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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die Kaiserliche Order in Sachen des Bilseprozesses beruht genau auf der
seinerzeit im Armeeverordnungsblatt veröffentlichten Order vom 23. Dezember 1899,
in der die Vorschriften über die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen das
Gericht die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung wegen Gefährdung der Disziplin
auszuschließen hat. Es heißt darin: "Die Disziplin verlangt, daß auch im gericht¬
lichen Verfahren das Ansehen der Kommandogewalt, der militärischen Einrichtungen,
Verordnungen und Gebräuche erhalten, der Sinn für die unbedingte Unterordnung
des Untergebnen unter den Vorgesetzten jeden Grades gewahrt, und dem be¬
rechtigten Ehrgefühl aller Beteiligten, insbesondre derjenigen des Offizierstandes,
Rechnung getragen wird. Sobald dieser Grundsatz gefährdet ist, sei es nach dem
Gegenstand der Anklage, nach der Eigenheit des zur Verhandlung kommenden
Falles, nach der Persönlichkeit des Angeklagten oder der Zeugen, nach zeitlichen
oder örtlichen besondern Verhältnissen, ist die Öffentlichkeit auszuschließen." , Die
Order spricht weiter aus, daß die Prüfung, ob der Ausschluß der Öffentlichkeit
zu beantragen sei, in erster Linie zu den Pflichten des Gerichtsherrn und des
Vertreters der Anklage gehöre. "Aber auch die erkennenden Gerichte sind ver¬
pflichtet, ohne solchen Antrag die Öffentlichkeit für die ganze Verhandlung oder
einen Teil derselben auszuschließen, wenn die Voraussetzungen hierfür nach dem
vorstehend von mir gegebnen Grundsatze eintreten." Niemand wird leugnen
können, daß in dem Falle Bilse das Gericht nach den Vorschriften dieser Order
zu verfahren hatte, und daß die Unterlassung sehr bedauerliche Früchte gezeitigt
hat. Sollte es außerhalb der Sozialdemokratie Leute im Reichstage geben, denen
das Gefühl dafür verloren gegangen ist, so werden sie bei der Regierung auf
eine um so unbeugsamere Vertretung der Kaiserlichen Rechte und Pflichten stoßen.
Der Erlaß über den Bilseprozeß war ebenso die pflichtmäßige Ausübung eines
Rechts wie die rechtmäßige Übung einer unerläßlichen Pflicht. Wenn daran über¬
haupt etwas zu bedauern bleibt, so ist es höchstens der Umstand, daß die Order
nicht sofort durch das Armeeverordnungsblatt veröffentlicht worden ist. Die Staats¬
gewalt wird bei klarer Stellungnahme immer im Vorteil sein.

Die Welfenblätter sind selbstverständlich mit den Ausführungen der Grenz¬
boten über die braunschweigische Erbfolgefrage nicht einverstanden. Es sei
hier ausdrücklich das Wort "Frage" gebraucht. Wenn in einem deutschen, zum
Reichsverbande gehörenden und damit unter dem Schutz des Reiches stehenden
Lande eine neue Seitenlinie auf dem Wege erbschaftlicher Übertragung zur Herr¬
schaft gelangen will, so hat sie ihre Legitimation nicht nur aus Erbschaftspapieren,
sondern aus dem Geiste zuführen, nachdem in Deutschland ausschließlich regiert
werden darf: dem Geiste der absolutesten Bundes- und Reichstreue. Die Ver¬
sicherung, nichts gegen den Bestand des Reiches oder seine Gestaltung unternehmen
zu wollen, sagt in diesem Falle gar nichts. Darüber wacht der Kaiser mit dem
ganzen Gewicht der obersten Reichsgewalt. Wer in den "ewigen Bund" eintreten
will "zum Schutze des Bundesgebiets und des innerhalb desselben giltigen Rechts
sowie zur Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes," wie die Einleitung zur
Reichsverfassung besagt, muß eine andre Legitimation beibringen: er hat die Bürg¬
schaft seiner Gesinnungen und seiner Treue zum Reich zu leisten. Der Herzog
von Cumberland hat seit dem Jahre 1866. bald vierzig Jahre, ausschließlich außer¬
halb Deutschlands geweilt, er ist dem Reiche, seinen Einrichtungen und seinen Ver¬
hältnissen ein Fremder geworden, seine Erbbehinderung ist, wenn man da ein Erb¬
recht überhaupt noch zulassen will, eine dauernde geworden. Das hochherzige
Entgegenkommen, das der Kaiser durch Aufhebung der Beschlagnahme des Welfen-
fonds betätigt hat, hat keine Früchte getragen.

Mit den Söhnen des Herzogs steht es nicht anders, zumal mit dem ältesten.
Anstatt sich durch den Waffendienst im deutschen Heere -- es brauchte nicht die
preußische Armee zu sein -- und durch den Besuch einer deutschen Hochschule auf
sein künftiges Neichsfürstentum vorzubereiten, ist er ebenfalls heute mit vierund-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die Kaiserliche Order in Sachen des Bilseprozesses beruht genau auf der
seinerzeit im Armeeverordnungsblatt veröffentlichten Order vom 23. Dezember 1899,
in der die Vorschriften über die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen das
Gericht die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung wegen Gefährdung der Disziplin
auszuschließen hat. Es heißt darin: „Die Disziplin verlangt, daß auch im gericht¬
lichen Verfahren das Ansehen der Kommandogewalt, der militärischen Einrichtungen,
Verordnungen und Gebräuche erhalten, der Sinn für die unbedingte Unterordnung
des Untergebnen unter den Vorgesetzten jeden Grades gewahrt, und dem be¬
rechtigten Ehrgefühl aller Beteiligten, insbesondre derjenigen des Offizierstandes,
Rechnung getragen wird. Sobald dieser Grundsatz gefährdet ist, sei es nach dem
Gegenstand der Anklage, nach der Eigenheit des zur Verhandlung kommenden
Falles, nach der Persönlichkeit des Angeklagten oder der Zeugen, nach zeitlichen
oder örtlichen besondern Verhältnissen, ist die Öffentlichkeit auszuschließen." , Die
Order spricht weiter aus, daß die Prüfung, ob der Ausschluß der Öffentlichkeit
zu beantragen sei, in erster Linie zu den Pflichten des Gerichtsherrn und des
Vertreters der Anklage gehöre. „Aber auch die erkennenden Gerichte sind ver¬
pflichtet, ohne solchen Antrag die Öffentlichkeit für die ganze Verhandlung oder
einen Teil derselben auszuschließen, wenn die Voraussetzungen hierfür nach dem
vorstehend von mir gegebnen Grundsatze eintreten." Niemand wird leugnen
können, daß in dem Falle Bilse das Gericht nach den Vorschriften dieser Order
zu verfahren hatte, und daß die Unterlassung sehr bedauerliche Früchte gezeitigt
hat. Sollte es außerhalb der Sozialdemokratie Leute im Reichstage geben, denen
das Gefühl dafür verloren gegangen ist, so werden sie bei der Regierung auf
eine um so unbeugsamere Vertretung der Kaiserlichen Rechte und Pflichten stoßen.
Der Erlaß über den Bilseprozeß war ebenso die pflichtmäßige Ausübung eines
Rechts wie die rechtmäßige Übung einer unerläßlichen Pflicht. Wenn daran über¬
haupt etwas zu bedauern bleibt, so ist es höchstens der Umstand, daß die Order
nicht sofort durch das Armeeverordnungsblatt veröffentlicht worden ist. Die Staats¬
gewalt wird bei klarer Stellungnahme immer im Vorteil sein.

Die Welfenblätter sind selbstverständlich mit den Ausführungen der Grenz¬
boten über die braunschweigische Erbfolgefrage nicht einverstanden. Es sei
hier ausdrücklich das Wort „Frage" gebraucht. Wenn in einem deutschen, zum
Reichsverbande gehörenden und damit unter dem Schutz des Reiches stehenden
Lande eine neue Seitenlinie auf dem Wege erbschaftlicher Übertragung zur Herr¬
schaft gelangen will, so hat sie ihre Legitimation nicht nur aus Erbschaftspapieren,
sondern aus dem Geiste zuführen, nachdem in Deutschland ausschließlich regiert
werden darf: dem Geiste der absolutesten Bundes- und Reichstreue. Die Ver¬
sicherung, nichts gegen den Bestand des Reiches oder seine Gestaltung unternehmen
zu wollen, sagt in diesem Falle gar nichts. Darüber wacht der Kaiser mit dem
ganzen Gewicht der obersten Reichsgewalt. Wer in den „ewigen Bund" eintreten
will „zum Schutze des Bundesgebiets und des innerhalb desselben giltigen Rechts
sowie zur Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes," wie die Einleitung zur
Reichsverfassung besagt, muß eine andre Legitimation beibringen: er hat die Bürg¬
schaft seiner Gesinnungen und seiner Treue zum Reich zu leisten. Der Herzog
von Cumberland hat seit dem Jahre 1866. bald vierzig Jahre, ausschließlich außer¬
halb Deutschlands geweilt, er ist dem Reiche, seinen Einrichtungen und seinen Ver¬
hältnissen ein Fremder geworden, seine Erbbehinderung ist, wenn man da ein Erb¬
recht überhaupt noch zulassen will, eine dauernde geworden. Das hochherzige
Entgegenkommen, das der Kaiser durch Aufhebung der Beschlagnahme des Welfen-
fonds betätigt hat, hat keine Früchte getragen.

Mit den Söhnen des Herzogs steht es nicht anders, zumal mit dem ältesten.
Anstatt sich durch den Waffendienst im deutschen Heere — es brauchte nicht die
preußische Armee zu sein — und durch den Besuch einer deutschen Hochschule auf
sein künftiges Neichsfürstentum vorzubereiten, ist er ebenfalls heute mit vierund-


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[0487] Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Kaiserliche Order in Sachen des Bilseprozesses beruht genau auf der seinerzeit im Armeeverordnungsblatt veröffentlichten Order vom 23. Dezember 1899, in der die Vorschriften über die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen das Gericht die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung wegen Gefährdung der Disziplin auszuschließen hat. Es heißt darin: „Die Disziplin verlangt, daß auch im gericht¬ lichen Verfahren das Ansehen der Kommandogewalt, der militärischen Einrichtungen, Verordnungen und Gebräuche erhalten, der Sinn für die unbedingte Unterordnung des Untergebnen unter den Vorgesetzten jeden Grades gewahrt, und dem be¬ rechtigten Ehrgefühl aller Beteiligten, insbesondre derjenigen des Offizierstandes, Rechnung getragen wird. Sobald dieser Grundsatz gefährdet ist, sei es nach dem Gegenstand der Anklage, nach der Eigenheit des zur Verhandlung kommenden Falles, nach der Persönlichkeit des Angeklagten oder der Zeugen, nach zeitlichen oder örtlichen besondern Verhältnissen, ist die Öffentlichkeit auszuschließen." , Die Order spricht weiter aus, daß die Prüfung, ob der Ausschluß der Öffentlichkeit zu beantragen sei, in erster Linie zu den Pflichten des Gerichtsherrn und des Vertreters der Anklage gehöre. „Aber auch die erkennenden Gerichte sind ver¬ pflichtet, ohne solchen Antrag die Öffentlichkeit für die ganze Verhandlung oder einen Teil derselben auszuschließen, wenn die Voraussetzungen hierfür nach dem vorstehend von mir gegebnen Grundsatze eintreten." Niemand wird leugnen können, daß in dem Falle Bilse das Gericht nach den Vorschriften dieser Order zu verfahren hatte, und daß die Unterlassung sehr bedauerliche Früchte gezeitigt hat. Sollte es außerhalb der Sozialdemokratie Leute im Reichstage geben, denen das Gefühl dafür verloren gegangen ist, so werden sie bei der Regierung auf eine um so unbeugsamere Vertretung der Kaiserlichen Rechte und Pflichten stoßen. Der Erlaß über den Bilseprozeß war ebenso die pflichtmäßige Ausübung eines Rechts wie die rechtmäßige Übung einer unerläßlichen Pflicht. Wenn daran über¬ haupt etwas zu bedauern bleibt, so ist es höchstens der Umstand, daß die Order nicht sofort durch das Armeeverordnungsblatt veröffentlicht worden ist. Die Staats¬ gewalt wird bei klarer Stellungnahme immer im Vorteil sein. Die Welfenblätter sind selbstverständlich mit den Ausführungen der Grenz¬ boten über die braunschweigische Erbfolgefrage nicht einverstanden. Es sei hier ausdrücklich das Wort „Frage" gebraucht. Wenn in einem deutschen, zum Reichsverbande gehörenden und damit unter dem Schutz des Reiches stehenden Lande eine neue Seitenlinie auf dem Wege erbschaftlicher Übertragung zur Herr¬ schaft gelangen will, so hat sie ihre Legitimation nicht nur aus Erbschaftspapieren, sondern aus dem Geiste zuführen, nachdem in Deutschland ausschließlich regiert werden darf: dem Geiste der absolutesten Bundes- und Reichstreue. Die Ver¬ sicherung, nichts gegen den Bestand des Reiches oder seine Gestaltung unternehmen zu wollen, sagt in diesem Falle gar nichts. Darüber wacht der Kaiser mit dem ganzen Gewicht der obersten Reichsgewalt. Wer in den „ewigen Bund" eintreten will „zum Schutze des Bundesgebiets und des innerhalb desselben giltigen Rechts sowie zur Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes," wie die Einleitung zur Reichsverfassung besagt, muß eine andre Legitimation beibringen: er hat die Bürg¬ schaft seiner Gesinnungen und seiner Treue zum Reich zu leisten. Der Herzog von Cumberland hat seit dem Jahre 1866. bald vierzig Jahre, ausschließlich außer¬ halb Deutschlands geweilt, er ist dem Reiche, seinen Einrichtungen und seinen Ver¬ hältnissen ein Fremder geworden, seine Erbbehinderung ist, wenn man da ein Erb¬ recht überhaupt noch zulassen will, eine dauernde geworden. Das hochherzige Entgegenkommen, das der Kaiser durch Aufhebung der Beschlagnahme des Welfen- fonds betätigt hat, hat keine Früchte getragen. Mit den Söhnen des Herzogs steht es nicht anders, zumal mit dem ältesten. Anstatt sich durch den Waffendienst im deutschen Heere — es brauchte nicht die preußische Armee zu sein — und durch den Besuch einer deutschen Hochschule auf sein künftiges Neichsfürstentum vorzubereiten, ist er ebenfalls heute mit vierund-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/487>, abgerufen am 26.06.2024.