Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.Werden die öozialdemokraten marschieren? kennt manche Beispiele dieser Art. Wie sieht es aber im Sozialdemokraten Jeder redlich denkende Deutsche wird den Krieg 1870/71 als eine große Damals redete Liebknecht auch von der "Kaiserposse," die man gleich nach Werden die öozialdemokraten marschieren? kennt manche Beispiele dieser Art. Wie sieht es aber im Sozialdemokraten Jeder redlich denkende Deutsche wird den Krieg 1870/71 als eine große Damals redete Liebknecht auch von der „Kaiserposse," die man gleich nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0372" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295591"/> <fw type="header" place="top"> Werden die öozialdemokraten marschieren?</fw><lb/> <p xml:id="ID_1813" prev="#ID_1812"> kennt manche Beispiele dieser Art. Wie sieht es aber im Sozialdemokraten<lb/> mit dem Patriotismus oder — um ein deutsches Wort zu gebrauchen — mit<lb/> der Vaterlandsliebe aus? Mit der Vaterlandsliebe, die auch ihrerseits dazu bei¬<lb/> trägt, den Menschen im Kriege opferwillig zu machen? Die Vaterlandsliebe<lb/> der Sozialdemokraten laßt sich an zweierlei abmessen: an ihrem Verhalten in<lb/> nationalen Fragen dem Auslande, insbesondre Frankreich, gegenüber und an<lb/> ihren: internationalen Charakter. Die sozialdemokratischen Blätter enthalten über<lb/> diese Punkte beweisende Stellen die Hülle und Fülle; hier sei nur eine be¬<lb/> scheidne, aber zur Gewinnung eines Urteils hinlängliche Auslese beigebracht.<lb/> Zunächst über unpatriotisches Gebaren der Sozialdemokratie.</p><lb/> <p xml:id="ID_1814"> Jeder redlich denkende Deutsche wird den Krieg 1870/71 als eine große<lb/> nationale Tat ansehen und sich deshalb mit besonders weihevoller Stimmung<lb/> im Herzen an die Gedenktage dieses Krieges erinnern. Der Sozialdemokratie<lb/> sind Erinnerungsfeiern wegen des Krieges, namentlich aber die — leider recht<lb/> kläglich gewordne — Sedanfeier ein Dorn im Auge. „Se. sedem" sagen<lb/> die Genossen spöttisch und begleiten die Veranstaltung der großen Mehrzahl<lb/> ihrer Mitbürger (wo ist da die Achtung vor dem Mehrheitsprinzip?) mit hä¬<lb/> mischen und häßlichen Worten. Von liesse teutorme, von „Mordspatriotismus,"<lb/> „brudermörderischem Krieg" und „Massenmord" reden sie. Und 1870, als das<lb/> deutsche Volk mit allen Fibern seines Herzens den nationalen Krieg ankämpfte,<lb/> da machten sich Bebel und Liebknecht „parlamentarischen Landesverrats" schuldig,<lb/> indem sie die Mittel für die Fortführung des Krieges verweigerten. Am 26. No¬<lb/> vember 1870 sagte Liebknecht im Parlament, die sozialdemokratische Partei habe<lb/> schon im Juli erklärt, daß sie den Krieg für einen dynastischen ansehe. Und<lb/> in dem an demselben Tage von den Sozialdemokraten eingebrachten Antrag auf<lb/> Ablehnung der Kriegsanleihe heißt es: „In Erwägung, daß der Krieg seit dem<lb/> 4. September nicht ein Verteidigungskrieg, sondern ein Eroberungskrieg ist. . ."<lb/> Welche groteske Geschichtsauffassung oder vielmehr — Geschichtsheuchelei, denn<lb/> die sozialdemokratischen Führer waren viel zu klug, als daß sie nicht das Schiefe<lb/> und Hohle ihrer Erklärung hätten einsehen sollen. Aber dieses Schiefe und Hohle<lb/> mußte mit dem Vrusttton der Überzeugung in die Welt posaunt werden, weil<lb/> es — aus taktischen Gründen — so in das vaterlandslose, verhetzende Pro¬<lb/> gramm der sozialdemokratischen Partei paßte!</p><lb/> <p xml:id="ID_1815"> Damals redete Liebknecht auch von der „Kaiserposse," die man gleich nach<lb/> Sedan wohl habe „anzetteln" können, und meinte voller Hohn, jetzt sei „dieser<lb/> Spaß" verdorben. Und das deutsche Volk stand nicht einmütig auf, um einen<lb/> solchen Lästerer aus seiner Mitte zu vertreiben? Nein, wir Deutschen sind eben<lb/> — um einmal ein frcmzmännisches Wort zu gebrauchen — bons ^arcens. Ihre<lb/> Strafe bekamen die sozialdemokratischen Führer 1870 aber doch. Der nicht an<lb/> übermüßigem Taktgefühl leidende französische Konsul Lefebvre in Wien sprach<lb/> damals den Herren brieflich „den Dank der französischen Republik für ihr edles<lb/> Auftreten" aus. Ein Lob aus dem Munde dieses Mannes, gegen dessen<lb/> Landsleute unsre Brüder und Söhne noch in Waffen standen: ich meine, einen<lb/> ärgern Schandpfahl gibt es für den rechtlich denkenden, vaterlandsliebenden<lb/> Deutschen nicht.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0372]
Werden die öozialdemokraten marschieren?
kennt manche Beispiele dieser Art. Wie sieht es aber im Sozialdemokraten
mit dem Patriotismus oder — um ein deutsches Wort zu gebrauchen — mit
der Vaterlandsliebe aus? Mit der Vaterlandsliebe, die auch ihrerseits dazu bei¬
trägt, den Menschen im Kriege opferwillig zu machen? Die Vaterlandsliebe
der Sozialdemokraten laßt sich an zweierlei abmessen: an ihrem Verhalten in
nationalen Fragen dem Auslande, insbesondre Frankreich, gegenüber und an
ihren: internationalen Charakter. Die sozialdemokratischen Blätter enthalten über
diese Punkte beweisende Stellen die Hülle und Fülle; hier sei nur eine be¬
scheidne, aber zur Gewinnung eines Urteils hinlängliche Auslese beigebracht.
Zunächst über unpatriotisches Gebaren der Sozialdemokratie.
Jeder redlich denkende Deutsche wird den Krieg 1870/71 als eine große
nationale Tat ansehen und sich deshalb mit besonders weihevoller Stimmung
im Herzen an die Gedenktage dieses Krieges erinnern. Der Sozialdemokratie
sind Erinnerungsfeiern wegen des Krieges, namentlich aber die — leider recht
kläglich gewordne — Sedanfeier ein Dorn im Auge. „Se. sedem" sagen
die Genossen spöttisch und begleiten die Veranstaltung der großen Mehrzahl
ihrer Mitbürger (wo ist da die Achtung vor dem Mehrheitsprinzip?) mit hä¬
mischen und häßlichen Worten. Von liesse teutorme, von „Mordspatriotismus,"
„brudermörderischem Krieg" und „Massenmord" reden sie. Und 1870, als das
deutsche Volk mit allen Fibern seines Herzens den nationalen Krieg ankämpfte,
da machten sich Bebel und Liebknecht „parlamentarischen Landesverrats" schuldig,
indem sie die Mittel für die Fortführung des Krieges verweigerten. Am 26. No¬
vember 1870 sagte Liebknecht im Parlament, die sozialdemokratische Partei habe
schon im Juli erklärt, daß sie den Krieg für einen dynastischen ansehe. Und
in dem an demselben Tage von den Sozialdemokraten eingebrachten Antrag auf
Ablehnung der Kriegsanleihe heißt es: „In Erwägung, daß der Krieg seit dem
4. September nicht ein Verteidigungskrieg, sondern ein Eroberungskrieg ist. . ."
Welche groteske Geschichtsauffassung oder vielmehr — Geschichtsheuchelei, denn
die sozialdemokratischen Führer waren viel zu klug, als daß sie nicht das Schiefe
und Hohle ihrer Erklärung hätten einsehen sollen. Aber dieses Schiefe und Hohle
mußte mit dem Vrusttton der Überzeugung in die Welt posaunt werden, weil
es — aus taktischen Gründen — so in das vaterlandslose, verhetzende Pro¬
gramm der sozialdemokratischen Partei paßte!
Damals redete Liebknecht auch von der „Kaiserposse," die man gleich nach
Sedan wohl habe „anzetteln" können, und meinte voller Hohn, jetzt sei „dieser
Spaß" verdorben. Und das deutsche Volk stand nicht einmütig auf, um einen
solchen Lästerer aus seiner Mitte zu vertreiben? Nein, wir Deutschen sind eben
— um einmal ein frcmzmännisches Wort zu gebrauchen — bons ^arcens. Ihre
Strafe bekamen die sozialdemokratischen Führer 1870 aber doch. Der nicht an
übermüßigem Taktgefühl leidende französische Konsul Lefebvre in Wien sprach
damals den Herren brieflich „den Dank der französischen Republik für ihr edles
Auftreten" aus. Ein Lob aus dem Munde dieses Mannes, gegen dessen
Landsleute unsre Brüder und Söhne noch in Waffen standen: ich meine, einen
ärgern Schandpfahl gibt es für den rechtlich denkenden, vaterlandsliebenden
Deutschen nicht.
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