Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Die italienische Auswaudrung der Generalkommissar eine große Freiheit in seinen Entschließungen und An¬ Bei dem Gesetze war alles neu zu schaffen, da man bisher die aus¬ Heute sind alle diese Einrichtungen sozusagen vollständig ausgebaut, so- Was nun die italienische Auswaudrung selbst angeht, so müssen wir sie Die italienische Auswaudrung der Generalkommissar eine große Freiheit in seinen Entschließungen und An¬ Bei dem Gesetze war alles neu zu schaffen, da man bisher die aus¬ Heute sind alle diese Einrichtungen sozusagen vollständig ausgebaut, so- Was nun die italienische Auswaudrung selbst angeht, so müssen wir sie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0199" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294616"/> <fw type="header" place="top"> Die italienische Auswaudrung</fw><lb/> <p xml:id="ID_793" prev="#ID_792"> der Generalkommissar eine große Freiheit in seinen Entschließungen und An¬<lb/> ordnungen hat. Der Erfolg hat gelehrt, daß die ganze Art der Einrichtung den<lb/> Bedürfnissen nach jeder Richtung hin entspricht. Jedes Jahr hat der Senator<lb/> Bodio einen ausführlichen Rechenschaftsbericht an seinen vorgesetzten Minister<lb/> eingereicht, wodurch eine Fülle von wertvollen Materialien in geordneter Weise<lb/> bekannt gemacht worden ist. Der jüngst veröffentlichte dritte Bericht kann als<lb/> Muster für solche Zusammenstellungen bezeichnet werden. Da die Merkmale<lb/> der Auswandrung keineswegs konstant sind, so hat eine solche Behörde immer<lb/> auf die neuen Bedürfnisse zu achten und danach ihre Maßnahmen zu ändern<lb/> oder auch ganz neue Untersuchungen in ihren Gesichtskreis zu ziehn. Man darf<lb/> sagen, daß das Generalkommissariat die genügende praktische wie wissenschaftliche<lb/> Beweglichkeit gehabt hat, solchen Aufgaben gerecht zu werde».</p><lb/> <p xml:id="ID_794"> Bei dem Gesetze war alles neu zu schaffen, da man bisher die aus¬<lb/> wandernden Volksmassen ihrem blinden Instinkt und der Habgier der Aus-<lb/> wandruugsagentcn und deren Helfershelfer überlassen hatte. Zunächst wurden<lb/> das Hauptbureau und die Jnspektorate in den Auswandrungshäfen ins Leben<lb/> gerufen; dann galt es, die Ausschüsse in den einzelnen Orten und die Kom¬<lb/> missionen in den Provinzen einzurichten, und dann ging man dazu über, die<lb/> königlichen Kommissare an Bord der Schiffe zu ernennen. Die Auswandrungs-<lb/> schiffe mußten untersucht werden, ob sie nach den Vorschriften eingerichtet seien,<lb/> die Patente mußten an die Unternehmer erteilt, die vielen Tausende ihrer Ver¬<lb/> treter in den Ortschaften genehmigt, die Gesundheitsbestimmungen und zahl¬<lb/> reiche andre Dinge geltend gemacht werden. Die Überfahrtspreise, die sich bis<lb/> dahin durch den Wettbewerb oder gemeinschaftliche Übereinkommen geregelt<lb/> hatten, sollten in ihrer obern Grenze von Staats wegen festgesetzt werden, doch<lb/> sah das Kommissariat bald ein, daß diese Aufgabe wenigstens jetzt noch nicht<lb/> gelöst werden konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_795"> Heute sind alle diese Einrichtungen sozusagen vollständig ausgebaut, so-<lb/> daß viele Staaten in dieser Beziehung von Italien lernen können, ohne daß<lb/> man dabei an ein einfaches Nachahmen denken dürfte. Als besonders be¬<lb/> merkenswerte Ergebnisse der Tätigkeit dieser Behörde sind zu verzeichnen die<lb/> bequemere Gestaltung der Reise auf den vielfach noch primitiven italienischen<lb/> Dampfern, die zufriedenstellende Ordnung des ärztlichen Dienstes während der<lb/> Überfahrt durch Militärärzte, der Beginn eines Schutzes der Auswandrer in<lb/> den Ein- wie den Ausschiffnngshüfen, die Aufstellung von Plänen für Aus¬<lb/> wandrerhallen in Genua, Neapel und Palermo und die beabsichtigte strengere<lb/> Beaufsichtigung der Gasthäuser für Auswandrer in diesen Städten.</p><lb/> <p xml:id="ID_796" next="#ID_797"> Was nun die italienische Auswaudrung selbst angeht, so müssen wir sie<lb/> in eine zeitweilige und in eine dauernde einteilen. Zur ersten Klasse gehören<lb/> die Auswandrer, die sich für längere oder für kürzere Zeit über die Länder<lb/> Europas und die beiden Amerika zerstreuen, um dort Arbeit zu suchen. Diese<lb/> Auswandrung besteht ausschließlich aus Männern. Nur ganz vereinzelt kommt<lb/> es vor, daß eine Frau mitgeht, die für eine Gruppe von Männern an der<lb/> gemeinschaftlichen Arbeitsstelle den Haushalt besorgt, und die auch mit ihnen<lb/> in die Heimat zurückkehrt. Zur zweiten Klasse gehören ganze Familien und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0199]
Die italienische Auswaudrung
der Generalkommissar eine große Freiheit in seinen Entschließungen und An¬
ordnungen hat. Der Erfolg hat gelehrt, daß die ganze Art der Einrichtung den
Bedürfnissen nach jeder Richtung hin entspricht. Jedes Jahr hat der Senator
Bodio einen ausführlichen Rechenschaftsbericht an seinen vorgesetzten Minister
eingereicht, wodurch eine Fülle von wertvollen Materialien in geordneter Weise
bekannt gemacht worden ist. Der jüngst veröffentlichte dritte Bericht kann als
Muster für solche Zusammenstellungen bezeichnet werden. Da die Merkmale
der Auswandrung keineswegs konstant sind, so hat eine solche Behörde immer
auf die neuen Bedürfnisse zu achten und danach ihre Maßnahmen zu ändern
oder auch ganz neue Untersuchungen in ihren Gesichtskreis zu ziehn. Man darf
sagen, daß das Generalkommissariat die genügende praktische wie wissenschaftliche
Beweglichkeit gehabt hat, solchen Aufgaben gerecht zu werde».
Bei dem Gesetze war alles neu zu schaffen, da man bisher die aus¬
wandernden Volksmassen ihrem blinden Instinkt und der Habgier der Aus-
wandruugsagentcn und deren Helfershelfer überlassen hatte. Zunächst wurden
das Hauptbureau und die Jnspektorate in den Auswandrungshäfen ins Leben
gerufen; dann galt es, die Ausschüsse in den einzelnen Orten und die Kom¬
missionen in den Provinzen einzurichten, und dann ging man dazu über, die
königlichen Kommissare an Bord der Schiffe zu ernennen. Die Auswandrungs-
schiffe mußten untersucht werden, ob sie nach den Vorschriften eingerichtet seien,
die Patente mußten an die Unternehmer erteilt, die vielen Tausende ihrer Ver¬
treter in den Ortschaften genehmigt, die Gesundheitsbestimmungen und zahl¬
reiche andre Dinge geltend gemacht werden. Die Überfahrtspreise, die sich bis
dahin durch den Wettbewerb oder gemeinschaftliche Übereinkommen geregelt
hatten, sollten in ihrer obern Grenze von Staats wegen festgesetzt werden, doch
sah das Kommissariat bald ein, daß diese Aufgabe wenigstens jetzt noch nicht
gelöst werden konnte.
Heute sind alle diese Einrichtungen sozusagen vollständig ausgebaut, so-
daß viele Staaten in dieser Beziehung von Italien lernen können, ohne daß
man dabei an ein einfaches Nachahmen denken dürfte. Als besonders be¬
merkenswerte Ergebnisse der Tätigkeit dieser Behörde sind zu verzeichnen die
bequemere Gestaltung der Reise auf den vielfach noch primitiven italienischen
Dampfern, die zufriedenstellende Ordnung des ärztlichen Dienstes während der
Überfahrt durch Militärärzte, der Beginn eines Schutzes der Auswandrer in
den Ein- wie den Ausschiffnngshüfen, die Aufstellung von Plänen für Aus¬
wandrerhallen in Genua, Neapel und Palermo und die beabsichtigte strengere
Beaufsichtigung der Gasthäuser für Auswandrer in diesen Städten.
Was nun die italienische Auswaudrung selbst angeht, so müssen wir sie
in eine zeitweilige und in eine dauernde einteilen. Zur ersten Klasse gehören
die Auswandrer, die sich für längere oder für kürzere Zeit über die Länder
Europas und die beiden Amerika zerstreuen, um dort Arbeit zu suchen. Diese
Auswandrung besteht ausschließlich aus Männern. Nur ganz vereinzelt kommt
es vor, daß eine Frau mitgeht, die für eine Gruppe von Männern an der
gemeinschaftlichen Arbeitsstelle den Haushalt besorgt, und die auch mit ihnen
in die Heimat zurückkehrt. Zur zweiten Klasse gehören ganze Familien und
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