Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.Eindrücke bei der Ausbildung von Äegiernngsrefercndaren es später in seinem Berufe vor allein darauf ankommt, mit eignen Augen zu Auch das kann man dein jungen Beamten gar nicht eindringlich genug Ich weiß von einem Amtsvorsteher, der in einer eiligen Sache die ganze Eindrücke bei der Ausbildung von Äegiernngsrefercndaren es später in seinem Berufe vor allein darauf ankommt, mit eignen Augen zu Auch das kann man dein jungen Beamten gar nicht eindringlich genug Ich weiß von einem Amtsvorsteher, der in einer eiligen Sache die ganze <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295486"/> <fw type="header" place="top"> Eindrücke bei der Ausbildung von Äegiernngsrefercndaren</fw><lb/> <p xml:id="ID_1250" prev="#ID_1249"> es später in seinem Berufe vor allein darauf ankommt, mit eignen Augen zu<lb/> sehen, ans erster Quelle zu hören. Sich zuverlässige Nachrichten über Tat¬<lb/> sachen zu verschaffe,,, ist namentlich auf dem Platten Lande viel schwieriger, als<lb/> man wohl glaubt. Gewiß sind Neuigkeiten auf dem platten Lande ein sehr<lb/> begehrter Artikel, nächst dem gewöhnlich recht knappen baren Gelde vielleicht<lb/> der begehrteste. Aber es ist merkwürdig, wie sehr die Schen, für zudringlich<lb/> oder neugierig gehalten zu werden, den einzelnen im Fragen zurückhält, sodaß<lb/> man über Verhältnisse schon im Nachbardorfe ganz gewöhnlich nur wenig Kunde<lb/> erhält, sicher keine zuverlässige. Wer im Manöver öfter Patrouillen geritten<lb/> hat, weiß ein Lied davon zu singen. Sogar die Frage nach dem Wege findet<lb/> nicht immer eine Antwort, nicht immer die richtige wenigstens. Also selber<lb/> sehen! Daß das nachher im praktischen Dienste so enge Grenzen findet, braucht<lb/> man dem Referendar eigentlich noch gar nicht zu verraten. Auch für den Land¬<lb/> rat hat der Tag nur vierundzwanzig Stunden, und die weiten Entfernungen<lb/> der großen Kreise zwingen ihn oft, mit fremden Augen, mit denen seiner Gen¬<lb/> darmen oder Ortsvorsteher, zu sehen, auch dann, wenn es recht nötig wäre, sich<lb/> einmal selber zu überzeugen. Auch das ist einer der Umstände, die die leicht<lb/> vergessen, die über die Schablone, büreaukratische Erstarrung »ud ähnliches<lb/> klagen; andre Ursachen liegen mitunter in dem Bleigewicht häuslicher Verhält¬<lb/> nisse, die die Frische des Beamten für seinen Dienst erdrücken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1251"> Auch das kann man dein jungen Beamten gar nicht eindringlich genug<lb/> zum Bewußtsein bringen, wie schmerzlich die Regierten, die mit einem Anliegen<lb/> herangetreten sind, meist auf einen Bescheid warten, wie oft und bitter sie, vielfach<lb/> natürlich mit Unrecht, über die Langsamkeit der Behörden klagen. Gewiß läßt<lb/> es sich zum Beispiel bei Beschwerde,, nicht umgehn, zuerst die untere Behörde<lb/> mit ihrer Erklärung anzuhören und den Sachverhalt gründlich zu ermitteln, und<lb/> beides kostet Zeit. Dann aber soll anch durch den bloßen Geschäftsgang, durch<lb/> die Notwendigkeit der vielen Hände, der Arbeitsteilung im Betriebe der Behörde<lb/> möglichst wenig Zeit verloren gehn, und man muß sich daran gewöhnen, vier¬<lb/> undzwanzig Stunden Zeitersparnis anch dann für wertvoll zu erachten, wenn<lb/> die Sache keinen ausdrücklichen Eilvermerk trügt. Hier und da wird man auch<lb/> die kleinen Handgriffe der Verwaltungspraxis dem Referendar bei passender<lb/> Gelegenheit mitteilen können, wie es nützlich ist, bevor ich eine Arbeitsstätte<lb/> einer mir unbekannten Industrie besehe, den zugehörigen Artikel in einem guten<lb/> Konversationslexikon aufmerksam und gründlich durchzulesen; denn nachher im<lb/> Werke sieht man wohl vieles, aber der organische Zusammenhang, die Prinzipien<lb/> des Verfahrens treten selten sinnfällig vor Augen, und auch die beste Führung<lb/> versagt mitunter bei dem Geräusch des Betriebes. Fertigfabrikate sieht man<lb/> übersichtlich und reichhaltig ja nur auf Ausstellungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1252" next="#ID_1253"> Ich weiß von einem Amtsvorsteher, der in einer eiligen Sache die ganze<lb/> Arbeiterschaft eines großen Gutes protokollarisch zu vernehmen hatte. Es waren<lb/> die Tage des Nübsendreschens. Jede Stunde war kostbar. Einen halben Tag<lb/> die ganze Arbeiterschaft vermissen und sie nach dem entlegnen Sitze des Amtes<lb/> schicken, ganz unmöglich! Aber der Amtsvorsteher war wirklich ein praktischer<lb/> Verwaltnngsbeamter. Er packte sein Schreibzeug zusammen, setzte sich ans den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0267]
Eindrücke bei der Ausbildung von Äegiernngsrefercndaren
es später in seinem Berufe vor allein darauf ankommt, mit eignen Augen zu
sehen, ans erster Quelle zu hören. Sich zuverlässige Nachrichten über Tat¬
sachen zu verschaffe,,, ist namentlich auf dem Platten Lande viel schwieriger, als
man wohl glaubt. Gewiß sind Neuigkeiten auf dem platten Lande ein sehr
begehrter Artikel, nächst dem gewöhnlich recht knappen baren Gelde vielleicht
der begehrteste. Aber es ist merkwürdig, wie sehr die Schen, für zudringlich
oder neugierig gehalten zu werden, den einzelnen im Fragen zurückhält, sodaß
man über Verhältnisse schon im Nachbardorfe ganz gewöhnlich nur wenig Kunde
erhält, sicher keine zuverlässige. Wer im Manöver öfter Patrouillen geritten
hat, weiß ein Lied davon zu singen. Sogar die Frage nach dem Wege findet
nicht immer eine Antwort, nicht immer die richtige wenigstens. Also selber
sehen! Daß das nachher im praktischen Dienste so enge Grenzen findet, braucht
man dem Referendar eigentlich noch gar nicht zu verraten. Auch für den Land¬
rat hat der Tag nur vierundzwanzig Stunden, und die weiten Entfernungen
der großen Kreise zwingen ihn oft, mit fremden Augen, mit denen seiner Gen¬
darmen oder Ortsvorsteher, zu sehen, auch dann, wenn es recht nötig wäre, sich
einmal selber zu überzeugen. Auch das ist einer der Umstände, die die leicht
vergessen, die über die Schablone, büreaukratische Erstarrung »ud ähnliches
klagen; andre Ursachen liegen mitunter in dem Bleigewicht häuslicher Verhält¬
nisse, die die Frische des Beamten für seinen Dienst erdrücken.
Auch das kann man dein jungen Beamten gar nicht eindringlich genug
zum Bewußtsein bringen, wie schmerzlich die Regierten, die mit einem Anliegen
herangetreten sind, meist auf einen Bescheid warten, wie oft und bitter sie, vielfach
natürlich mit Unrecht, über die Langsamkeit der Behörden klagen. Gewiß läßt
es sich zum Beispiel bei Beschwerde,, nicht umgehn, zuerst die untere Behörde
mit ihrer Erklärung anzuhören und den Sachverhalt gründlich zu ermitteln, und
beides kostet Zeit. Dann aber soll anch durch den bloßen Geschäftsgang, durch
die Notwendigkeit der vielen Hände, der Arbeitsteilung im Betriebe der Behörde
möglichst wenig Zeit verloren gehn, und man muß sich daran gewöhnen, vier¬
undzwanzig Stunden Zeitersparnis anch dann für wertvoll zu erachten, wenn
die Sache keinen ausdrücklichen Eilvermerk trügt. Hier und da wird man auch
die kleinen Handgriffe der Verwaltungspraxis dem Referendar bei passender
Gelegenheit mitteilen können, wie es nützlich ist, bevor ich eine Arbeitsstätte
einer mir unbekannten Industrie besehe, den zugehörigen Artikel in einem guten
Konversationslexikon aufmerksam und gründlich durchzulesen; denn nachher im
Werke sieht man wohl vieles, aber der organische Zusammenhang, die Prinzipien
des Verfahrens treten selten sinnfällig vor Augen, und auch die beste Führung
versagt mitunter bei dem Geräusch des Betriebes. Fertigfabrikate sieht man
übersichtlich und reichhaltig ja nur auf Ausstellungen.
Ich weiß von einem Amtsvorsteher, der in einer eiligen Sache die ganze
Arbeiterschaft eines großen Gutes protokollarisch zu vernehmen hatte. Es waren
die Tage des Nübsendreschens. Jede Stunde war kostbar. Einen halben Tag
die ganze Arbeiterschaft vermissen und sie nach dem entlegnen Sitze des Amtes
schicken, ganz unmöglich! Aber der Amtsvorsteher war wirklich ein praktischer
Verwaltnngsbeamter. Er packte sein Schreibzeug zusammen, setzte sich ans den
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