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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Ödland und Landeskultur im Herzogtum Oldenburg

solche völlige Zerstörung des alten Gemeinbesitzes und seine reinliche Auflösung
in nacktes Jndividualeigentum je Bedenken gemacht hätte. Von Bestrebungen
sozialen Charakters, etwa so wie in Belgien, wo die Besitzer von Ödländereien
gesetzlich gezwungen werden können, diese entweder zu kultivieren oder aber sie
an den Staat oder an andre, denen die Urbarmachung zur Bedingung gemacht
wird, abzutreten -- oder gar von Ideen der Art, wie sie die modernen Boden¬
reformer vertreten, hat man hierzulande nie etwas gehört. Doch scheinen sich
in neuster Zeit die Nationalsozialen auch dieses Themas bemächtigen zu wollen.

Von den 173 Gemeinheiten der oldenburgischen Geest und von den
247 Marken des Münsterlandes. die es noch 1805 gab, ist schon seit lange
keine mehr, und es sind nur noch zwei Moor- und elf Heidemarken, im ganzen
also dreizehn ungeteilt, und auch deren Tage sind gezählt. Es handelt sich
dabei im ganzen um reichlich 207 000 Hektar mit einem geschützten Wert von
rund 18000000 Mark.

Der geschilderte geschichtliche Ursprung der Marken und Gemeinheiten, viel¬
mehr der gemeinen Marken, macht es begreiflich, daß sie noch heutzutage vor¬
zugsweise das Land von geringerm Wert umfassen, die Moore und die Heiden.

Die für beide typische Pflanze, die auf beiden wild und ohne Kultur wächst
und gedeiht, ist bekanntlich unser von dem Naturfreund und dem Bienenzüchter
hinlänglich gewürdigtes und geliebtes Heidekraut, die Erika, die freilich nach der
Lehre der neuern Botanik (vgl. Buchenau, Flora der nordwestdentschen Tiefebene,
S. 387) nicht nur kein Kraut, vielmehr ein Strauch, sondern auch gar keine
Erika, vielmehr eine ^g-lluiig,, und nicht eine Schwester, sondern nur eine Cousine
der andern Erika, der sogenannten Dopp- oder Glockenheide, Lrion. tstrslix, ist.
Diese bevorzugt die feuchtern Gründe und zeigt, wie der Sachverständige weiß,
im allgemeinen an, daß sich der Boden, wo sie wächst, zu Grünlandknlturen
eignet.

Lalwirg, dient -- abgesehen von dem spärlichen Futter, das sie der ge¬
nügsamen Heidschnucke bietet, die etwa im sechzehnten oder im siebzehnten Jahr¬
hundert aus dem Lüneburgischen bei uns eingeführt sein soll und jetzt zum
Bedauern des Feinschmeckers auf den Aussterbeetat gesetzt ist, und abgesehen von
den Besenreiscm, die sie unsern Hausfrauen liefert, und von ihrer Verwendung
zur Deckung der Firste der Strohdächer und der früher üblichen malerischen
alten Hofumzäunungen -- bekanntlich nur als Honig produzierende Nahrungs¬
pflanze der Bienen.

Außer Osllrmg, und Lrieg. sind nur noch die wohlschmeckende Heidelbeere
(VavviiMin) und der gelb blühende Ginster (Mvx), für gewisse Gegenden auch
noch die deutsche Cypresse, der Wacholder ^uniperus ooininnnis) mit seinen
charakteristisch unterschiednem männlichen und weiblichen Pflanzen als Heide¬
gewächse bemerkenswert. Seltner sind der deutsche blaue Enzian ("sull-in-i)
und der kolbenförmige Bärlapp (I^ooxoäiuin) und die hübschen Sonnentau¬

arten (vrossrg.).

(Fortsetzung folgt)




Grenzboten III 130411
Ödland und Landeskultur im Herzogtum Oldenburg

solche völlige Zerstörung des alten Gemeinbesitzes und seine reinliche Auflösung
in nacktes Jndividualeigentum je Bedenken gemacht hätte. Von Bestrebungen
sozialen Charakters, etwa so wie in Belgien, wo die Besitzer von Ödländereien
gesetzlich gezwungen werden können, diese entweder zu kultivieren oder aber sie
an den Staat oder an andre, denen die Urbarmachung zur Bedingung gemacht
wird, abzutreten — oder gar von Ideen der Art, wie sie die modernen Boden¬
reformer vertreten, hat man hierzulande nie etwas gehört. Doch scheinen sich
in neuster Zeit die Nationalsozialen auch dieses Themas bemächtigen zu wollen.

Von den 173 Gemeinheiten der oldenburgischen Geest und von den
247 Marken des Münsterlandes. die es noch 1805 gab, ist schon seit lange
keine mehr, und es sind nur noch zwei Moor- und elf Heidemarken, im ganzen
also dreizehn ungeteilt, und auch deren Tage sind gezählt. Es handelt sich
dabei im ganzen um reichlich 207 000 Hektar mit einem geschützten Wert von
rund 18000000 Mark.

Der geschilderte geschichtliche Ursprung der Marken und Gemeinheiten, viel¬
mehr der gemeinen Marken, macht es begreiflich, daß sie noch heutzutage vor¬
zugsweise das Land von geringerm Wert umfassen, die Moore und die Heiden.

Die für beide typische Pflanze, die auf beiden wild und ohne Kultur wächst
und gedeiht, ist bekanntlich unser von dem Naturfreund und dem Bienenzüchter
hinlänglich gewürdigtes und geliebtes Heidekraut, die Erika, die freilich nach der
Lehre der neuern Botanik (vgl. Buchenau, Flora der nordwestdentschen Tiefebene,
S. 387) nicht nur kein Kraut, vielmehr ein Strauch, sondern auch gar keine
Erika, vielmehr eine ^g-lluiig,, und nicht eine Schwester, sondern nur eine Cousine
der andern Erika, der sogenannten Dopp- oder Glockenheide, Lrion. tstrslix, ist.
Diese bevorzugt die feuchtern Gründe und zeigt, wie der Sachverständige weiß,
im allgemeinen an, daß sich der Boden, wo sie wächst, zu Grünlandknlturen
eignet.

Lalwirg, dient — abgesehen von dem spärlichen Futter, das sie der ge¬
nügsamen Heidschnucke bietet, die etwa im sechzehnten oder im siebzehnten Jahr¬
hundert aus dem Lüneburgischen bei uns eingeführt sein soll und jetzt zum
Bedauern des Feinschmeckers auf den Aussterbeetat gesetzt ist, und abgesehen von
den Besenreiscm, die sie unsern Hausfrauen liefert, und von ihrer Verwendung
zur Deckung der Firste der Strohdächer und der früher üblichen malerischen
alten Hofumzäunungen — bekanntlich nur als Honig produzierende Nahrungs¬
pflanze der Bienen.

Außer Osllrmg, und Lrieg. sind nur noch die wohlschmeckende Heidelbeere
(VavviiMin) und der gelb blühende Ginster (Mvx), für gewisse Gegenden auch
noch die deutsche Cypresse, der Wacholder ^uniperus ooininnnis) mit seinen
charakteristisch unterschiednem männlichen und weiblichen Pflanzen als Heide¬
gewächse bemerkenswert. Seltner sind der deutsche blaue Enzian («sull-in-i)
und der kolbenförmige Bärlapp (I^ooxoäiuin) und die hübschen Sonnentau¬

arten (vrossrg.).

(Fortsetzung folgt)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/85>, abgerufen am 23.07.2024.