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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Worden für die 45000 Hektar der Gesellschaft im Süden des Gebirges; es sei der
Kaufpreis eines von zwölf Vertragen. Der ganze Kaufpreis betrage 2795 Mark.
Der wirkliche Kaufwert eines Landes, das jeder Kultur bar sei, sei überhaupt nicht
festzustellen; werde doch vielfach verlangt, den Pionieren Kronland umsonst zu geben.
Außerdem habe sich die Gesellschaft bereit erklärt, 4000 Hektar der Regierung zugunsten
der Eingebornen umsonst abzutreten (ein Zehntel des Besitzes). Das ganze Gebiet der
Togogesellschaft sei fast unbewohnt und in dieser Ausdehnung für die Eingebornen, denen
noch hinreichend Land geblieben sei, tatsächlich überflüssig. Jedenfalls sei es ausge¬
schlossen, daß die Kaufvertrage, die nach eingehender Prüfung genehmigt worden seien,
jetzt noch rechtlich angetastet werden könnten. Das Enteignungsrecht des Reichs werde
dadurch nicht berührt, die Bedingungen, die eine Enteignung rechtfertigen könnten,
lägen aber nicht vor. Die Kommission hat diesen Erörterungen dadurch Rechnung
getragen, daß sie in den Gesetzentwurf die Bestimmung aufgenommen hat, die im
Verkehrsbezirk der zu erbauenden Eisenbahn tätigen Landgesellschaften und Plantagen¬
besitzer seien, soweit sie besondre Interessen am Bahnbau hätten, zu einer ent¬
sprechenden Leistung heranzuziehn. Außerdem ist auch noch eine Resolution des
Inhalts angenommen worden, es sei darauf hinzuwirken, daß bei Abschluß von
größern Landläufer in den Schutzgebieten die Lebensbedingungen der eingebornen
Bevölkerung nicht geschädigt würden, und daß der Inhalt solcher Verträge dem
Reichstage zur Kenntnis gebracht werde.

Diese Resolution ist schon an sich nicht unbedenklich. Sie hat in den Vor¬
gängen in Südwestafrika eine gewisse berechtigte Unterlage, aber tatsächlich ließe
sich mit einer solchen Bestimmung jede Pionierarbeit in den Schutzgebieten un¬
möglich machen. Wie seinerzeit in den Vereinigten Staaten, so gibt es auch in
Afrika Stämme genug, die zum überwiegenden Teile von der Jagd, vom Ackerbau
oder von der Viehzucht aber nur in geringem Umfange leben. Wie sollen solche
Gebiete jemals der Kultur, sei es durch Plantagenbau oder durch Eisenbahn- und
Straßenbau, erschlossen werden? Die Jagd würde dadurch gestört, beseitigt oder
sehr eingeschränkt werden, und das brauchte sich in Zukunft laut Neichstagsresvlution
der Schwarze nicht mehr gefallen zu lassen. Nun ist eine "Resolution" zwar nur
eine "Resolution," die nichts zu bedeuten hat, wenn die Regierung ihr nicht bei-
tritt. Aber bei der ohnehin so schwierigen, schwerfälligen und langsamen Erschließung
unsrer Schutzgebiete sollte man das Kapital nicht noch durch unnötige Resolutionen
verscheuchen, die zugleich implicite ein Mißtrauen gegen die Gouverneure und die
Kolonialverwaltung enthalten. Es wird heute ohnehin schon anders Verfahren als
im ersten Jahrzehnt, wo man Gott danken mußte, wenn sich überhaupt Leute
fanden, die den Fuß nach Afrika setzten!

Die Sozialdemokraten haben freilich an dieser Resolution noch nicht genug.
Sie brauchen ein Polier- und Paradestück und beantragen demgemäß, den Reichs¬
kanzler zu ersuchen, "er wolle die Annullierung der dem Landerwerb der Togo¬
gesellschaft zugrunde liegenden Kaufvertrage und die Zurückführung des Landes in
den Stammesbesitz der Eingebornen (!) in die Wege leiten." Es fehlt als Zusatz
nur noch das Niederholen der deutschen Flagge und die Rückberufung der gesamten
Verwaltung. In der Tat, es ist schade, daß wir nicht noch einige siebzig Distrikte
in Afrika erwerben und in jedem davon einen der sozinldemokratischen Antragsteller
als Bezirkshauptmann anstellen können. Es verlohnte wirklich der Mühe. Als
einziges Verwaltungsrecht brauchte ja nur Bebels Buch über die Frau in die
verschiednen Stammessprachen übersetzt zu werden. Daß sich so viel Leute, acht¬
undsiebzig, finden, einen solchen Antrag zu unterschreiben, ist allerdings ein Zeichen
geistigen Niedergangs; in England oder Amerika -- Philippinen! -- würde man
Antragsteller dieser Art vielleicht auf ihren Geisteszustand untersuchen.

Die zweite sozialdemokratische Kundgebung ist eine gegen das dem preußischen
Landtage vorgelegte Gesetz betreffend den Vertragsbruch landwirtschaftlicher Arbeiter
gerichtete Jnterpellation. Es wird die Vorlage als den Reichsgesetzen zuwider-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Worden für die 45000 Hektar der Gesellschaft im Süden des Gebirges; es sei der
Kaufpreis eines von zwölf Vertragen. Der ganze Kaufpreis betrage 2795 Mark.
Der wirkliche Kaufwert eines Landes, das jeder Kultur bar sei, sei überhaupt nicht
festzustellen; werde doch vielfach verlangt, den Pionieren Kronland umsonst zu geben.
Außerdem habe sich die Gesellschaft bereit erklärt, 4000 Hektar der Regierung zugunsten
der Eingebornen umsonst abzutreten (ein Zehntel des Besitzes). Das ganze Gebiet der
Togogesellschaft sei fast unbewohnt und in dieser Ausdehnung für die Eingebornen, denen
noch hinreichend Land geblieben sei, tatsächlich überflüssig. Jedenfalls sei es ausge¬
schlossen, daß die Kaufvertrage, die nach eingehender Prüfung genehmigt worden seien,
jetzt noch rechtlich angetastet werden könnten. Das Enteignungsrecht des Reichs werde
dadurch nicht berührt, die Bedingungen, die eine Enteignung rechtfertigen könnten,
lägen aber nicht vor. Die Kommission hat diesen Erörterungen dadurch Rechnung
getragen, daß sie in den Gesetzentwurf die Bestimmung aufgenommen hat, die im
Verkehrsbezirk der zu erbauenden Eisenbahn tätigen Landgesellschaften und Plantagen¬
besitzer seien, soweit sie besondre Interessen am Bahnbau hätten, zu einer ent¬
sprechenden Leistung heranzuziehn. Außerdem ist auch noch eine Resolution des
Inhalts angenommen worden, es sei darauf hinzuwirken, daß bei Abschluß von
größern Landläufer in den Schutzgebieten die Lebensbedingungen der eingebornen
Bevölkerung nicht geschädigt würden, und daß der Inhalt solcher Verträge dem
Reichstage zur Kenntnis gebracht werde.

Diese Resolution ist schon an sich nicht unbedenklich. Sie hat in den Vor¬
gängen in Südwestafrika eine gewisse berechtigte Unterlage, aber tatsächlich ließe
sich mit einer solchen Bestimmung jede Pionierarbeit in den Schutzgebieten un¬
möglich machen. Wie seinerzeit in den Vereinigten Staaten, so gibt es auch in
Afrika Stämme genug, die zum überwiegenden Teile von der Jagd, vom Ackerbau
oder von der Viehzucht aber nur in geringem Umfange leben. Wie sollen solche
Gebiete jemals der Kultur, sei es durch Plantagenbau oder durch Eisenbahn- und
Straßenbau, erschlossen werden? Die Jagd würde dadurch gestört, beseitigt oder
sehr eingeschränkt werden, und das brauchte sich in Zukunft laut Neichstagsresvlution
der Schwarze nicht mehr gefallen zu lassen. Nun ist eine „Resolution" zwar nur
eine „Resolution," die nichts zu bedeuten hat, wenn die Regierung ihr nicht bei-
tritt. Aber bei der ohnehin so schwierigen, schwerfälligen und langsamen Erschließung
unsrer Schutzgebiete sollte man das Kapital nicht noch durch unnötige Resolutionen
verscheuchen, die zugleich implicite ein Mißtrauen gegen die Gouverneure und die
Kolonialverwaltung enthalten. Es wird heute ohnehin schon anders Verfahren als
im ersten Jahrzehnt, wo man Gott danken mußte, wenn sich überhaupt Leute
fanden, die den Fuß nach Afrika setzten!

Die Sozialdemokraten haben freilich an dieser Resolution noch nicht genug.
Sie brauchen ein Polier- und Paradestück und beantragen demgemäß, den Reichs¬
kanzler zu ersuchen, „er wolle die Annullierung der dem Landerwerb der Togo¬
gesellschaft zugrunde liegenden Kaufvertrage und die Zurückführung des Landes in
den Stammesbesitz der Eingebornen (!) in die Wege leiten." Es fehlt als Zusatz
nur noch das Niederholen der deutschen Flagge und die Rückberufung der gesamten
Verwaltung. In der Tat, es ist schade, daß wir nicht noch einige siebzig Distrikte
in Afrika erwerben und in jedem davon einen der sozinldemokratischen Antragsteller
als Bezirkshauptmann anstellen können. Es verlohnte wirklich der Mühe. Als
einziges Verwaltungsrecht brauchte ja nur Bebels Buch über die Frau in die
verschiednen Stammessprachen übersetzt zu werden. Daß sich so viel Leute, acht¬
undsiebzig, finden, einen solchen Antrag zu unterschreiben, ist allerdings ein Zeichen
geistigen Niedergangs; in England oder Amerika — Philippinen! — würde man
Antragsteller dieser Art vielleicht auf ihren Geisteszustand untersuchen.

Die zweite sozialdemokratische Kundgebung ist eine gegen das dem preußischen
Landtage vorgelegte Gesetz betreffend den Vertragsbruch landwirtschaftlicher Arbeiter
gerichtete Jnterpellation. Es wird die Vorlage als den Reichsgesetzen zuwider-


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[0668] Maßgebliches und Unmaßgebliches Worden für die 45000 Hektar der Gesellschaft im Süden des Gebirges; es sei der Kaufpreis eines von zwölf Vertragen. Der ganze Kaufpreis betrage 2795 Mark. Der wirkliche Kaufwert eines Landes, das jeder Kultur bar sei, sei überhaupt nicht festzustellen; werde doch vielfach verlangt, den Pionieren Kronland umsonst zu geben. Außerdem habe sich die Gesellschaft bereit erklärt, 4000 Hektar der Regierung zugunsten der Eingebornen umsonst abzutreten (ein Zehntel des Besitzes). Das ganze Gebiet der Togogesellschaft sei fast unbewohnt und in dieser Ausdehnung für die Eingebornen, denen noch hinreichend Land geblieben sei, tatsächlich überflüssig. Jedenfalls sei es ausge¬ schlossen, daß die Kaufvertrage, die nach eingehender Prüfung genehmigt worden seien, jetzt noch rechtlich angetastet werden könnten. Das Enteignungsrecht des Reichs werde dadurch nicht berührt, die Bedingungen, die eine Enteignung rechtfertigen könnten, lägen aber nicht vor. Die Kommission hat diesen Erörterungen dadurch Rechnung getragen, daß sie in den Gesetzentwurf die Bestimmung aufgenommen hat, die im Verkehrsbezirk der zu erbauenden Eisenbahn tätigen Landgesellschaften und Plantagen¬ besitzer seien, soweit sie besondre Interessen am Bahnbau hätten, zu einer ent¬ sprechenden Leistung heranzuziehn. Außerdem ist auch noch eine Resolution des Inhalts angenommen worden, es sei darauf hinzuwirken, daß bei Abschluß von größern Landläufer in den Schutzgebieten die Lebensbedingungen der eingebornen Bevölkerung nicht geschädigt würden, und daß der Inhalt solcher Verträge dem Reichstage zur Kenntnis gebracht werde. Diese Resolution ist schon an sich nicht unbedenklich. Sie hat in den Vor¬ gängen in Südwestafrika eine gewisse berechtigte Unterlage, aber tatsächlich ließe sich mit einer solchen Bestimmung jede Pionierarbeit in den Schutzgebieten un¬ möglich machen. Wie seinerzeit in den Vereinigten Staaten, so gibt es auch in Afrika Stämme genug, die zum überwiegenden Teile von der Jagd, vom Ackerbau oder von der Viehzucht aber nur in geringem Umfange leben. Wie sollen solche Gebiete jemals der Kultur, sei es durch Plantagenbau oder durch Eisenbahn- und Straßenbau, erschlossen werden? Die Jagd würde dadurch gestört, beseitigt oder sehr eingeschränkt werden, und das brauchte sich in Zukunft laut Neichstagsresvlution der Schwarze nicht mehr gefallen zu lassen. Nun ist eine „Resolution" zwar nur eine „Resolution," die nichts zu bedeuten hat, wenn die Regierung ihr nicht bei- tritt. Aber bei der ohnehin so schwierigen, schwerfälligen und langsamen Erschließung unsrer Schutzgebiete sollte man das Kapital nicht noch durch unnötige Resolutionen verscheuchen, die zugleich implicite ein Mißtrauen gegen die Gouverneure und die Kolonialverwaltung enthalten. Es wird heute ohnehin schon anders Verfahren als im ersten Jahrzehnt, wo man Gott danken mußte, wenn sich überhaupt Leute fanden, die den Fuß nach Afrika setzten! Die Sozialdemokraten haben freilich an dieser Resolution noch nicht genug. Sie brauchen ein Polier- und Paradestück und beantragen demgemäß, den Reichs¬ kanzler zu ersuchen, „er wolle die Annullierung der dem Landerwerb der Togo¬ gesellschaft zugrunde liegenden Kaufvertrage und die Zurückführung des Landes in den Stammesbesitz der Eingebornen (!) in die Wege leiten." Es fehlt als Zusatz nur noch das Niederholen der deutschen Flagge und die Rückberufung der gesamten Verwaltung. In der Tat, es ist schade, daß wir nicht noch einige siebzig Distrikte in Afrika erwerben und in jedem davon einen der sozinldemokratischen Antragsteller als Bezirkshauptmann anstellen können. Es verlohnte wirklich der Mühe. Als einziges Verwaltungsrecht brauchte ja nur Bebels Buch über die Frau in die verschiednen Stammessprachen übersetzt zu werden. Daß sich so viel Leute, acht¬ undsiebzig, finden, einen solchen Antrag zu unterschreiben, ist allerdings ein Zeichen geistigen Niedergangs; in England oder Amerika — Philippinen! — würde man Antragsteller dieser Art vielleicht auf ihren Geisteszustand untersuchen. Die zweite sozialdemokratische Kundgebung ist eine gegen das dem preußischen Landtage vorgelegte Gesetz betreffend den Vertragsbruch landwirtschaftlicher Arbeiter gerichtete Jnterpellation. Es wird die Vorlage als den Reichsgesetzen zuwider-

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/668>, abgerufen am 30.06.2024.