinandergreifendes Gefttge
von rechtlichen Normen und Formen bestimmt, das Verhältnis des Einzelnen
zur Gesamtheit nach Art eines Rechtsverhältnisse gestaltet. Alle formellen
Momente der administrativen Tätigkeit: Zuständigkeit, Verfahren, Exekution usw.
haben dadurch nicht allein in dem eigentlichen Bezirke der Verwaltungsrecht-
sprechnng, sondern für die ganze öffentliche Wirksamkeit eine früher ungeahnte
Bedeutung erlangt: der im öffentlichen Auftrage Handelnde muß an jeder
Stelle ssiner Tätigkeit vor allem der vollständigen Legalität seines Vorgehns
versichert sein."
Ob der künftige Verwaltungsbeamte in neun oder gar in sechs Monaten
beim Amtsgerichte so viel lernen würde, daß er diesen Ansprüchen genügt, kann
doch wohl zweifelhaft sein. Es könnte die Gefahr eintreten, daß Professor
Löning Recht behält, der im Herrenhause sagte: „Er wird zwar etwas lernen,
zum Beispiel die äußern Formen, aber in den Kern der Jurisprudenz ^ in die
juristische Behandlung der schwierigen Verhältnisse des Lebens wird er un¬
möglich eindringen können. So wird er nach Ablauf der vier Jahre, ohne
das wichtigste gelernt zu haben, ohne gelernt zu haben, wissenschaftlich zu
arbeiten, zum Assessorexamen gelangen."
Wenn sich aber diese von Professor Löning ausgesprochene Befürchtung
verwirklichen sollte, so würde die Folge nicht nur die sein, daß der Dienst
Schaden leidet, und daß die alten Klagen über die ungenügende Ausbildung der
Verwaltungsbeamten in verstärktem Maße ertönen, sondern es würde mit
Sicherheit auch die weitere Folge eintreten, daß diese Beamten in die zweite
Reihe zurücktreten müssen, daß die Juristen in der Verwaltung ihnen vorge¬
zogen werden. Man kann, wie ich glaube, schon jetzt beobachten, daß im Ver¬
waltungsdienst aller Instanzen die Beamten bevorzugt werden, die administrativ
und juristisch zugleich geschult sind, und die Neigung, Juristen vorzuziehn, die
im Verwaltungsdienste Gelegenheit gehabt haben, sich auch auf administrativen
Gebiet auszubilden und zu bewähren, würde in demselben Maße wachsen, wie
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