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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Auch die Unterstellung, daß die Verbündeten Regierungen nicht alten" würden,
ist nicht stichhaltig, vielmehr beleidigend für die deutschen Fürsten und die nicht¬
preußischen deutschen Truppen. Als ob die Bayern, Sachsen und Württemberger
verlangen würden, hinter dem Ofen zu bleiben, wenn die Preußen für des Reiches
Schutz und Interessen ausziehen! Bayern, Sachsen und Württemberg haben zur
chinesischen Expedition bereitwillig ihre Söhne unter das Reichsbanner und den
Reichsadler gestellt. Sie sind deshalb nur an Ehren reicher, aber nicht ohn¬
mächtiger oder geringer geworden. Der Grund, weshalb man von der Ent¬
sendung geschlossener Truppenkörper absieht, liegt allein im Mobilmachungsplan,
der in solchem Falle einer sofortigen Umarbeitung bedürfte, um die durch die
Entsendung eingetretnen Lücken und den dadurch in seiner Beschleunigung und
Wirksamkeit gefährdeten Aufmarsch der Armee wieder auszufüllen. Aber auch das
würde eine Verschlechterung der für den Mobilmachungsfall vorgesehenen Dispositionen
sein; deshalb hat man es vorgezogen, lieber für die überseeischen Entsendungen
neue Formationen aufzustellen und zuhause in der planmäßigen Bereitschaft zu
bleiben. Auf die Dauer werden wir aber so bequem nicht davon kommen. Man
braucht sich nur die Notwendigkeit starker Entsendungen nach Ostasien oder Afrika
während eines in Europa ausgebrochnen Krieges, i" den Deutschland verwickelt
wäre, zu vergegenwärtigen. Wir kommen früher oder später nicht darum, für den
überseeischen Dienst in der Heimat eine Division aus allen Waffen, mit allen
Stäben und Verwaltungszweigen sowie mit den neusten Einrichtungen der Kriegs¬
technik versehen, bereit zu halten. Diese Truppe könnte aus Freiwilligen, die sich
zu einer längern Dienstzeit verpflichten müßten, gebildet werden; sie könnte für
den Zweck ihrer einheitlichen Ausbildung und Bereitschaft ihre Garnison in einem
der großen Lager nehmen. Die in China und Afrika gewonnenen und seitdem
fortgesetzt gemehrten Erfahrungen reichen für eine solche Neubildung vollkommen aus.
Die Division hätte auch die Ablösung der draußen in etwa gleicher Stärke stehenden
Landtruppen zu bestreiten. Es handelt sich nicht um eine "Kolonialarmee," wie das
beliebte Schlagwort lautet, sondern um ein Kolonialarmeekorps, das mit je einer
Brigade in Ostasien und Südwestafrika, mit den beiden andern kriegsbereit in der
Heimat stünde. Einstweilen mag die Sache noch gehn, wie sie eben geht, zunächst
sind andre Dinge dringender. Aber wir werden Bedacht darauf nehmen müssen, in
längstens fünf Jahren auch hier die Hand anzulegen. Der Kaiser hat den Südwest¬
afrikanern eben mit Worten, die diese Männer hoch erfreut haben und in ganz
Deutschland mit herzlicher Zustimmung aufgenommen worden sind, unumwunden aus¬
gesprochen, daß das Reich diese Kolonie, "von deren sehr großem Werte er voll
überzeugt sei," für alle Zeiten festhalten Und dafür sorgen wolle, daß ähnliche Vor¬
kommnisse, wie dieser Aufstand, für die Zukunft unmöglich sein sollen. Kaiser Wilhelm
hat damit dem größten Teil der Deutschen aus der Seele gesprochen. Aber dieses
Kaiserwort einzulösen, bedarf es wohlbedacht angelegter Organisationen, eine
Zukunftsaufgabe, der sich auch der Reichstag nicht wird entzieh" wollen.

Die weitere Äußerung des Kaisers an die Farmer, daß er an der Spitze
eines konstitutionellen Staatswesens stehe, ist von der Presse nach allen Richtungen
hin breitgetreten worden. Und doch war eine solche Äußerung so naheliegend. Der
Empfang war, wie auch die Anwesenheit des Reichskanzlers in Uniform äußerlich
bekundete, ein Staatsakt. Bei einem solchen konnte sich der Kaiser unmöglich in
einen Widerspruch zum Reichstage setzen, indem er den Klagen der Farmer über
die unzureichende Entschädigung beitrat. Dies um so weniger, als ja die preußischen
Stimmen im Bundesrat für die Zustimmung zum Etat, wie er aus der dritten Lesung
hervorgegangen ist, nur mit Genehmigung des Monarchen abgegeben sein konnten.
Die Verantwortlichkeit für die große Mißstimmung, die der Entschädigungsbeschluß
hüben wie drüben hervorgerufen hatte, fällt ausschließlich dem Reichstage zu. Mehr
hat der Kaiser uicht aussprechen wollen; daß er persönlich mit jenem Beschlusse
nicht einverstanden ist, wird jeder leicht aus seinen Worten herausgehört haben.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Auch die Unterstellung, daß die Verbündeten Regierungen nicht alten» würden,
ist nicht stichhaltig, vielmehr beleidigend für die deutschen Fürsten und die nicht¬
preußischen deutschen Truppen. Als ob die Bayern, Sachsen und Württemberger
verlangen würden, hinter dem Ofen zu bleiben, wenn die Preußen für des Reiches
Schutz und Interessen ausziehen! Bayern, Sachsen und Württemberg haben zur
chinesischen Expedition bereitwillig ihre Söhne unter das Reichsbanner und den
Reichsadler gestellt. Sie sind deshalb nur an Ehren reicher, aber nicht ohn¬
mächtiger oder geringer geworden. Der Grund, weshalb man von der Ent¬
sendung geschlossener Truppenkörper absieht, liegt allein im Mobilmachungsplan,
der in solchem Falle einer sofortigen Umarbeitung bedürfte, um die durch die
Entsendung eingetretnen Lücken und den dadurch in seiner Beschleunigung und
Wirksamkeit gefährdeten Aufmarsch der Armee wieder auszufüllen. Aber auch das
würde eine Verschlechterung der für den Mobilmachungsfall vorgesehenen Dispositionen
sein; deshalb hat man es vorgezogen, lieber für die überseeischen Entsendungen
neue Formationen aufzustellen und zuhause in der planmäßigen Bereitschaft zu
bleiben. Auf die Dauer werden wir aber so bequem nicht davon kommen. Man
braucht sich nur die Notwendigkeit starker Entsendungen nach Ostasien oder Afrika
während eines in Europa ausgebrochnen Krieges, i« den Deutschland verwickelt
wäre, zu vergegenwärtigen. Wir kommen früher oder später nicht darum, für den
überseeischen Dienst in der Heimat eine Division aus allen Waffen, mit allen
Stäben und Verwaltungszweigen sowie mit den neusten Einrichtungen der Kriegs¬
technik versehen, bereit zu halten. Diese Truppe könnte aus Freiwilligen, die sich
zu einer längern Dienstzeit verpflichten müßten, gebildet werden; sie könnte für
den Zweck ihrer einheitlichen Ausbildung und Bereitschaft ihre Garnison in einem
der großen Lager nehmen. Die in China und Afrika gewonnenen und seitdem
fortgesetzt gemehrten Erfahrungen reichen für eine solche Neubildung vollkommen aus.
Die Division hätte auch die Ablösung der draußen in etwa gleicher Stärke stehenden
Landtruppen zu bestreiten. Es handelt sich nicht um eine „Kolonialarmee," wie das
beliebte Schlagwort lautet, sondern um ein Kolonialarmeekorps, das mit je einer
Brigade in Ostasien und Südwestafrika, mit den beiden andern kriegsbereit in der
Heimat stünde. Einstweilen mag die Sache noch gehn, wie sie eben geht, zunächst
sind andre Dinge dringender. Aber wir werden Bedacht darauf nehmen müssen, in
längstens fünf Jahren auch hier die Hand anzulegen. Der Kaiser hat den Südwest¬
afrikanern eben mit Worten, die diese Männer hoch erfreut haben und in ganz
Deutschland mit herzlicher Zustimmung aufgenommen worden sind, unumwunden aus¬
gesprochen, daß das Reich diese Kolonie, „von deren sehr großem Werte er voll
überzeugt sei," für alle Zeiten festhalten Und dafür sorgen wolle, daß ähnliche Vor¬
kommnisse, wie dieser Aufstand, für die Zukunft unmöglich sein sollen. Kaiser Wilhelm
hat damit dem größten Teil der Deutschen aus der Seele gesprochen. Aber dieses
Kaiserwort einzulösen, bedarf es wohlbedacht angelegter Organisationen, eine
Zukunftsaufgabe, der sich auch der Reichstag nicht wird entzieh» wollen.

Die weitere Äußerung des Kaisers an die Farmer, daß er an der Spitze
eines konstitutionellen Staatswesens stehe, ist von der Presse nach allen Richtungen
hin breitgetreten worden. Und doch war eine solche Äußerung so naheliegend. Der
Empfang war, wie auch die Anwesenheit des Reichskanzlers in Uniform äußerlich
bekundete, ein Staatsakt. Bei einem solchen konnte sich der Kaiser unmöglich in
einen Widerspruch zum Reichstage setzen, indem er den Klagen der Farmer über
die unzureichende Entschädigung beitrat. Dies um so weniger, als ja die preußischen
Stimmen im Bundesrat für die Zustimmung zum Etat, wie er aus der dritten Lesung
hervorgegangen ist, nur mit Genehmigung des Monarchen abgegeben sein konnten.
Die Verantwortlichkeit für die große Mißstimmung, die der Entschädigungsbeschluß
hüben wie drüben hervorgerufen hatte, fällt ausschließlich dem Reichstage zu. Mehr
hat der Kaiser uicht aussprechen wollen; daß er persönlich mit jenem Beschlusse
nicht einverstanden ist, wird jeder leicht aus seinen Worten herausgehört haben.


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[0431] Maßgebliches und Unmaßgebliches Auch die Unterstellung, daß die Verbündeten Regierungen nicht alten» würden, ist nicht stichhaltig, vielmehr beleidigend für die deutschen Fürsten und die nicht¬ preußischen deutschen Truppen. Als ob die Bayern, Sachsen und Württemberger verlangen würden, hinter dem Ofen zu bleiben, wenn die Preußen für des Reiches Schutz und Interessen ausziehen! Bayern, Sachsen und Württemberg haben zur chinesischen Expedition bereitwillig ihre Söhne unter das Reichsbanner und den Reichsadler gestellt. Sie sind deshalb nur an Ehren reicher, aber nicht ohn¬ mächtiger oder geringer geworden. Der Grund, weshalb man von der Ent¬ sendung geschlossener Truppenkörper absieht, liegt allein im Mobilmachungsplan, der in solchem Falle einer sofortigen Umarbeitung bedürfte, um die durch die Entsendung eingetretnen Lücken und den dadurch in seiner Beschleunigung und Wirksamkeit gefährdeten Aufmarsch der Armee wieder auszufüllen. Aber auch das würde eine Verschlechterung der für den Mobilmachungsfall vorgesehenen Dispositionen sein; deshalb hat man es vorgezogen, lieber für die überseeischen Entsendungen neue Formationen aufzustellen und zuhause in der planmäßigen Bereitschaft zu bleiben. Auf die Dauer werden wir aber so bequem nicht davon kommen. Man braucht sich nur die Notwendigkeit starker Entsendungen nach Ostasien oder Afrika während eines in Europa ausgebrochnen Krieges, i« den Deutschland verwickelt wäre, zu vergegenwärtigen. Wir kommen früher oder später nicht darum, für den überseeischen Dienst in der Heimat eine Division aus allen Waffen, mit allen Stäben und Verwaltungszweigen sowie mit den neusten Einrichtungen der Kriegs¬ technik versehen, bereit zu halten. Diese Truppe könnte aus Freiwilligen, die sich zu einer längern Dienstzeit verpflichten müßten, gebildet werden; sie könnte für den Zweck ihrer einheitlichen Ausbildung und Bereitschaft ihre Garnison in einem der großen Lager nehmen. Die in China und Afrika gewonnenen und seitdem fortgesetzt gemehrten Erfahrungen reichen für eine solche Neubildung vollkommen aus. Die Division hätte auch die Ablösung der draußen in etwa gleicher Stärke stehenden Landtruppen zu bestreiten. Es handelt sich nicht um eine „Kolonialarmee," wie das beliebte Schlagwort lautet, sondern um ein Kolonialarmeekorps, das mit je einer Brigade in Ostasien und Südwestafrika, mit den beiden andern kriegsbereit in der Heimat stünde. Einstweilen mag die Sache noch gehn, wie sie eben geht, zunächst sind andre Dinge dringender. Aber wir werden Bedacht darauf nehmen müssen, in längstens fünf Jahren auch hier die Hand anzulegen. Der Kaiser hat den Südwest¬ afrikanern eben mit Worten, die diese Männer hoch erfreut haben und in ganz Deutschland mit herzlicher Zustimmung aufgenommen worden sind, unumwunden aus¬ gesprochen, daß das Reich diese Kolonie, „von deren sehr großem Werte er voll überzeugt sei," für alle Zeiten festhalten Und dafür sorgen wolle, daß ähnliche Vor¬ kommnisse, wie dieser Aufstand, für die Zukunft unmöglich sein sollen. Kaiser Wilhelm hat damit dem größten Teil der Deutschen aus der Seele gesprochen. Aber dieses Kaiserwort einzulösen, bedarf es wohlbedacht angelegter Organisationen, eine Zukunftsaufgabe, der sich auch der Reichstag nicht wird entzieh» wollen. Die weitere Äußerung des Kaisers an die Farmer, daß er an der Spitze eines konstitutionellen Staatswesens stehe, ist von der Presse nach allen Richtungen hin breitgetreten worden. Und doch war eine solche Äußerung so naheliegend. Der Empfang war, wie auch die Anwesenheit des Reichskanzlers in Uniform äußerlich bekundete, ein Staatsakt. Bei einem solchen konnte sich der Kaiser unmöglich in einen Widerspruch zum Reichstage setzen, indem er den Klagen der Farmer über die unzureichende Entschädigung beitrat. Dies um so weniger, als ja die preußischen Stimmen im Bundesrat für die Zustimmung zum Etat, wie er aus der dritten Lesung hervorgegangen ist, nur mit Genehmigung des Monarchen abgegeben sein konnten. Die Verantwortlichkeit für die große Mißstimmung, die der Entschädigungsbeschluß hüben wie drüben hervorgerufen hatte, fällt ausschließlich dem Reichstage zu. Mehr hat der Kaiser uicht aussprechen wollen; daß er persönlich mit jenem Beschlusse nicht einverstanden ist, wird jeder leicht aus seinen Worten herausgehört haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/431>, abgerufen am 25.08.2024.