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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Der Rechtsanwalt war jetzt immer und ewig auf Groß-Markby und legte
seine Besuche meist auf die Tage, wo seine Verwandten zu Bri-als eingeladen
waren. Er hielt abwehrend die Hand über die Tasse auf die Gefahr hin, von
der wohlmeinenden Dagny verbrüht zu werden.

Ach, nur ein ganz klein bißchen? Sie tat, als gelte es ihr Leben.
"

Wenn sich Elu über etwas entrüstete, so war es das "Wesen, das Dagny
und Bibbi, ja sogar die mystische und träumerische Olga aus diesem Robert Garde
machten. Was sie selbst anbelangte, so hatte sie ja ihr Urteil schon lange gefällt
und sich überdies mit dem Profil und dem Kinn, "das er nicht hatte," ausgesöhnt;
in ihren Briefen nach Hause nannte sie ihn begabt und "sympathisch"; daß er aber
in Wirklichkeit eine so starke Anziehungskraft auf die Frauen ausübte, das konnte
sie trotz aller Hochachtung vor ihm offen gestanden nicht begreifen.

Sie verhielt sich reserviert, sah weder ihn noch einen der andern Herren an,
sondern beschäftigte sich hilfreich, aufmerksam und liebenswürdig mit den Damen,
redete Tante Albertine zum Essen zu und bereitete Onkel Briants Tee. Sie konnte
schon großmütig sein, denn sie hatte ja immer ihren großen Trumpf in der Hinter¬
hand, nämlich die Musik. Sie wußte, daß sie, sobald sie sich ans Klavier setzte,
sofort den Hauptmann auf der einen und den Rechtsanwalt uns der andern Seite
hatte, das heißt den Hauptmann natürlich nur um der Musik selbst willen. So
eingebildet war sie selbstverständlich nicht, daß sie je etwas andres gedacht hätte!

Und ganz richtig, kaum war man -- an diesem Abend wie an allen andern
auch -- aus dem Eßzimmer in den Salon getreten, als auch sofort der Ruf
erklang!

Fräulein Berkel -- wäre es zu viel verlangt, wenn man nach dem menschen¬
freundlichen Tagewerk um etwas Grieg bäte? . . . Nur ein einziges Lied?

Und die gute Tante Ada unterstützte den Rechtsanwalt sogleich:

Liebe Elu, sei einmal recht lieb!

Ich singe ja immer gern, antwortete Elu in ihrer frischen natürlichen Weise,
während der Hauptmann schon eifrig in den Noten blätterte. Ich finde es nur
äußerst angenehm, daß alle so freundlich siud und mich hören wollen.

Sie ordnete ihr dunkelgraues Cheviotkleid, sodaß sie die Füße am Pedal frei
bekam, während der Rechtsanwalt die Klavierlampe näher rückte, sodaß das Licht
Heller ans ihr prächtiges Haar a I", heilige Cäcilia fiel, das, wie Erik einmal
neckend zu ihr gesagt hatte, "in ästhetischer Hinsicht des armen Tjös täglich
Brot sei."

Elu brachte es auch nicht übers Herz, ihm dies zu rauben, obgleich das Licht
ihr die Augen etwas blendete.

Den ganzen Abend hatte Julie kaum gewagt, den Kopf aufzurichten und den
andern in die Augen zu sehen. Nun aber -- bet den ersten Tönen, die Elu
sang -- setzte sie sich in den großen Lehnstuhl im Erker und gelobte sich hoch
und teuer, daß nichts ans der Welt sie dazu bringen solle, von hier wegzugehn.
Sie wollte nicht mit Erik sprechen nach all dem, was sie am Sonnabend im
Walde zu ihm gesagt hatte; sie wollte ihm nicht in die Augen sehen -- nicht um
alles in der Welt!

Sie dankte Gott, daß Arvid wie gewöhnlich von der Musik so hingenommen
zu sein schien, daß er fast garnicht auf sie acht gab! Aber jedenfalls war es eine
unaussprechliche Qunl, mit ihm und Erik in demselben Zimmer zu sein. Sie hatte
nicht gedacht, daß man sich so schuldbewußt fühlen und doch weiter leben könnte!
Als Erik sie beim Abendessen begrüßt hatte mit dem festen zärtlichen Händedruck,
der seine letzten Worte im Walde zu wiederholen schien, die Worte: Von jetzt an
sind wir ehrlich gegeneinander -- ach, da hätte sie in Tränen ausbrechen mögen!
Ehrlich -- wann war sie ehrlich? Eine elende Betrügerin war sie, treulos gegen
beide, treulos gegen sich selbst. So schlecht und verächtlich, daß keiner von beiden
sie auch nur mit einem Stecken anrühren würde, wenn sie wüßten, wie sie in


Der Rechtsanwalt war jetzt immer und ewig auf Groß-Markby und legte
seine Besuche meist auf die Tage, wo seine Verwandten zu Bri-als eingeladen
waren. Er hielt abwehrend die Hand über die Tasse auf die Gefahr hin, von
der wohlmeinenden Dagny verbrüht zu werden.

Ach, nur ein ganz klein bißchen? Sie tat, als gelte es ihr Leben.
"

Wenn sich Elu über etwas entrüstete, so war es das „Wesen, das Dagny
und Bibbi, ja sogar die mystische und träumerische Olga aus diesem Robert Garde
machten. Was sie selbst anbelangte, so hatte sie ja ihr Urteil schon lange gefällt
und sich überdies mit dem Profil und dem Kinn, „das er nicht hatte," ausgesöhnt;
in ihren Briefen nach Hause nannte sie ihn begabt und „sympathisch"; daß er aber
in Wirklichkeit eine so starke Anziehungskraft auf die Frauen ausübte, das konnte
sie trotz aller Hochachtung vor ihm offen gestanden nicht begreifen.

Sie verhielt sich reserviert, sah weder ihn noch einen der andern Herren an,
sondern beschäftigte sich hilfreich, aufmerksam und liebenswürdig mit den Damen,
redete Tante Albertine zum Essen zu und bereitete Onkel Briants Tee. Sie konnte
schon großmütig sein, denn sie hatte ja immer ihren großen Trumpf in der Hinter¬
hand, nämlich die Musik. Sie wußte, daß sie, sobald sie sich ans Klavier setzte,
sofort den Hauptmann auf der einen und den Rechtsanwalt uns der andern Seite
hatte, das heißt den Hauptmann natürlich nur um der Musik selbst willen. So
eingebildet war sie selbstverständlich nicht, daß sie je etwas andres gedacht hätte!

Und ganz richtig, kaum war man — an diesem Abend wie an allen andern
auch — aus dem Eßzimmer in den Salon getreten, als auch sofort der Ruf
erklang!

Fräulein Berkel — wäre es zu viel verlangt, wenn man nach dem menschen¬
freundlichen Tagewerk um etwas Grieg bäte? . . . Nur ein einziges Lied?

Und die gute Tante Ada unterstützte den Rechtsanwalt sogleich:

Liebe Elu, sei einmal recht lieb!

Ich singe ja immer gern, antwortete Elu in ihrer frischen natürlichen Weise,
während der Hauptmann schon eifrig in den Noten blätterte. Ich finde es nur
äußerst angenehm, daß alle so freundlich siud und mich hören wollen.

Sie ordnete ihr dunkelgraues Cheviotkleid, sodaß sie die Füße am Pedal frei
bekam, während der Rechtsanwalt die Klavierlampe näher rückte, sodaß das Licht
Heller ans ihr prächtiges Haar a I», heilige Cäcilia fiel, das, wie Erik einmal
neckend zu ihr gesagt hatte, „in ästhetischer Hinsicht des armen Tjös täglich
Brot sei."

Elu brachte es auch nicht übers Herz, ihm dies zu rauben, obgleich das Licht
ihr die Augen etwas blendete.

Den ganzen Abend hatte Julie kaum gewagt, den Kopf aufzurichten und den
andern in die Augen zu sehen. Nun aber — bet den ersten Tönen, die Elu
sang — setzte sie sich in den großen Lehnstuhl im Erker und gelobte sich hoch
und teuer, daß nichts ans der Welt sie dazu bringen solle, von hier wegzugehn.
Sie wollte nicht mit Erik sprechen nach all dem, was sie am Sonnabend im
Walde zu ihm gesagt hatte; sie wollte ihm nicht in die Augen sehen — nicht um
alles in der Welt!

Sie dankte Gott, daß Arvid wie gewöhnlich von der Musik so hingenommen
zu sein schien, daß er fast garnicht auf sie acht gab! Aber jedenfalls war es eine
unaussprechliche Qunl, mit ihm und Erik in demselben Zimmer zu sein. Sie hatte
nicht gedacht, daß man sich so schuldbewußt fühlen und doch weiter leben könnte!
Als Erik sie beim Abendessen begrüßt hatte mit dem festen zärtlichen Händedruck,
der seine letzten Worte im Walde zu wiederholen schien, die Worte: Von jetzt an
sind wir ehrlich gegeneinander — ach, da hätte sie in Tränen ausbrechen mögen!
Ehrlich — wann war sie ehrlich? Eine elende Betrügerin war sie, treulos gegen
beide, treulos gegen sich selbst. So schlecht und verächtlich, daß keiner von beiden
sie auch nur mit einem Stecken anrühren würde, wenn sie wüßten, wie sie in


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[0295] Der Rechtsanwalt war jetzt immer und ewig auf Groß-Markby und legte seine Besuche meist auf die Tage, wo seine Verwandten zu Bri-als eingeladen waren. Er hielt abwehrend die Hand über die Tasse auf die Gefahr hin, von der wohlmeinenden Dagny verbrüht zu werden. Ach, nur ein ganz klein bißchen? Sie tat, als gelte es ihr Leben. " Wenn sich Elu über etwas entrüstete, so war es das „Wesen, das Dagny und Bibbi, ja sogar die mystische und träumerische Olga aus diesem Robert Garde machten. Was sie selbst anbelangte, so hatte sie ja ihr Urteil schon lange gefällt und sich überdies mit dem Profil und dem Kinn, „das er nicht hatte," ausgesöhnt; in ihren Briefen nach Hause nannte sie ihn begabt und „sympathisch"; daß er aber in Wirklichkeit eine so starke Anziehungskraft auf die Frauen ausübte, das konnte sie trotz aller Hochachtung vor ihm offen gestanden nicht begreifen. Sie verhielt sich reserviert, sah weder ihn noch einen der andern Herren an, sondern beschäftigte sich hilfreich, aufmerksam und liebenswürdig mit den Damen, redete Tante Albertine zum Essen zu und bereitete Onkel Briants Tee. Sie konnte schon großmütig sein, denn sie hatte ja immer ihren großen Trumpf in der Hinter¬ hand, nämlich die Musik. Sie wußte, daß sie, sobald sie sich ans Klavier setzte, sofort den Hauptmann auf der einen und den Rechtsanwalt uns der andern Seite hatte, das heißt den Hauptmann natürlich nur um der Musik selbst willen. So eingebildet war sie selbstverständlich nicht, daß sie je etwas andres gedacht hätte! Und ganz richtig, kaum war man — an diesem Abend wie an allen andern auch — aus dem Eßzimmer in den Salon getreten, als auch sofort der Ruf erklang! Fräulein Berkel — wäre es zu viel verlangt, wenn man nach dem menschen¬ freundlichen Tagewerk um etwas Grieg bäte? . . . Nur ein einziges Lied? Und die gute Tante Ada unterstützte den Rechtsanwalt sogleich: Liebe Elu, sei einmal recht lieb! Ich singe ja immer gern, antwortete Elu in ihrer frischen natürlichen Weise, während der Hauptmann schon eifrig in den Noten blätterte. Ich finde es nur äußerst angenehm, daß alle so freundlich siud und mich hören wollen. Sie ordnete ihr dunkelgraues Cheviotkleid, sodaß sie die Füße am Pedal frei bekam, während der Rechtsanwalt die Klavierlampe näher rückte, sodaß das Licht Heller ans ihr prächtiges Haar a I», heilige Cäcilia fiel, das, wie Erik einmal neckend zu ihr gesagt hatte, „in ästhetischer Hinsicht des armen Tjös täglich Brot sei." Elu brachte es auch nicht übers Herz, ihm dies zu rauben, obgleich das Licht ihr die Augen etwas blendete. Den ganzen Abend hatte Julie kaum gewagt, den Kopf aufzurichten und den andern in die Augen zu sehen. Nun aber — bet den ersten Tönen, die Elu sang — setzte sie sich in den großen Lehnstuhl im Erker und gelobte sich hoch und teuer, daß nichts ans der Welt sie dazu bringen solle, von hier wegzugehn. Sie wollte nicht mit Erik sprechen nach all dem, was sie am Sonnabend im Walde zu ihm gesagt hatte; sie wollte ihm nicht in die Augen sehen — nicht um alles in der Welt! Sie dankte Gott, daß Arvid wie gewöhnlich von der Musik so hingenommen zu sein schien, daß er fast garnicht auf sie acht gab! Aber jedenfalls war es eine unaussprechliche Qunl, mit ihm und Erik in demselben Zimmer zu sein. Sie hatte nicht gedacht, daß man sich so schuldbewußt fühlen und doch weiter leben könnte! Als Erik sie beim Abendessen begrüßt hatte mit dem festen zärtlichen Händedruck, der seine letzten Worte im Walde zu wiederholen schien, die Worte: Von jetzt an sind wir ehrlich gegeneinander — ach, da hätte sie in Tränen ausbrechen mögen! Ehrlich — wann war sie ehrlich? Eine elende Betrügerin war sie, treulos gegen beide, treulos gegen sich selbst. So schlecht und verächtlich, daß keiner von beiden sie auch nur mit einem Stecken anrühren würde, wenn sie wüßten, wie sie in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/295>, abgerufen am 23.07.2024.