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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Uumaßgel'liebes

nominell, und wenn es nach seinen Reden ginge, wäre von dem ganzen staatlichen
Aufbau heute kein Stein mehr auf dem andern. Aber er selbst wäre Wohl der
letzte, der mit der Rolle des komischen Alten vorlieb nähme. Er glaubt an sich
und an seine Sache mit der ganzen Glaubenskrast des Fanatismus, dessen Aus¬
wüchse ruhig hinzunehmen wohl kaum im Staatsinteresse liegt. Wir wollen die
Theorie, daß Bebel sich durch Lächerlichkeit selbst umbringt, nicht von der Hand
weisen, aber wenn man ihn durch "Niedrigerhängen" bekämpfen will, muß das in
deutlich erkennbarer Weise und mit der vollen Wucht der Staatsautorität geschehe".
Die Widerlegung stillschweigend einigen gutwilligen Blättern zu überlassen, erscheint
gegenüber dem Schaden, den er durch seinen Einfluß bei den Massen anrichtet,
nicht ausreichend.

Ernster freilich als seine Rede ist wohl jedenfalls der Beschluß des Amster¬
damer Kongresses, deu nächsten sozialdemokratischen Kongreß ans deutschem Boden,
und zwar in Stuttgart abzuhalten. Die Sozialdemokratie Will mit dieser Heraus¬
forderung der Staatsordnung in Deutschland an den Puls fühlen und feststellen,
wie weit die Partei in Deutschland allenfalls gehn, was sie der Autorität des
Staates bieten darf. Bebel hat einem besorgten englischen Frager versichert, ja er
hat "die Bürgschaft" übernommen, daß der Kongreß in Stuttgart so frei sein
werde wie in Amsterdam. Ob Bebel bei dieser Bürgschaft schon der Bewilligung
der hohen Obrigkeit sicher war? Die Frage geht doch nicht nur Württemberg,
sondern auch die Reichspolitik an. Diese kann es unmöglich als im Interesse des
Deutschen Reichs liegend erachten, daß sich die Revolutionäre aller Länder auf
deutschem Boden tagelang ein festliches Stelldichein geben; daß Stuttgart einige
Tage offiziell unter dem Zeichen der roten Flagge steht, und daß ein Kongreß,
der die Beseitigung der Throne und die Einführung der Republik als sein offi¬
zielles Ziel behandelt, in einer deutschen Landeshauptstadt uuter Duldung der
Obrigkeit seine rednerischen Orgien feiert. Hat Bebel vielleicht auch schon die
Stuttgarter Militärkapellen engagiert oder vou der Gemeindeverwaltung der schwä¬
bischen Residenz die Liederhalle eingeräumt erhalten? Mit welchen Empfindungen
mag wohl König Wilhelm von Württemberg von dieser Ankündigung Kenntnis ge¬
nommen haben! Sollte die württembergische Regierung wirklich gewillt sein, das
revolutionäre Spektakelstück in der Haupt- und Residenzstadt ihres Königs zuzulassen?
Es wäre das ein Hohn auf unsre gesamten monarchischen Staatseinrichtungen, und
die Frage: Wohin treiben wir? wäre da Wohl berechtigt. Anderthalb Jahrzehnte
nach dem Erlöschen des Sozialistengesetzes der sozialdemokratische internationale
Kongreß in einer deutschen Hauptstadt! Die Sozialdemokratie geht sehr klug vor,
Schritt für Schritt, wie die Japaner, das zurückgelegte Stück zu eiuer guten
Ausnahmestellung befestigend. Mit der Duldung des sozialdemokratischen inter¬
nationalen Kongresses auf deutschem Boden, rin dem offiziell zugelassenen Prediger
des revolutionären Umsturzes in einer deutschen Hauptstadt, würde die Sozial¬
demokratie die größte und stärkste Förderung erfahren, die ihr seit dem unseligen
Erlöschen des Sozialistengesetzes überhaupt zuteil geworden ist. Die dort gestreute
Saat würde bei deu nächsten Neichstagswahlen vieltausendfältig aufgehn. In
konservativen Kreisen neigt man freilich schon seit Jahren zu dem gleichsam letzten
rettenden Ausgang: "Je mehr Sozinldcmokraten, desto besser, denn um so näher
ist die Katastrophe, dnrch die wir hindurch müssen, um wieder zu erträglichen
politischen Verhältnissen zu gelangen."

Diese Auffassung gleicht aber doch zu sehr der eiues zusammenbrechenden
Kaufmanns, der den Bankrott erklärt, um nachher wieder von vorn anfange" zu
können. Auf das Staatsleben angewandt, ist eine solche Auffassung zu gefährlich
und deshalb nicht zulässig. Wir haben schon einmal ans einen siegreichen 18. März
die schwere moralische und politische Niederlage des 19. folgen sehen. Damals
hat sich Preußen, und dnrch Preußen Deutschland noch einmal ans tiefem Fall
erhoben, weil die Männer, die durch die Befreiungskriege hindurchgegangen waren,


Maßgebliches und Uumaßgel'liebes

nominell, und wenn es nach seinen Reden ginge, wäre von dem ganzen staatlichen
Aufbau heute kein Stein mehr auf dem andern. Aber er selbst wäre Wohl der
letzte, der mit der Rolle des komischen Alten vorlieb nähme. Er glaubt an sich
und an seine Sache mit der ganzen Glaubenskrast des Fanatismus, dessen Aus¬
wüchse ruhig hinzunehmen wohl kaum im Staatsinteresse liegt. Wir wollen die
Theorie, daß Bebel sich durch Lächerlichkeit selbst umbringt, nicht von der Hand
weisen, aber wenn man ihn durch „Niedrigerhängen" bekämpfen will, muß das in
deutlich erkennbarer Weise und mit der vollen Wucht der Staatsautorität geschehe».
Die Widerlegung stillschweigend einigen gutwilligen Blättern zu überlassen, erscheint
gegenüber dem Schaden, den er durch seinen Einfluß bei den Massen anrichtet,
nicht ausreichend.

Ernster freilich als seine Rede ist wohl jedenfalls der Beschluß des Amster¬
damer Kongresses, deu nächsten sozialdemokratischen Kongreß ans deutschem Boden,
und zwar in Stuttgart abzuhalten. Die Sozialdemokratie Will mit dieser Heraus¬
forderung der Staatsordnung in Deutschland an den Puls fühlen und feststellen,
wie weit die Partei in Deutschland allenfalls gehn, was sie der Autorität des
Staates bieten darf. Bebel hat einem besorgten englischen Frager versichert, ja er
hat „die Bürgschaft" übernommen, daß der Kongreß in Stuttgart so frei sein
werde wie in Amsterdam. Ob Bebel bei dieser Bürgschaft schon der Bewilligung
der hohen Obrigkeit sicher war? Die Frage geht doch nicht nur Württemberg,
sondern auch die Reichspolitik an. Diese kann es unmöglich als im Interesse des
Deutschen Reichs liegend erachten, daß sich die Revolutionäre aller Länder auf
deutschem Boden tagelang ein festliches Stelldichein geben; daß Stuttgart einige
Tage offiziell unter dem Zeichen der roten Flagge steht, und daß ein Kongreß,
der die Beseitigung der Throne und die Einführung der Republik als sein offi¬
zielles Ziel behandelt, in einer deutschen Landeshauptstadt uuter Duldung der
Obrigkeit seine rednerischen Orgien feiert. Hat Bebel vielleicht auch schon die
Stuttgarter Militärkapellen engagiert oder vou der Gemeindeverwaltung der schwä¬
bischen Residenz die Liederhalle eingeräumt erhalten? Mit welchen Empfindungen
mag wohl König Wilhelm von Württemberg von dieser Ankündigung Kenntnis ge¬
nommen haben! Sollte die württembergische Regierung wirklich gewillt sein, das
revolutionäre Spektakelstück in der Haupt- und Residenzstadt ihres Königs zuzulassen?
Es wäre das ein Hohn auf unsre gesamten monarchischen Staatseinrichtungen, und
die Frage: Wohin treiben wir? wäre da Wohl berechtigt. Anderthalb Jahrzehnte
nach dem Erlöschen des Sozialistengesetzes der sozialdemokratische internationale
Kongreß in einer deutschen Hauptstadt! Die Sozialdemokratie geht sehr klug vor,
Schritt für Schritt, wie die Japaner, das zurückgelegte Stück zu eiuer guten
Ausnahmestellung befestigend. Mit der Duldung des sozialdemokratischen inter¬
nationalen Kongresses auf deutschem Boden, rin dem offiziell zugelassenen Prediger
des revolutionären Umsturzes in einer deutschen Hauptstadt, würde die Sozial¬
demokratie die größte und stärkste Förderung erfahren, die ihr seit dem unseligen
Erlöschen des Sozialistengesetzes überhaupt zuteil geworden ist. Die dort gestreute
Saat würde bei deu nächsten Neichstagswahlen vieltausendfältig aufgehn. In
konservativen Kreisen neigt man freilich schon seit Jahren zu dem gleichsam letzten
rettenden Ausgang: „Je mehr Sozinldcmokraten, desto besser, denn um so näher
ist die Katastrophe, dnrch die wir hindurch müssen, um wieder zu erträglichen
politischen Verhältnissen zu gelangen."

Diese Auffassung gleicht aber doch zu sehr der eiues zusammenbrechenden
Kaufmanns, der den Bankrott erklärt, um nachher wieder von vorn anfange» zu
können. Auf das Staatsleben angewandt, ist eine solche Auffassung zu gefährlich
und deshalb nicht zulässig. Wir haben schon einmal ans einen siegreichen 18. März
die schwere moralische und politische Niederlage des 19. folgen sehen. Damals
hat sich Preußen, und dnrch Preußen Deutschland noch einmal ans tiefem Fall
erhoben, weil die Männer, die durch die Befreiungskriege hindurchgegangen waren,


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[0550] Maßgebliches und Uumaßgel'liebes nominell, und wenn es nach seinen Reden ginge, wäre von dem ganzen staatlichen Aufbau heute kein Stein mehr auf dem andern. Aber er selbst wäre Wohl der letzte, der mit der Rolle des komischen Alten vorlieb nähme. Er glaubt an sich und an seine Sache mit der ganzen Glaubenskrast des Fanatismus, dessen Aus¬ wüchse ruhig hinzunehmen wohl kaum im Staatsinteresse liegt. Wir wollen die Theorie, daß Bebel sich durch Lächerlichkeit selbst umbringt, nicht von der Hand weisen, aber wenn man ihn durch „Niedrigerhängen" bekämpfen will, muß das in deutlich erkennbarer Weise und mit der vollen Wucht der Staatsautorität geschehe». Die Widerlegung stillschweigend einigen gutwilligen Blättern zu überlassen, erscheint gegenüber dem Schaden, den er durch seinen Einfluß bei den Massen anrichtet, nicht ausreichend. Ernster freilich als seine Rede ist wohl jedenfalls der Beschluß des Amster¬ damer Kongresses, deu nächsten sozialdemokratischen Kongreß ans deutschem Boden, und zwar in Stuttgart abzuhalten. Die Sozialdemokratie Will mit dieser Heraus¬ forderung der Staatsordnung in Deutschland an den Puls fühlen und feststellen, wie weit die Partei in Deutschland allenfalls gehn, was sie der Autorität des Staates bieten darf. Bebel hat einem besorgten englischen Frager versichert, ja er hat „die Bürgschaft" übernommen, daß der Kongreß in Stuttgart so frei sein werde wie in Amsterdam. Ob Bebel bei dieser Bürgschaft schon der Bewilligung der hohen Obrigkeit sicher war? Die Frage geht doch nicht nur Württemberg, sondern auch die Reichspolitik an. Diese kann es unmöglich als im Interesse des Deutschen Reichs liegend erachten, daß sich die Revolutionäre aller Länder auf deutschem Boden tagelang ein festliches Stelldichein geben; daß Stuttgart einige Tage offiziell unter dem Zeichen der roten Flagge steht, und daß ein Kongreß, der die Beseitigung der Throne und die Einführung der Republik als sein offi¬ zielles Ziel behandelt, in einer deutschen Landeshauptstadt uuter Duldung der Obrigkeit seine rednerischen Orgien feiert. Hat Bebel vielleicht auch schon die Stuttgarter Militärkapellen engagiert oder vou der Gemeindeverwaltung der schwä¬ bischen Residenz die Liederhalle eingeräumt erhalten? Mit welchen Empfindungen mag wohl König Wilhelm von Württemberg von dieser Ankündigung Kenntnis ge¬ nommen haben! Sollte die württembergische Regierung wirklich gewillt sein, das revolutionäre Spektakelstück in der Haupt- und Residenzstadt ihres Königs zuzulassen? Es wäre das ein Hohn auf unsre gesamten monarchischen Staatseinrichtungen, und die Frage: Wohin treiben wir? wäre da Wohl berechtigt. Anderthalb Jahrzehnte nach dem Erlöschen des Sozialistengesetzes der sozialdemokratische internationale Kongreß in einer deutschen Hauptstadt! Die Sozialdemokratie geht sehr klug vor, Schritt für Schritt, wie die Japaner, das zurückgelegte Stück zu eiuer guten Ausnahmestellung befestigend. Mit der Duldung des sozialdemokratischen inter¬ nationalen Kongresses auf deutschem Boden, rin dem offiziell zugelassenen Prediger des revolutionären Umsturzes in einer deutschen Hauptstadt, würde die Sozial¬ demokratie die größte und stärkste Förderung erfahren, die ihr seit dem unseligen Erlöschen des Sozialistengesetzes überhaupt zuteil geworden ist. Die dort gestreute Saat würde bei deu nächsten Neichstagswahlen vieltausendfältig aufgehn. In konservativen Kreisen neigt man freilich schon seit Jahren zu dem gleichsam letzten rettenden Ausgang: „Je mehr Sozinldcmokraten, desto besser, denn um so näher ist die Katastrophe, dnrch die wir hindurch müssen, um wieder zu erträglichen politischen Verhältnissen zu gelangen." Diese Auffassung gleicht aber doch zu sehr der eiues zusammenbrechenden Kaufmanns, der den Bankrott erklärt, um nachher wieder von vorn anfange» zu können. Auf das Staatsleben angewandt, ist eine solche Auffassung zu gefährlich und deshalb nicht zulässig. Wir haben schon einmal ans einen siegreichen 18. März die schwere moralische und politische Niederlage des 19. folgen sehen. Damals hat sich Preußen, und dnrch Preußen Deutschland noch einmal ans tiefem Fall erhoben, weil die Männer, die durch die Befreiungskriege hindurchgegangen waren,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/550>, abgerufen am 24.06.2024.