Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Schritt den Regierungsantritt in Braunschweig sichern wollte, hätte er den Schritt Nun kann man sagen, die Stellung des Hauses Braunschweig - Lüneburg Als König Wilhelm von Preußen am 5. Juli 1866 im Hauptquartier zu Maßgebliches und Unmaßgebliches Schritt den Regierungsantritt in Braunschweig sichern wollte, hätte er den Schritt Nun kann man sagen, die Stellung des Hauses Braunschweig - Lüneburg Als König Wilhelm von Preußen am 5. Juli 1866 im Hauptquartier zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294659"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1048" prev="#ID_1047"> Schritt den Regierungsantritt in Braunschweig sichern wollte, hätte er den Schritt<lb/> längst tun können. Prinz Georg Wilhelm ist 1880 geboren, wäre also seit 1898<lb/> regierungsfähig gewesen. Der aäiws s.ä vachu war gegeben, als Kaiser Wilhelm<lb/> im Jahre 1892 hochherzig die Beschlagnahme des Welfenfonds aufhob, und der<lb/> Herzog die schriftliche Zusage erteilte, mit seinen Mitteln wissentlich nichts gegen<lb/> den Frieden Preußens und des Reichs unternehmen zu wollen. Beruht die ab¬<lb/> lehnende Haltung des Herzogs von Cumberland tatsächlich auf einer gegen seinen<lb/> Vater eingegangnen Verpflichtung, so kann und wird er diese nicht dadurch um-<lb/> gehn, daß er für seine Person abbaute, um seinem Sohne den Verzicht zu ermöglichen.<lb/> Man sollte eher das Gegenteil annehmen, daß er seinem Sohne wie allen seinen<lb/> Nachfolgern die im Hietzinger Protest ohnehin für sie verbindlich ausgesprochne<lb/> Verpflichtung von neuem auferlegt. Das wäre wenigstens im Sinne der welfischen<lb/> Tradition gehandelt. Die Welt wird darüber wohl erst dereinst bei seinem Ableben<lb/> aufgeklärt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1049"> Nun kann man sagen, die Stellung des Hauses Braunschweig - Lüneburg<lb/> — wenn man diesen Titel gelten lassen will — zum Reiche sei ohnehin verändert<lb/> durch die Vermählung einer Tochter des Herzogs von Cumberland mit dem Prinzen<lb/> Max von Baden und einer andern mit dem Großherzog von Mecklenburg, einem<lb/> regierenden deutschen Reichsfürsten; beide sind dem königlichen Hause von Preußen<lb/> verwandt. Der Kaiser ist in Karlsruhe mit der Prinzessin Max von Baden zusammen¬<lb/> getroffen, dem Einzuge des jungen Paares in Schwerin hat der Kronprinz beigewohnt,<lb/> der Besuch des Kaisers steht bevor. Gewiß sind diese beiden fürstlichen Damen damit<lb/> in einen andern Kreis eingetreten, als der des selbsterwählten Exils ihres Vaters<lb/> in Gmunden ist. Aber wenn der Herzog von Cumberland seine Töchter ebenbürtig<lb/> vermählen wollte, blieben ihm dazu doch nur österreichische Erzherzoge — dann<lb/> wohl mit unvermeidlichen Religionswechsel — oder Mitglieder der deutschen bundes¬<lb/> fürstlichen Häuser übrig. Einen Akt der Annäherung bedeuten somit diese Ehe¬<lb/> schließungen an sich nicht, Wohl aber kann sich eine Annäherung daraus ergeben.<lb/> Hört man doch schon seit längerer Zeit von dem Wunsche, der an hohen Stellen<lb/> bestehn soll, einen preußischen Prinzen, wenn möglich den Kronprinzen, mit der im<lb/> Jahre 1884 gebornen, also jetzt zwanzigjährigen jüngsten Tochter des Herzogs<lb/> von Cumberland zu vermählen und damit die Versöhnung mit dem Braunschweiger<lb/> Hause und dem Welfentum zu besiegeln. Als Beispiel dient dabei das Ehebündnis<lb/> des Kaiserpaares. Auch das Verlöbnis des Prinzen Wilhelm von Preußen mit der<lb/> Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein sei einst ein Unterpfand der<lb/> endgiltigen Aussöhnung der Gemüter in dem meerumschlungnen Lande gewesen.<lb/> Das Beispiel trifft jedoch nicht zu. Schleswig-Holstein war nicht im Besitze<lb/> des herzoglichen Hauses, es ist durch die preußischen Waffen von der dänischen<lb/> Fremdherrschaft befreit worden. Die Welfendynastie aber hat in Hannover regiert,<lb/> und sie hat ihren Anspruch auf diese Krone bis heute nicht aufgegeben. Ein Akt<lb/> des geschichtlichen Ausgleichs würde ja vielleicht darin liegen, wenn eine Tochter des<lb/> welfischen Hauses dereinst Königin von Preußen und Gemahlin des deutschen Kaisers<lb/> würde, aber wer ist imstande zu verbürgen, daß ein Verzicht des Prinzen Georg Wilhelm<lb/> nicht von diesem oder einem seiner Nachfolger unter dem Einfluß schlechter Berater<lb/> bei gegebnen Anlaß wieder verleugnet, als „erzwungen" für nichtig erklärt werden<lb/> würde? Bei einem Gmundener Prätendententum hätte das nichts zu sagen, anders<lb/> würde sich die Sache gestalten, wenn der Verzicht auf Hannover dereinst von einem<lb/> regierenden Herzog von Braunschweig inmitten ernster Reichsnöte preisgegeben und<lb/> für aufgehoben erklärt würde. Es wäre nicht der erste Fall in der Geschichte,<lb/> auch nicht in der deutschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1050" next="#ID_1051"> Als König Wilhelm von Preußen am 5. Juli 1866 im Hauptquartier zu<lb/> Horitz auf dem Schlachtfelde von Königgrätz das Telegramm empfing, das die<lb/> Intervention Napoleons ankündigte, griff er höchst überrascht aber auch schnell<lb/> gefaßt nach einem Blatt Papier und schrieb darauf, wie Lettow-Vorbeck in seiner</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0242]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Schritt den Regierungsantritt in Braunschweig sichern wollte, hätte er den Schritt
längst tun können. Prinz Georg Wilhelm ist 1880 geboren, wäre also seit 1898
regierungsfähig gewesen. Der aäiws s.ä vachu war gegeben, als Kaiser Wilhelm
im Jahre 1892 hochherzig die Beschlagnahme des Welfenfonds aufhob, und der
Herzog die schriftliche Zusage erteilte, mit seinen Mitteln wissentlich nichts gegen
den Frieden Preußens und des Reichs unternehmen zu wollen. Beruht die ab¬
lehnende Haltung des Herzogs von Cumberland tatsächlich auf einer gegen seinen
Vater eingegangnen Verpflichtung, so kann und wird er diese nicht dadurch um-
gehn, daß er für seine Person abbaute, um seinem Sohne den Verzicht zu ermöglichen.
Man sollte eher das Gegenteil annehmen, daß er seinem Sohne wie allen seinen
Nachfolgern die im Hietzinger Protest ohnehin für sie verbindlich ausgesprochne
Verpflichtung von neuem auferlegt. Das wäre wenigstens im Sinne der welfischen
Tradition gehandelt. Die Welt wird darüber wohl erst dereinst bei seinem Ableben
aufgeklärt werden.
Nun kann man sagen, die Stellung des Hauses Braunschweig - Lüneburg
— wenn man diesen Titel gelten lassen will — zum Reiche sei ohnehin verändert
durch die Vermählung einer Tochter des Herzogs von Cumberland mit dem Prinzen
Max von Baden und einer andern mit dem Großherzog von Mecklenburg, einem
regierenden deutschen Reichsfürsten; beide sind dem königlichen Hause von Preußen
verwandt. Der Kaiser ist in Karlsruhe mit der Prinzessin Max von Baden zusammen¬
getroffen, dem Einzuge des jungen Paares in Schwerin hat der Kronprinz beigewohnt,
der Besuch des Kaisers steht bevor. Gewiß sind diese beiden fürstlichen Damen damit
in einen andern Kreis eingetreten, als der des selbsterwählten Exils ihres Vaters
in Gmunden ist. Aber wenn der Herzog von Cumberland seine Töchter ebenbürtig
vermählen wollte, blieben ihm dazu doch nur österreichische Erzherzoge — dann
wohl mit unvermeidlichen Religionswechsel — oder Mitglieder der deutschen bundes¬
fürstlichen Häuser übrig. Einen Akt der Annäherung bedeuten somit diese Ehe¬
schließungen an sich nicht, Wohl aber kann sich eine Annäherung daraus ergeben.
Hört man doch schon seit längerer Zeit von dem Wunsche, der an hohen Stellen
bestehn soll, einen preußischen Prinzen, wenn möglich den Kronprinzen, mit der im
Jahre 1884 gebornen, also jetzt zwanzigjährigen jüngsten Tochter des Herzogs
von Cumberland zu vermählen und damit die Versöhnung mit dem Braunschweiger
Hause und dem Welfentum zu besiegeln. Als Beispiel dient dabei das Ehebündnis
des Kaiserpaares. Auch das Verlöbnis des Prinzen Wilhelm von Preußen mit der
Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein sei einst ein Unterpfand der
endgiltigen Aussöhnung der Gemüter in dem meerumschlungnen Lande gewesen.
Das Beispiel trifft jedoch nicht zu. Schleswig-Holstein war nicht im Besitze
des herzoglichen Hauses, es ist durch die preußischen Waffen von der dänischen
Fremdherrschaft befreit worden. Die Welfendynastie aber hat in Hannover regiert,
und sie hat ihren Anspruch auf diese Krone bis heute nicht aufgegeben. Ein Akt
des geschichtlichen Ausgleichs würde ja vielleicht darin liegen, wenn eine Tochter des
welfischen Hauses dereinst Königin von Preußen und Gemahlin des deutschen Kaisers
würde, aber wer ist imstande zu verbürgen, daß ein Verzicht des Prinzen Georg Wilhelm
nicht von diesem oder einem seiner Nachfolger unter dem Einfluß schlechter Berater
bei gegebnen Anlaß wieder verleugnet, als „erzwungen" für nichtig erklärt werden
würde? Bei einem Gmundener Prätendententum hätte das nichts zu sagen, anders
würde sich die Sache gestalten, wenn der Verzicht auf Hannover dereinst von einem
regierenden Herzog von Braunschweig inmitten ernster Reichsnöte preisgegeben und
für aufgehoben erklärt würde. Es wäre nicht der erste Fall in der Geschichte,
auch nicht in der deutschen.
Als König Wilhelm von Preußen am 5. Juli 1866 im Hauptquartier zu
Horitz auf dem Schlachtfelde von Königgrätz das Telegramm empfing, das die
Intervention Napoleons ankündigte, griff er höchst überrascht aber auch schnell
gefaßt nach einem Blatt Papier und schrieb darauf, wie Lettow-Vorbeck in seiner
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